Schulkameraden: Museumsdirektorin Susanne Goebel und Dokumentarfilmer Wolfram Hannemann Foto: Schweizer

An die 40 Jahre lang waren Klaus Friedrich und Gerhard Göbelt mit ihren Wanderkinos unterwegs. Jetzt sind sie selbst Helden eines Dokumentarfilms – am Freitag war er im Tailfinger Maschenmuseum zu sehen.

Albstadt - Vor vielen Jahren gingen Susanne Goebel und Wolfram Hannemann gemeinsam in Kornwestheim zur Schule. Dann trennten sich ihre Wege; sie wurde Museumsdirektorin in Albstadt und er Dokumentarfilmer. Unlängst sind sie sich wieder begegnet, bei ihrer Goldenen Konfirmation, und dabei kamen sie miteinander über ihre Arbeit ins Gespräch. Hannemann erzählte von seinem jüngsten abendfüllenden Dokumentarfilm "Kultourhelden – Vom Ende einer Ära", der 2021 Premiere gehabt, eine Verleihförderung über das Medien- und Filmförderungsgesetz (MFG) Baden-Württemberg erhalten hatte und sogar in Kinos in Wien und Innsbruck gezeigt wurde. Er handelt von den beiden letzten privatwirtschaftlich betriebenen Wanderkinos im Land, einem Medium der Kulturvermittlung, das kurz vor dem Aussterben steht.

Was Wien und Innsbruck recht ist, das ist Tailfingen billig. Die beiden einstigen Schulkameraden waren sich schnell einig, dass das Maschenmuseum zwar ein nicht ganz gewöhnlicher Ort für die Präsentation eines Dokumentarfilms über Wanderkinos wäre – aber anderseits auch wieder prädestiniert dafür mit der gewissen historischen Patina, die es seinem traditionsreichen Maschinenpark verdankt. Und so kam Hannemann mit seinem Film nach Tailfingen und bot – so Goebel – "einer kleinen, feinen Filmgesellschaft" die Gelegenheit, ein kaum bekanntes Stück Kulturgeschichte kennenzulernen.

Der Apfel fiel nicht weit vom Stamm

Klaus Friedrich und Gerhard Göbelt sind studierte Pädagogen; dass sie einmal mit Filmrollen und Projektor durch die Lande ziehen würde, war nicht von Anfang an ausgemacht gewesen. Indes hatte schon Klaus Friedrichs Tante ein Stummfilmkino betrieben, seine Mutter war in der Branche tätig gewesen; so weit vom Stamm fiel der Apfel also nicht. Irgendwann Anfang der 1980er Jahre verlegte Friedrich sich darauf, mit schweren Kisten im Transporter durch die Lande zu tingeln, in den Festhallen wechselnder Landgemeinden seine Zelte aufzuschlagen und seine Filme zu zeigen. Was für Filme? "Emil und die Detektive" war der Erstling gewesen, später lockte Joseph Vilsmaiers "Herbstmilch" zahlreiche Besucher in die Vorstellungen.

"Die Fischerin" lief auf dem Bodensee

Acht Jahre lang, von 1990 bis 1998, waren Friedrich und Gerhard Göbelt Partner; es waren keine einfachen Zeiten. Die Wanderkinos erhielten die aktuellen Filme immer erst sechs oder acht Wochen nach den Filmpalästen vor Ort; die beiden machten eine Eingabe beim Bundeskartellamt, um früher an die Kopien zu kommen. Und hatten sogar Erfolg, der allerdings nicht von Dauer war. Oft nahmen sie drei bis vier Filme auf einmal mit und schauten dann, "was gut läuft". Nachmittags zeigten sie gerne Kinderfilme, im Anschluss daran war die Jugend an der Reihe, und abends wurden die Erwachsenen bedient – Zwölf- bis 14-Stunden-Tage waren eher die Regel als die Ausnahme. Ein besonders ausgefallener Schauplatz für eine Kinovorstellung war der Steinbruch Näser unterhalb des Michaelisberges bei Cleebronn; unter anderem stand ein Horrorfilm auf dem Programm – und der Projektor im Transporter. Und dann war da noch die Bodenseefähre – was lief? Natürlich "Die Fischerin vom Bodensee".

Heimweh nach dem Brummen des Projektors

"Kultourhelden – Vom Ende einer Ära" gibt nicht nur den beiden Jung-Rentnern Friedrich und Göbelt Anlass, in Erinnerungen zu schwelgen, sondern auch dem Zuschauer – nicht von ungefähr, Friedrich und Göbelt erinnern sich bestens, hatten die Kinobesucher nach Einzug der Digitalisierung Entzugserscheinungen gezeigt: Sie vermissten das Brummen des 35-Millimeter-Projektors. Wolfram Hannemann hat dieses Brummen – im übertragenen Sinne – in seinem Film konserviert. 105 Minuten ist er lang und wurde in Rekordzeit gedreht – von der ersten Klappe bis zur Schlussszene verging ein Jahr. "Corona ist mir entgegen gekommen", sagt Hannemann. "Da ging ja sonst nichts."