Für die Initiative ist der Fund des Rotmilan-Nestes so was wie ein Joker. (Symbolfoto) Foto: dpa

Initiative gegen Windpark bisher erfolglos. Landratsamt erlaubt Probebohrungen und Rodungen. 

Sulz/Dornhan - Windräder sind so etwas wie der Feind des Rotmilans. Und auch anders herum wird ein Schuh daraus. Wo ein Horst dieses majestätischen Vogels entdeckt wird, hat die Windkraft meist keinen guten Stand. Darauf setzt auch eine Initiative aus Sulz und Dornhan (Kreis Rottweil), die sich dem Kampf gegen einen von der EnBW geplanten Windpark auf der Gemarkungsgrenze verschrieben hat.

Der Blick aus dem Esszimmerfenster des Ehepaars Glück ist Schwarzwaldidylle pur. Das am Südhang des kleinen Dorfes Bettenhausen (Kreis Rottweil) gelegene Architektenhaus ist der Lebenmittelpunkt der Glücks. Auf der gegenüberliegenden Anhöhe will die EnBW zwei Windräder realisieren. Ein 230 Meter hohes auf dem "Brachfeld" (Gemarkung Sulz) und ein um 20 Meter kürzeres auf dem "Kalten Feld" (Gemarkung Dornhan). Auf eine zunächst vorgesehene dritte Anlage verzichtet der Karlsruher Energieversorger, weil er den naturschutzrechtlichen Belangen nicht hätte standhalten können. Die Stadt Sulz hat dem Vorhaben bereits zugestimmt. In Dornhan hat man sich für ein anders Verfahren entschieden. Dort soll ein Teilflächennutzungsplan regeln, wo Windkraftanlagen auf der Gemarkung gebaut werden dürfen und wo nicht.

Zwei Einsprüche wurden zurückgewiesen

"Wenn die Windkraftanlage kommt, sind die Häuser hier nur noch die Hälfte wert", sagt Robert Glück. Zusammen mit seiner Frau und weiteren Windkraftgegnern hat er die "Initiative gegen den Windpark Sulz-Dornhan" gegründet. Bislang allerdings waren die Bemühungen vor allem von Rückschlägen geprägt. Zuletzt wurden zwei Einsprüche gegen den Windradbau – einer vor dem Verwaltungsgericht Freiburg, ein weiterer vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim – zurückgewiesen.

Das Landratsamt wiederum hat bereits beiden Windkraftanlagen zugestimmt, ebenso dem Antrag der EnBW auf "sofortige Vollziehung". Damit kann der Betreiber der Anlagen in die Vorbereitungen einsteigen, sprich Probebohrungen vornehmen oder vorhandene Waldflächen roden. Offenbar ist es übliche Praxis, dass Investoren von Windenergieanlagen mit Genehmigungsanträgen beim Landratsamt erwirken wollen, dass möglichst schnell gebaut werden kann. "Die hierfür maßgeblichen, rechtlichen Voraussetzungen – öffentliches Interesse beziehungsweise überwiegendes Beteiligteninteresse – lagen vor", schreibt das Landratsamt auf Nachfrage unserer Zeitung.

Dass die Kreisbehörde Tatsachen schafft, die man nicht wieder rückgängig machen kann, sorgt bei den Windkraftgegnern für Frust. Für sie gehe mit dem Bau der Anlagen ein großes Stück Lebensqualität verloren. "Da, wo Sie jetzt sitzen, werden Sie den Schatten der rotierenden Blätter sehen, wenn Sie aus dem Fenster schauen", sagt Heidi Glück beim Gespräch vor Ort.

Der Schattenwurf und die rotierenden Blätter der Anlagen sorgen für den sogenannten Diskoeffekt – ein Spiel aus Licht und Schatten, der als besonders belastend empfunden wird. Dieser Einwand, der Infraschall, der Geräuschpegel und die bedrängende Wirkung, die von den geplanten Windrädern für die Anwohner in Bettenhausen und im benachbarten Hopfau ausgehe, zählt für die kommunalen Entscheider und jene im Regierungspräsidium aber nicht, wie die Glücks und Mitstreiter Peter Heimberger am Esstisch erzählen. Die Beeinträchtigungen seien nicht schwerwiegend genug. Vielmehr ist es ein besonderer Fund, der nun der EnBW in die Parade fahren könnte.

Nest eines Rotmilans auf dem "Kalten Feld" könnte ein Joker sein

Die Anhöhe, auf der die beiden Windkraftanlagen gebaut werden sollen, werden naturschutzrechtlich als Milan-Dichtezentrum beschrieben, also einem Bereich, in dem besonders viele Milane unterwegs sind. Und eben in diesem Bereich, genauer auf dem "Kalten Feld" etwa 150 Meter vom Standort der Dornhaner Anlage entfernt, entdeckten das Ehepaar Glück und ein von der Initiative beauftragter Gutachter neben weiteren Milan-Horsten das Nest eines Rotmilans, das sowohl von Jung- als auch von Altvögeln angeflogen wird. "Das ist ein Horst der Kategorie III", erklärt Heimberger im Gespräch freudig. Für die Initiative sei der Fund so was wie ein Joker.

Ein Blick auf andere Windkraft-Vorhaben in der Umgebung lässt die Initiative hoffen. 2013 stoppte der Rotmilan einen geplanten Windpark im "großen Hau" bei Horb-Rexingen (Kreis Freudenstadt). Und auch auf dem Bettenberg bei Dornhan kam der Bau zweier Windkraftanlagen wegen der Besiedelung durch den Milan nicht zustande. Baden-Württemberg ist einer der Verbreitungsschwerpunkte des Rotmilans. Laut Nabu sind die rund 1000 Brutpaare für den Fortbestand des Rotmilans an sich schon von großer Bedeutung.

"Was dort gilt, muss auch hier gelten", ist sich Robert Glück sicher. Das Landratsamt lässt auf Nachfrage durchblicken, dass das Windkraft-Projekt noch nicht in Stein gemeißelt ist. "Die artenschutzrechtliche Zulässigkeit der beiden Windenergieanlagen lag zum Genehmigungszeitpunkt vor. Der neue Horstfund löst im Sinne der Regelvermutung – zumindest für das WEA 1 (Anm. der Redaktion: Dornhaner Anlage) – ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko aus, welchem nun nachträglich begegnet werden muss", ließ das Landratsamt auf Nachfrage verlautbaren. Erste Folgen könnten erneute Untersuchungen, aber auch im Falle der Projektverwirklichung Einschränkungen des Windradbetriebs sein.

Wie das Landratsamt letztlich vorgehen wird, das will auch der Betreiber erst einmal abwarten. Die EnBW teilte auf Nachfrage unserer Zeitung mit: "Erst nach einer entsprechenden Entscheidung ist dann in Ruhe abzuschätzen, ob sich die Wirtschaftlichkeit der geplanten Windkraftanlage(n) möglicherweise signifikant ändert." Für die EnBW gelte schlicht, "dass die Natur halt dynamisch ist". Daher könnten sich Gutachten als Grundlagen für einen Genehmigungsantrag immer nur auf definierte Betrachtungszeiträume erstrecken.

Die Windkraftgegner indes wollen am Ball bleiben. Der beauftragte Gutachter sei im Gespräch mit dem Regierungspräsidium. Und das habe zuletzt großes Interesse am Horst-Fund der Windkraftgegner gezeigt.