Das Ensemble stellt festgefahrene Meinungen in Frage. Foto: Haubold Foto: Schwarzwälder Bote

Theater: Die Berliner Compagnie spielt in der Sulzer Stadthalle "Das Bild vom Feind" / 200 Besucher

Sulz. Wut, Verzweiflung, aber auch Leidenschaft und tiefen Kummer: All diese Emotionen haben fünf Schauspieler der Berliner Compagnie auf der Bühne in der Stadthalle gezeigt. Das Berneuchener Haus Kloster Kirchberg präsentierte im Zuge ihrer Themenwoche zu Religion und Politik am Samstagabend die Berliner Theatergruppe mit ihrem Stück "Das Bild vom Feind".

Die Initiatoren um den geistlichen Leiter Matthias Gössling holten damit anspruchsvolles Schauspiel nach Sulz. Er konnte rund 200 Interessierte begrüßen.

Ein aktuelles Thema hat die Schauspielgruppe unter Regie von Elke Schuster aufgegriffen: Wie Europas Populisten agieren, wie geopolitische Interessen und Machtspiele sogar Bürgerkriege entfachen können und welche Rolle die Medien spielen, führte das Ensemble sehr authentisch vor Augen. Das 90-minütige Stück spielt in der Redaktion einer linksgerichteten Zeitung. Hier spornen sich Redakteure und Mitarbeiter zum Engagement für eine gerechtere Gesellschaft an. Doch der Zeitungsverlag ist von einem Milliardär aufgekauft worden. Der neue Chefredakteur soll den neuen Kurs des Blattes durchsetzen und möchte eine Sonderbeilage über den Konflikt in der Ukraine herausgeben.

Unterstützung bekommt er mit der jungen ukrainischen Maidan-Aktivistin Tatjana (Natascha Menzel) aus Odessa, die ein Volontariat beginnt. Schnell wird klar, dass Tatjanas Berichterstattung nicht neutral ist. Kein Wunder, sind doch ihr Bruder im Gefecht erschossen worden.

Chefredakteur Ditte (Jean-Theo Jost) sieht darin kein Problem. Artikel wie "Migration aus den geschundenen Ländern des Südens" und "Freispruch für drei Polizisten, die einen betrunkenen Penner halb tot geschlagen haben", weichen den Inhalten zu "Was koche ich heute, und was ziehe ich an?" Beisteuern könne man ja noch "150 Zeilen zur Nullbock-Generation", aber nicht einen Bericht über die Situation der Journalistenkollegen in der Türkei , so der Tenor der Redakteure zum Chef-Dekret: "Denn für solche Texte kaufen Leser jetzt unsere Zeitung."

Auf dunkler Bühne, untermalt von melancholischem Gesang und feinen Instrumentaleinspielungen berichtet jedoch Augenzeugin Tatjana von den Schrecken des Bürgerkrieges auf der Krim. Die Redakteure Wenk (Rondo Beat) und Löffelholz (H. G. Fries) versuchen die Absichten Putins und Russlands und auch die des Westens und der Nato aufzudecken. Sie verfassen eine Resolution, um den Vorgesetzten loszuwerden.

Auch die alleinerziehende Redakteurin Hohlbein, die seit zehn Jahren für das Blatt schreibt, aber immer noch keine Festanstellung hat, erklärt mutig: "Soll doch jeder das schreiben, was er vertreten kann." In spannenden Dialogen stellen die Zeitungsmacher festgefahrene Meinungen in Frage und durchleuchteten das eine oder andere Feindbild.

Zwischen der Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes und dem Berufsethos, zwischen emotionalen Wahrheiten und intellektuellen Hieben, entwickelte das erstklassige Ensemble eine überzeugend dichte Inszenierung ohne Pause. Mucksmäuschenstill und gebannt lauschte das Publikum. Die ungleichen Charaktere zeigten die russischen Ängste angesichts der NATO-Osterweiterung und die Angst vieler Menschen im Donbass vor ukrainisch-nationalistischen Kräften im heutigen Kiew auf und bekamen nach ihrem Song "Trauen Sie doch der Presse" sogar Szenenapplaus. Nur einmal durchraunte ein Schmunzeln die Halle, als der beredte Horst Wenk gegen die Kollegen wetterte: "Für alles, was schief läuft, wird Putin verantwortlich gemacht, demnächst auch für Merkels Frisur."

Die Inszenierung von Elke Schuster beeindruckte durch akribische Recherche und eine packende Umsetzung. Die Zahl der Besucher und ihr lang anhaltender Applaus am Ende zeigten, dass das Ensemble den Nerv der Zeit getroffen hatte.