1928 wurde der zweite Bauabschnitt des Hauptbahnhofs mit dem Turm vollendet. Foto: Leif Piechowski

Der Turm des Hauptbahnhofs ruht auf Eisenbeton- , nicht auf Holzpfählen. Das steht in einem Dokument der Baufirma von 1914. Die Bahn sieht die Debatte um die Standsicherheit des Turms damit als beendet an, zumal das Dokument bereits 2010 in der Schlichtung vorlag. OB Fritz Kuhn bleibt skeptisch.

Stuttgart - Der entscheidende Satz steht auf Seite 10: „Die gesamte Turmlast von 10 300 Tonnen wird durch 289 Eisenbetonpfähle auf den Boden übertragen.“ So steht es wörtlich in der „Statischen Berechnung des Turmfundaments“ der Baufirma Wayss u. Freytag AG vom 19. November 1914, die Stuttgart-21-Sprecher Wolfgang Dietrich am Mittwoch vorlegte. „Damit sollten alle kritischen Fragen zu diesem Thema beantwortet sein“, sagte Dietrich.

Die Frage, ob der Turm auf Stahlbetonpfählen oder auf Eichenpfählen gegründet wurde, bekommt durch Stuttgart 21 erhebliches Gewicht, weil beim Bau des Tiefbahnhofs einige Jahre lang das Grundwasser abgesenkt werden muss. Sollten die Pfähle aus Holz sein – was Kritiker des Projekts vermuten –, sollten sie nicht mit Luft in Berührung kommen, da sie sonst zu verrotten drohen. Die Deutsche Bahn hält solche Befürchtungen für unbegründet, da sie von einer Turmgründung auf Stahlbetonpfählen ausgeht.

In einer Festschrift zum 65-Jahr-Jubiläum des Bahnhofs haben Kritiker jedoch ein Bild entdeckt, unter dem es heißt: „Der Turm ruht auf 290 Eichenpfählen.“ Diesen Widerspruch gebe es, räumte Dietrich am Mittwoch ein: „Doch das eine ist eine Festschrift, und das Dokument von 1914 sind Fakten.“ Auch Paul Dübbers, Enkel des Bahnhofsarchitekten Paul Bonatz, hat unter Verweis auf Erzählungen seines Onkels immer wieder Zweifel an der Verwendung von Stahlbetonpfählen geäußert.

Standsicherheit des Turms werde während der Bauphase ständig überwacht

Am Montag hat sich OB Fritz Kuhn in die seit Wochen schwelende Diskussion eingeschaltet: In einem Brief an Bahn-Vorstand Volker Kefer forderte der OB den Manager auf, in der Sache „für Klarheit zu sorgen“. Die Bahn solle außerdem darstellen, wie sie die Standsicherheit des Turms in der Bauphase von Stuttgart 21 überwachen und absichern wolle. Die „zeitnahe Klärung dieser Fragen“ halte er für „dringend erforderlich“, heißt es in Kuhns Schreiben.

„Die Dokumente zum Turmfundament liegen vor“, sagte Dietrich am Mittwoch. Die von Dübbers geforderte Sondierungsbohrung unter dem Turm lehne die Bahn ab, weil sie „nicht nötig“ seien. Die Standsicherheit des Turms werde während der Bauphase ständig überwacht. „Die Bauingenieure sind sehr erfahren; sie wissen, wie man solchen Sachverhalten umgeht“, sagte Dietrich.

Kuhn schweigt zum aktuellen Sachstand der Turmdebatte

Er wolle OB Kuhn bei dessen Intervention ausdrücklich „keine Boshaftigkeit“ unterstellen, betonte der Projektsprecher. „Allerdings wundern wir uns etwas, schließlich liegen die Daten zum Turmfundament auch der Stadt Stuttgart seit der Schlichtung vor.“ 2010 hatte ein Gutachter der Bahn in der Schlichtung zu Protokoll gegeben, dass der Turm auf Stahlbetonpfählen ruhe und sich dabei vor allem auf das Dokument von 1914 gestützt. Die Projektgegner hatten den Punkt daraufhin „ad acta“ gelegt. So steht es im Protokoll der Schlichtung, das bis heute auf der Homepage der Stadt steht.

„Es wäre besser, wenn man derartige Fragen künftig auf der Arbeitsebene zu klären versucht“, regte Dietrich an. OB Kuhn wollte sich am Mittwoch nicht zum aktuellen Sachstand in der Turmdebatte äußern. Er wartet auf die Antworten Kefers.

Die Landtagsabgeordnete Brigitte Lösch (Grüne) hat sich ebenfalls per Brief an die Bahn gewandt. Sie bittet Bahn-Chef Rüdiger Grube, auf den Abriss von drei Fußgängerbrücken in Bad Cannstatt zu verzichten. Die Antwort der Bahn steht noch aus. Einen Bezug zu Stuttgart 21 gibt es allerdings nur beim Holzsteg über den Neckar, der einer neuen Eisenbahnbrücke weichen muss. Für den Wegfall zweier Stege in den Unteren Anlagen ist die Stadt verantwortlich. Die Stege fallen ganz beziehungsweise für einige Jahre weg, weil der Leuzetunnel verbreitert wird.