Von 1905 bis 1984 war die Poststelle im Hause Oswald, das 2014 an die Gemeinde verkauft wurde und jetzt abgebrochen wird. Von 1984 bis 2003 war die Postagentur im Hause Helga Noll untergebracht und wurde danach aufgelöst. Foto: Bieger Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Kosten rund 28 000 Euro / Knapp 80 Jahre beherbergte das Haus die Postagentur

Ein geschichtsträchtiges, seit längerem leerstehendes Haus in der Bierlinger Hauptstraße wird jetzt abgebrochen, nachdem es vor längerer Zeit den Besitzer gewechselt hat. Die Gemeinde Starzach hat das Gebäude Oswald 2014 erworben. Die Abbruchkosten belaufen sich auf rund 28 000 Euro.

Star zach . Fast 80 Jahre, von 1905 bis 1984, war im Hause Oswald die Postagentur/Posttelegrafenstelle untergebracht. Viele gute und schlechte Nachrichten gingen in dieser Zeit von der Amtsstube aus an die Einwohner: Hochzeitsgratulatio nen, Geburtsanzeigen und Todesnachrichten, besonders im Ersten und Zweiten Weltkrieg, musste der Bote überbringen, Telegramme wurden angenommen und versandt sowie Telefonate aus der engen Fernsprechzelle zu den Soldaten oder den Kranken im Krankenhaus geführt und der Arzt angefordert. Der letzte Posthalter August Oswald trat 1984 mit der Verlegung der Poststelle zur Familie Helga Noll in den Ruhestand.

In Bierlingen wurde schon 1905 eine Telegrafenhilfsstelle mit Postversorgung eingerichtet. Die Postagentur wurde im Jahre 2003 geschlossen. Mit der Schließung der Postfächer in diesem Jahr in Bierlingen zog die Post nach mehr als 100 Jahren Präsenz ihre stationären Einrichtungen wieder aus der Gemeinde ab und hinterließ lediglich noch einen Briefkasten. Ein Rückblick aus Anlass des Gebäudeabbruchs in die Bierlinger Postgeschichte bringt Interessantes zu Tage.

Der Einrichtung eines geregelten Postwesens in Bierlingen im Jahre 1864 ist sicherlich wie überall eine vielseitige Nachrichtenübermittlung durch fußgehende und reitende Boten vorausgegangen. Erst mit der Eröffnung der neuen Eisenbahnlinie Rottenburg-Eyach am 1. November 1864 kam die hiesige Gemeinde in den Genuss einer ständigen und regelmäßigen Postverbindung über die Postagentur Eyach. Dort wurden nämlich von diesem Zeitpunkt an durch regelmäßig verkehrende Boten aus Bierlingen, Felldorf und Börstingen morgens und abends Postsendungen aller Art zur Weiterbeförderung an den Zug übergeben.

Zwei mal täglich nach Eyach

Der erste fußgehende Bote, der regelmäßig solche Botengänge im Auftrag der "Königlichen Generaldirektion der Posten und Telegraphen" zwischen Bierlingen und dem Bahnhof Eyach ausführte, war ein gewisser Franz Faßnacht. Dieser musste von 1865 bis 1904 werktäglich zweimal nach Eyach gehen und dort Postsendungen übernehmen und übergeben und anschließend den Botengang im Ort ausführen.

Am 15. November 1904 übertrug die Königliche Direktion diesen Botendienst dem Landpostboten Karl Findling, der von Felldorf kommend in Bierlingen seinen Dienst zusätzlich verrichtete und anschließend nach Eyach marschierte. Allerdings hatten die hiesigen Einwohner schon ein Jahr später auf postalischem Wege so intensiv mit der weiten Welt Verbindung aufgenommen, dass der einstige Hauptbote Faßnacht seinen Kollegen Findling im Ortszustelldienst wieder unterstützen musste.

Am 5. Dezember 1905 wurde auf Betreiben vom damaligen Schultheißenamt, dem zu jener Zeit der Schultheiß Higi und die Gemeinderäte Johann Beiter, Peter Faiß, Josef Beiter, Markus Löffler, Xaver Pfeffer, Johann Knupfer und Anton Löffler vorstanden, eine Telegrafenhilfsstelle mit Postversorgung in Bierlingen eingerichtet. Telegrafenhilfsvorsteher wurde der Schreiner Johann Oswald, der Großvater des letzten Posthalters August Oswald.

Mit der Welt in Verbindung

Seit dieser Zeit ist Bierlingen an das öffentliche Fernsprechnetz der Post angeschlossen und steht mit aller Welt direkt in Verbindung. Der Erlass, mit der die "Königliche Generaldirektion" Stuttgart die Einrichtung dieser Telegrafenhilfsstelle genehmigte, konnte noch im Original aufgefunden werden.

Am 11. April 1911 wurde die Telegrafenstelle, die bis dahin von dem eigentlichen Postdienst getrennt war, mit dem Postbotendienst vereinigt. Dies bedeutete, dass der Hauptbote Findling aus Felldorf keine Post mehr hier zustellen musste und auch der Nebenbote Löffler, der in der Zwischenzeit seinen Kollegen Faßnacht abgelöst hatte, nicht mehr benötigt wurde. Vom gleichen Tage an wird nämlich der bisherige Telegrafenhilfsvorsteher Johann Oswald zum selbstständigen Nebenboten und zugleich zum Posthilfsvorsteher gegen eine Jahresbelohnung von 240 Mark ernannt. Er war Postvorsteher bis 1922. Ihm folgte dann der weit über Bierlingen hinaus bekannte "Bott" Josef Oswald, der schließlich 1955 sein Amt an seinen Sohn August übergab, der bis 1984 Posthalter war.

Im Jahre 1961 wurde die bis dahin dem Postamt Rottenburg untergeordnete Poststelle im Zuge der Ämterzusammenlegung dem Postamt Horb zugeteilt.