Die Häuser Kirchengraben 17 (vorne) und 15 sollen dem Neubau des Albstädter Medienzentrums weichen. Foto: Kistner

Dass die Stadt Albstadt sich ein neues, zentral in Ebingen gelegenes Medienzentrum wünscht, ist bekannt, doch der Standort war bisher offen. Nun votierte der Gemeinderat für das südliche Rathausareal – zentraler geht es in der Tat nicht.

Albstadt-Ebingen - Der Vorschlag war im Mai in nichtöffentlicher Sitzung aus dem Gemeinderat an die Stadt herangetragen worden. Für Außenstehende kam er etwas überraschend, denn bisher hatte die Stadt etwas ganz anderes vorgehabt: Dort, wo jetzt ein Medienzentrum gebaut werden soll, stehen momentan noch die beiden Häuser Kirchengraben 15 und 17, eine ehemalige Fabrikantenvilla mit benachbartem Produktions- und Lagerhaus – beide sind derzeit Teile des Rathauskomplexes und beherbergen städtische Behörden, überwiegend aus dem Dezernat zwei von Bürgermeister Steve Mall.

Was Bürgerfreundlichkeit, Ergonomie und Qualität der Bausubstanz angeht, werden sie höchsten Ansprüchen nicht mehr gerecht – das Haus Kirchengraben 17 galt schon vor zwölf Jahren als nicht mehr sanierbar und sollte, zusammen mit der benachbarten, unter dem Namen "Akropolis" bekannten Grünanlage, einem schönen neuen Rathaus mit Bürgerbüro und großem Sitzungssaal weichen.

2009 ging ein Architektenwettbewerb über die Bühne, 2010 machte die Finanzkrise einen tiefroten Strich durch alle dies Pläne, neun Jahre später, wenige Monate vor Beginn der Corona-Krise, tauchten sie wieder aus der Versenkung auf – der Haushalt 2020 enthielt sogar eine Planungsrate.

Jetzt ist das Projekt offenbar tot. Statt eines neuen Rathauses soll im Kirchengraben ein neues Medienzentrum entstehen, Domizil für die Stadtbücherei, die derzeit auf drei Albstädter Standorte, das Bildungszentrum in der Ebinger Johannesstraße, das Tailfinger Haus am Uhlandsgarten und das Onstmettinger Rathaus, verteilt ist und dort – zumal in Ebingen – ein Mauerblümchendasein fristet.

Schon in der Findungsphase des Stadtentwicklungskonzepts "Agenda 2020" waren die Beteiligten sich einig gewesen, dass eine Stadtbücherei nicht an die Peripherie, sondern in die Mitte einer Stadt gehört. Dass sie einerseits als belebendes Element und "Frequenzbringer" wirken und einer von Corona gebeutelten, ökonomisch ausgebluteten Innenstadt wieder auf die Beine helfen könnte – und dass sie dabei andererseits selbst eine Metamorphose, eine Verjüngungskur, durchmachen könnte: weg von der bildungsbürgerlichen "Hol- und Bring-Institution", hin zum Treffpunkt für Zeitungsleser, für Schüler, die gemeinsam Hausgaben machen, für junge Mütter, die sich unterhalten, während die Kinder Bilderbücher anschauen.

Wie sähe so ein Tempel der Alltagskultur aus? Kulturamtsleiter Martin Roscher und Büchereileiterin Tanja Wachter hat es die 2017 entstandene Rottenburger Stadtbibliothek angetan mit ihrer Familienbibliothek, dem Schülercenter mit Lernlandschaft und Leseinseln, der Abteilung Information und Wissen. Allerdings müsste ein Albstädter Pendant größer sein – mindestens 2000 Quadratmeter wären erforderlich, zumal das neue Haus auch ein Bürgerbüro, Multifunktionsräume und eventuell doch Behörden aufnehmen soll. Und natürlich die Bestände der beiden Dependancen im Talgang.

Dependancen schließen? – Nicht einfach so!

Natürlich? So natürlich fanden das in der gestrigen Sitzung nicht alle Ratsmitglieder. Ralf Keppler (CDU) merkte – noch vergleichsweise defensiv – an, gerade eine zentral gelegene Bücherei müsse "rausgehen". Manuela Heider (Freie Wähler) und Susanne Feil (Grüne) gingen weiter: Zwei große Schulzentren wie Lammerberg und Lutherschule kämen nicht ohne eine fußläufig erreichbare Bücherei aus, erklärte Heider, und Feil meinte, eine Bücherzelle am Wassertisch sei völlig unzulänglich – überhaupt bedürfe gerade Tailfingen, des Gemeindehauses Moltkestraße beraubt, neuer, integrativer Orte, Begegnungszentren im besten Sinne. Über die Zukunft des Hauses am Uhlandsgarten und der Onstmettinger Bücherei sei das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Der Beschluss, dass die Stadt gemeinsam mit einem versierten Architekten Nutzungskonzeption und Raumprogramm für ein Medienzentrum am Kirchengraben erarbeiten solle, fiel dennoch einstimmig. Wer danach was baut, ob es wieder einen Wettbewerb geben wird wie vor zwölf Jahren und wo die heimatlos gewordenen städtischen Ämter unterkommen – das muss sich noch zeigen.