Unter den Trümmern des Hauses von Özlems Tante haben Unbekannte ein Bild von Özlems junger Cousine gefunden und dieses auf die Mauer gelegt. Foto: Hüseyin Cem Topalak/Hüseyin Cem Topalak

Die Großstadt Elbistan in der Türkei ist schwer von den Erdbeben von Anfang Februar getroffen. Die Rottenburgerin Özlem Eryalcin hat dort Verwandtschaft und ist daher aktiv geworden: Sie sammelt Geld für betroffene Familien.

In den frühen Morgenstunden bebte die Erde. Am Montag, 6. Februar, um 4.17 Uhr Ortszeit wurde die Großstadt Elbistan im Süden der Türkei von einem schweren Erdbeben der Stärke 7,8 erschüttert. Das Beben, sowie die folgenden kleineren und das weitere, schweres Nachbeben der Stärke 7,5 gegen 13 Uhr, verwüstete Städte und Dörfer im der südlichen Türkei und in Nordsyrien.

„In der Woche nach dem Beben war ich eigentlich die meiste Zeit an meinem Handy und habe die Nachrichten verfolgt.“ Das berichtet Özlem Eryalcin. Die 26-Jährige aus Rottenburg hat in der Stadt Elbistan und in der umliegenden ländlichen Region in der türkischen Provinz Kahramanmaraş im zentralen Süden der Türkei Verwandte. Hier leben ihre Großeltern mütterlicherseits, sowie ihre Tante und ihr Onkel gemeinsam mit ihren jeweiligen Familien.

Mittlerweile mehr als 50.000 Todesopfer

Nach den Erdbeben vom 6. Februar war die Sorge groß. Der Kontakt zu ihren Großeltern, ihrer Tante und ihrem Onkel, war abgebrochen. Zwei Tage lang hatte die in Deutschland geborene kurdische Alevitin diese nicht erreichen können. Erst viel später erfuhr Özlem, dass ihre Verwandten Glück im Unglück hatten. Özlem hat bei den Beben keine direkten Angehörigen verloren. Anderen war das nicht vergönnt. Sie kennt einige, die Verwandte oder Bekannte bei den Erdbeben verloren haben. Am vorigen Samstag war sie daher auch auf einer Trauerfeier.

Mittlerweile ist die Zahl der Todesopfer in beiden Ländern auf mehr als 50.000 gestiegen. „Meine Tante hatte einen besonderen Schutzengel,“ berichtet Özlem, „nur zehn Minuten vor dem zweiten Erdbeben ist sie nochmals in ihre Wohnung gegangen, um ein paar persönliche Sachen zu holen.“ Augenblicke, nachdem ihre Tante das Wohnhaus wieder verlassen hatte, sei das Gebäude von dem zweiten starken Beben zerstört worden.

Unterstützung der Mitmenschen stimmt hoffnungsvoll

Mit der Arbeit der türkischen Behörden ist Özlem nicht zufrieden. Die Hilfen liefen zu langsam und seien bei weitem nicht ausreichend. Auch die Vorbereitung sei alles andere als angemessen gewesen. Obwohl bekannt gewesen sei, dass in der Region akute Erdbebengefahr herrscht, seien die Städte nicht erdbebensicher gebaut worden. „Wo wurde das Steuergeld denn investiert?“ fragt sie. Doch auch mit der Unterstützung der EU und ihrem persönlichen Heimatland Deutschland ist Özlem unzufrieden. „Es fühlt sich so an, als würde der Alltag weitergehen, wie bisher.“ Anders sieht es jedoch mit der Unterstützung und Anteilnahme der normalen Menschen aus, die sie wiederum hoffnungsvoll stimmen. Aus diesem Grund hat auch Özlem beschlossen, selbst aktiv zu werden.

Aktuell werden elf Familien durch die Spenden unterstützt

Um ihre Familie und andere Betroffene in dem Erdbebengebiet zu unterstützen, hat Özlem daher eine Seite auf der Plattform „Gofundme“ eingerichtet, auf der Spenden gesammelt werden. Mittlerweile sind mehr als 11.000 Euro dort eingegangen. 4000 Euro sind davon bereits an mehrere Familien verteilt worden. „Wir haben bei den Spenden vorerst Familien mit Kindern, die ihr Haus oder ihre Wohnung verloren haben, bevorzugt“, erklärt Özlem. Aktuell sind es elf Familien, denen die Spenden zugutekommen sollen oder die bereits Anteile der Spenden erhalten haben.

Ihre Angehörigen sind bereits in anderen Gebieten der Türkei in Sicherheit, langfristig sollen jedoch zumindest ihre Großeltern nach Deutschland kommen. Wenn die Spendensammlung abgeschlossen ist, will Özlem zudem selbst in die Türkei reisen, in die betroffenen Gebiete, und den Rest der Spendengelder direkt den unterstützten Familien übergeben.

Weiterführende Informationen

Am 6. Februar 2023 wurden Regionen im Süden der Türkei und im Norden Syriens von zwei starken Beben erschüttert, die mit einer Magnitude (Stärke) von 7,8 und 7,5 bemessen wurden. Das erste Beben um 4.17 Uhr Ortszeit war in der Türkei das Stärkste seit dem Erdbeben von Erzincan 1939.

In Syrien und der Türkei wurden bis zum 24. Februar mehr als 50.000 Tote geborgen. Hinzu kommen mehr als 110.000 Verletzte und mehrere Millionen Obdachlose. Damit ist es das Erdbeben mit der höchsten Opferzahl seit dem Erdbeben in Haiti 2010. Am 19. Februar wurden in den meisten betroffenen Gebieten die Sucharbeiten eingestellt.