Emilio muss sein „Pusti“, wie er sein Beatmungsgerät nennt, immer dabei haben. Foto: Schmid

Der siebenjährige Emilio aus Locherhof schwebt jeden Tag in Lebensgefahr: Er leidet am Undine-Syndrom, einem seltenen Gendefekt. Weil er Tag und Nacht überwacht werden muss, ist seine Familie auf die Hilfe von Pflegern angewiesen - und sucht weitere Fachkräfte.

Emilio ist ein aufgeweckter Junge, der immer ein Lächeln auf den Lippen trägt. Die Leichtigkeit, die der Siebenjährige ausstrahlt, lässt nicht vermuten, dass er eigentlich schon sein Leben lang an einer lebensgefährlichen Krankheit leidet: Das Kongenitale zentrale Hypoventilationssyndrom (CCHS), das auch Undine-Syndrom genannt wird, ist ein seltener Gendefekt. Durch diesen sind alle autonomen Systeme des Körpers - wie die Atmung, die Herzfrequenz oder der Blutdruck - potenziell gestört.

Nur eins von ungefähr 200.000 Kindern erkrankt am Undine-Syndrom. Bei Emilio ist vor allem die Atmung betroffen: Konzentriert er sich nicht auf diese, weil er zu sehr ins Spielen vertieft ist oder schläft, vergisst er sie einfach. Deshalb muss er rund um die Uhr von seinen Eltern oder einer Pflegekraft beobachtet werden. Außerdem muss er immer sein „Pusti“ dabei haben - so nennt der Siebenjährige sein Beatmungsgerät schon sein Leben lang.

Doch nicht nur die Atmung bereitet Emilio Probleme. „Er kann auch die Temperatur nicht richtig regulieren. Wenn es zu heiß oder auch zu kalt ist, kann sein Körper das nicht kompensieren“, erklärt Wendi Schmid, Emilios Mama. Auch seine Verdauung und das Herz hätten schon Probleme bereitet. „Es kann jeden Tag etwas Neues passieren“, weiß seine Mutter. Die Krankheit sei undurchschaubar und könne ganz unterschiedlich aussehen.

Familie braucht weitere Pflegekraft

Vor allem dominiert sie jedoch den Alltag von Familie Schmid. Weil Emilio immer beobachtet werden muss, gehen Pflegekräfte bei ihnen jeden Tag ein uns aus: Um 6.45 Uhr kommt die „Frühschicht“, die Emilio in die Schule begleitet. Am Mittag übernimmt dann erstmal Mama Wendi, die nur nachts arbeitet. Wenn Emilio aber auch in die Mittagsschule muss, braucht die Familie eine weitere Pflegekraft - denn Wendi Schmid muss sich auch um ihre beiden jüngeren Kinder Lennard und Ronja kümmern, die zum Glück beide gesund sind. Am Abend kommt gegen 20 Uhr dann eine weitere Pflegekraft zur Nachtschicht. Vor und nach den Diensten gibt es immer eine Übergabe. Die Pflegekräfte müssen alles, was in ihren Schichten passiert ist, dokumentieren.

Seit wenigen Tagen ist klar, dass die Schmids mindestens eine weitere Pflegekraft brauchen: „Wir haben erfahren, dass eine gekündigt hat. Sie hat neun Nächte im Monat übernommen“, sagt Schmid. Für die Familie ist das keine einfache Situation – zumal sie ohnehin noch mehr Pflegekräfte brauchen könnte. „Wir hoffen, dass sich schnell jemand findet. Bewerben kann man sich beim Kidi Intensivpflegedienst in Villingen-Schwenningen. Auf der Internetseite findet man uns auch“, informiert Emilios Mutter. Aktuell arbeiten acht Pflegekräfte mit der Familie zusammen, jedoch nicht alle in Vollzeit. Doch es seien immer die gleichen Pfleger, die sich um Emilio kümmern.

Emilio geht gut mit seinem Schicksal um

Fällt eine Pflegekraft mal aus, stellt das den Alltag der Familie schnell auf den Kopf: Emilio kann nicht in die Schule gehen, wenn das beispielsweise die Frühschicht betrifft. „Dann ist er immer sehr traurig. Er geht so gerne in die Schule“, erzählt seine Mama. Er besucht die Grundschule in Mariazell. Anfangs hatten seine Eltern die Sorge, dass er möglicherweise dem Unterricht nicht folgen könnte. „Aber es klappt super“, sagt Wendi Schmid stolz. Die Schule sei auch nur fünf Minuten von Zuhause entfernt. Sollte mal ein Notfall eintreten, ist seine Mama gleich vor Ort.

Emilio (Mitte) und seine Familie. Foto:  Schmid

Am liebsten würde Wendi Schmid ihn auch zum Kinderturnen bringen. „Alle seine Klassenkameraden gehen dort hin“, sagt sie. Doch die Mutter begleitet oft die Sorge, dass Emilio gehänselt werden könnte, weil er immer seine Mama oder eine Pflegerin dabei hat. „Sowas beschäftigt eine Mutter einfach“, erklärt sie. Emilio gehe mit seiner Krankheit sehr gut um. Erst kürzlich habe ihn ein Freund gefragt, ob er ihn besuchen wolle. Dann habe Emilio ihm erklärt, dass er aber nicht alleine kommen könne: „Ich habe das Undine-Syndrom. Mich gibts halt nicht alleine“, habe er zu seinem Freund gesagt, berichtet Wendi Schmid und lacht. Sie ist stolz darauf, dass ihr Sohn so gut mit seinem Schicksal umgehen kann.

Selbsthilfegruppe hilft Eltern und Angehörigen

Sie und ihr Ehemann könnten das inzwischen auch. Dazu trägt auch eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen, die am Undine-Syndrom leiden, bei. „Die Gruppe ist für alle Angehörigen, die sich dafür interessieren. Egal ob Mama, Papa, Oma und Opa oder auch Bekannte“, erklärt Schmid. Einmal im Jahr treffen sich alle und ein weiteres Mal verabrede man sich zu einem Videoanruf über das Internet. Jährlich kämen ungefähr ein bis zwei neue Elternpaare hinzu, die ein erkranktes Kind haben. Die Eltern telefonieren auch miteinander und tauschen sich über ihre Erfahrungen mit dem Gendefekt aus. „Es ist einfach was anderes, als mit Eltern von gesunden Kindern zu sprechen. Man hat das gleiche Los gezogen und weiß, wie es den anderen geht“, erklärt Wendi Schmid.

Emilio, seine Schwester Ronja und sein Bruder Lennard (von links). Foto:  Schmid

Die Selbsthilfegruppe sei auch immer über Spenden dankbar. Diese würden an Forschungsprojekte zum Undine-Syndrom weitergegeben werden. Vor allem in Frankreich werde viel geforscht, weiß Schmid.

Wir haben Emilio und seine Familie 2019 in Locherhof besucht:

Aktuell freue sich die Familie auf den anstehenden Dänemark-Urlaub. „Das ist erst unser zweiter Familienurlaub“, berichtet Emilios Mutter. Es sei einfach schwierig, unter diesen Bedingungen wegzufahren. Auch eine Pflegekraft werde für die Nächte dabei sein. Die Kosten trägt die Familie. „Aber das ist es uns wert. Wir brauchen mal den Tapetenwechsel und wollen, dass die Kinder das Meer sehen“, sagt Mama Wendi. Möglicherweise finden sich bis nach dem Urlaub auch weitere Pflegekräfte für Emilio.