Auf zwei Dächern betreibt die Gemeinde Winterlingen Photovoltaik-Anlagen, die als ein Betrieb gewerblicher Art gelten. Nun müssen deswegen Steuern nachgezahlt werden. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Bei einer Überprüfung stellte sich heraus, dass beide PV-Anlagen der Gemeinde Winterlingen als ein Betrieb gewerblicher Art zu werten seien. Daraufhin habe die Gemeinde Selbstanzeige beim Finanzamt Balingen erstattet – und muss nun Steuern nachzahlen.

„Das nächste Thema wird unvermeidlich und unerfreulich“, warnte Kämmerer Bodo Erath die Ratsmitglieder, ehe er in der Gemeinderatssitzung verkündete: „Die Gemeinde Winterlingen hat sich beim Finanzamt Balingen selbst angezeigt.“

Grund war laut Sitzungsvorlage die Anwendung von Paragraf 2 des Umsatzsteuergesetzes, wonach juristische Personen des öffentlichen Rechts – zum Beispiel eine Kommune – für einige Leistungen Umsatzsteuern abführen müssen. Um sich auf die Anwendung des Paragrafen vorzubereiten, hatte die Kämmerei geprüft, ob Einnahmen der Gemeinde künftig umsatzsteuerpflichtig sind.

Ein Urteil mit Tragweite zu Betrieben gewerblicher Art

Dabei sei sie auf ein Urteil des Finanzgerichts Münster vom 21. April 2021 – Aktenzeichen 13 K 3663/18 K, G – gestoßen: In diesem hatte sich das Gericht mit der Frage befasst, wann von einem einheitlichen Betrieb gewerblicher Art (BgA) gesprochen werden kann.

Grundlage des Prozesses war der Rechtsstreit mit einer Kommune, die sechs Photovoltaik-Anlagen (PV) auf mehreren ihrer Gebäude betreibt. Jede PV-Anlage erklärte sie als eigene BgA und nahm für jede den Freibetrag in Anspruch. Das Finanzgericht Münster hingegen urteilte, dass es sich um eine einheitliche BgA handele: Die Kommune betreibe alle PV-Anlagen, die sie in den Jahresberichten als eigener Geschäftskreis führe. Somit sei nur ein Freibetrag zu berücksichtigen.

Münster Rechtssprechung trifft auch auf Winterlingen zu

Das Problem laut Bodo Erath ist, dass der dadurch erzeugte Strom eingespeist werde, die Gemeinde dadurch Gewinne erziele und die Umsatzgrenze von 35 000 Euro überstiegen werde. „Daraufhin haben wir einen Steuerberater beauftragt, der geprüft hat, ob dieses Urteil auch für uns gilt“, sagte Erath.

Dieser kam zu dem Schluss: Das Urteil trifft auch auf die Gemeinde Winterlingen zu. Beide PV-Anlagen der Gemeinde auf dem Dach der Realschule und des Hallenbads sind als eine BgA zu werten. „Folglich haben wir Selbstanzeige beim Finanzamt Balingen erstattet.“

Laut Erath habe man noch versucht zu argumentieren, dass die Anlagen erst ab dem Urteilsspruch 2021 steuerpflichtig seien. Das Finanzamt Balingen sah die Sache laut Erath anders: Die Steuerpflicht gelte für den gesamten noch nicht verjährten Zeitraum ab 2018. Für die Gemeinde bedeutet das, dass sie rund 52 143 Euro an Steuern rückerstatten muss.

„Das Finanzamt spricht eine ganz andere Sprache“

„Die gesetzlichen Vorgaben für eine BgA sind erfüllt, das ist nun mal so“, sagte der Kämmerer und prognostizierte: „Ohne Berater geht künftig gar nichts mehr.“ Steuerrelevante Themen würden immer umfassender, komplexer und schwerer zu verstehen. „Das Finanzamt spricht eine ganz andere Sprache“. Immerhin einen „Vorteil im Elend“ gibt es laut Bodo Erath: Bis 2018 müssten keine Steuern für die Anlagen entrichtet werden.