Manche Kommentatoren sind regelrecht schadenfroh. (Symbolfoto) Foto: dpa

Auf Facebook interessiert viele User nur die Nationalität des Täters. AfD schürt Spekulationen. 

Schramberg - Ein Mensch wird mit einem Messer schwer verletzt. Nicht in einer Bar, nicht an einem Bahnhof, sondern in einem Rathaus. Die Situation nach der Tat ist unklar. Es gibt kaum Informationen. Die Menschen in der Stadt scheinen in einer Art Schockstarre. Nicht so die Kommentatoren im Internet: Kaum ist die Erstmeldung raus, legen sie los. Viele User im sogenannten Sozialen Netzwerk Facebook interessiert dabei nur eines: die Nationalität des Täters.

Wild wird auf der Facenookseite des Schwarzwälder Boten spekuliert, dass es sich bei dem Täter um keinen Deutschen handeln kann. "Und keine näheren Angaben zum Täter wenn dieser flüchtig ist? Jo kann es mir schon denken aus welchem Kulturkreis dieser entstammt ist!“, schreibt ein Nutzer. "Wundert mich in Schramberg überhaupt nicht. Das ist in den letzten Jahren so ein Loch geworden. Wenn man da durch läuft denkt man man ist im Ausland nur das die im Ausland Viel netter sind als die Affen hier", ein anderer. Desinformation unterstellt ein weiterer User: "Warum wird in der Pressemitteilung die Nationalität verschwiegen?", fragt er.

Vorwurf: Gesellschaft wegen Aufnahme von Flüchtlingen selbst schuld

Manche Kommentatoren sind regelrecht schadenfroh. Ein Nutzer schreibt "Die linksgrünversifften werden mit ihrer Liberalität noch ihr blaues Wunder erleben." Ein weiterer meint, die Gesellschaft trägt die Verantwortung für die Tat, da sie immer mehr Flüchtlinge aufnimmt: "Natürlich ist es tragisch was den Mann passiert es und er kann auch nichts dafür aber dennoch sind wir in der Situation selber schuld in dem wir das unterstützen dass immer mehr Flüchtlinge in unser Land kommen...." Ein anderer Kommentator urteilt: "'tragischer vorfall'? wie bestellt, so geliefert!"

Rege beteiligt sich auch die AfD an den Spekulationen: Ehe die Nationalität des Täters bekannt ist, teilt Emil Sänze, AfD-Landtagsabgeordneten für den Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen, auf seiner Facebook-Seite einen Artikel des Schwarzwälder Boten. Er schreibt dazu: "+++Blutiger Angriff im Rathaus+++ Unser Mitgefühl gehört dem Opfer! Aber nicht nur, dass diese Tat ein schwerer Angriff auf einen Mitarbeiter der Stadt Schramberg darstellt. Nein, dieser Artikel dient dazu, Vermutungen und Spekulationen anzustellen. Warum wird weder die Nationalität des Täters, noch der Name bekannt gegeben. Mit Angaben wie: 'der Mann soll angeblich um die 30 Jahre alt sein' ist niemand geholfen, denn jeder vermutet -und dies wahrscheinlich zurecht-, dass dieser Mann ein illegaler Einwanderer ist. Wir wollen von der Presse weder erzogen, noch bevormundet werden, die Leser sind erwachsen genug sich selbst ein Bild von der Situation in Schramberg und Deutschland zu machen! Dazu brauchen sie keine Bevormundung des Schwarzwälder Boten's!"

AfD unterscheidet zwischen "Abstammungsdeutschen und Migrationsdeutschen"

Als die Sachlage klarer wird, beruhigt die Tatsache, dass der Täter ein Deutscher ist, keineswegs die Gemüter. Der AfD-Kreisverband Rottweil-Tuttlingen postet: "Abstammungsdeutscher oder Migrationsdeutscher? Wir verlangen Aufklärung!" 

In die gleiche Richtung wie der Kreisverband gehen dann auch wieder viele Kommentare auf der Facebook-Seite des Schwarzwälder Boten. "Liebe Schwabo, Warum wird das so extra angegeben, dass der Täter Deutscher Staatsangehöriger ist? Umgekehrt ist das selten in euren Berichten! Außerdem heißt es noch lange nicht, dass er deutscher Herkunft ist!", schreibt ein Nutzer. "Deutscher - Deutscher Ausweis wohl, das wars dann auch schon...", unterstellt ein anderer. Von "Deutsch-Deutschen" spricht eine Frau – sie schreibt: "Ich finde, dass generell die Nationalität dazu geschrieben werden sollte - und auch, ob Migrationshintergrund besteht. Ein deutscher Pass sagt nichts darüber aus, ob sich jemand auch in das deutsche Rechtssystem integriert hat - und da haben wir sicherlich ein Problem, was mit Verschweigen der Information wieder unter den Tisch gekehrt werden würde. Was natürlich nicht heißt, dass es auch Deutsch-Deutsche gibt, die mit dem Rechtsempfinden Probleme haben. Aber nur mit Nennung aller Fakten kann man sich ein Bild machen (was aber vermutlich nicht erwünscht ist.)"

Zuvor war die NRWZ bereits auf den Facebook-Post von Emil Sänze eingegangen:

Auf die Frage, ob er möchte, dass in Zukunft bei jeder Tat jegliche Migrationshintergründe genannt werden, hat Emil Sänze schwarzwaelder-bote.de geantwortet: "Nein, das will sicherlich niemand. Aber von der Presse einen offenen und ehrlichen Umgang mit den Nachrichten zu verlangen ist kein Schaden, zumal diese von den Abnehmern bezahlt wird. Dazu gehören auch alle Informationen. Es nützt wenig, wie häufig geschehen, dass nur sukzessive die Nationalität bekanntgegeben wird und sich die Bevölkerung kein eigenes Bild machen kann, das befördert nur Spekulationen und bevormundet den Leser. Nichts anderes stand in diesem Facebook-Post. Die Frage stellt sich, warum jetzt im Folgeartikel die Nationalität des Täters bekannt gegeben wurde? Warum, wie sonst üblich, wurde nicht auch der Vorname und der Anfangsbuchstabe des Familiennamens angegeben? Diese fehlenden Informationen, lassen weitere Spekulationen zu und genau dagegen hat sich der Post gewendet, deshalb war die Einfügung auch mit Gedankenstrichen bezeichnet." 

Pressekodex: Herkunft von Tatverdächtigen wird nur bei "begründetem öffentlichen Interesse" genannt

Info: Der Presserat empfiehlt nach einer Festlegung vom März 2017, dass Zeitungen und Zeitschriften die Zugehörigkeit von Tatverdächtigen etwa zu ethnischen oder religiösen Gruppen nur bei "begründetem öffentlichen Interesse" nennen sollten. Nachdem wilde Spekulationen laut geworden waren, hatte sich die Online-Redaktion des Schwarzwälder Bote entschieden, dass in diesem Fall ein solches Interesse besteht. Der Presserat ist für Medienhäuser ein Organ der Selbstkontrolle.  

Eine Namensnennung von mutmaßlichen Tätern, wie Sänze sie fordert, ist indes wegen der Beachtung von Persönlichkeitsrechten eine Seltenheit. Der Name wird etwa dann genannt, wenn ein Täter zur Fahndung ausgeschrieben ist.