Mit seinem neuen E-Bike braucht Bernd Richter von der Schramberger Talstadt nach Sulgen 15 Minuten. Foto: Wegner

Porträt: Stadtrat Bernd Richter bleibt auch im Ruhestand engagiert / Höhen und Tiefen erlebt

Mit dem "großen Otto", der Mülltonne, die Ende der 1980er-Jahre im ganzen Landkreis hätte eingeführt werden sollen, begann die Politkarriere von Bernd Richter. Gezielt, so sagt er heute, habe er die Tonne auch genutzt, um bekannt zu werden.

Schramberg. Mittlerweile ist Bernd Richter aus der Kommunalpolitik der Stadt und des Landkreises nicht mehr wegzudenken – mit seinen 75 Jahren, für die er jüngst auch von der Stadt geehrt wurde, denkt er aber nicht ans Aufhören und kündigt an, bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr wieder anzutreten.

Mit E-Unterstützung

Allerdings brachte der 75. Geburtstag, den Richter am 3. April feierte, auch eine größere Veränderung mit sich. Konnte man den Stadtrat bislang immer wieder das Mountainbike schiebend in Richtung Sulgen treffen, ist dies Geschichte. Denn zum Geburtstag hatten Familie und Freunde zusammengelegt und ihm ein E-Bike geschenkt, mit dem er jetzt auf dem Sattel gen Sulgen fährt. 15 Minuten benötigt er dazu aus dem Tal, wie er nach dem Stadtmusik-Konzert getestet hat – mit jeweils drei Kugeln Eis in einer Kühltasche, für sich und seine Frau Evi. Jetzt könne er den ärztlichen Rat beherzigen und müsse sich nicht mehr so anstrengen, freut er sich, wieder so wie früher auch unterwegs zu sein. Denn neben Müll und seiner Vermeidung – mit einem Thema, mit dem er nach seiner Rückkehr aus Bogota nach Schramberg schnell bekannt worden war – liegen ihm auch Umwelt und Ökologie am Herzen. Dies aus christlicher Überzeugung und vor dem Hintergrund, dass es wichtig sei, den Kindern die Erde zu bewahren.

29 Jahre im Stadtrat

Seit 1989, fast 30 Jahre lang, sitzt Richter im Stadt- und Kreisrat, war als ÖDP-Mitglied Mitgründer der Liste Buntspecht, die der offenen Grünen Liste von Gabriele Frommer nachfolgte. Sie kannte er, so erinnert sich der 75-Jährige, vom BUND und über ihren Mann, der ebenfalls Lehrer war. So wurde eine neue Gruppe gebildet, die nicht grün und nicht ÖDP heißen sollte und der Name Buntspecht wurde geboren. Bei einer angewachsenen Stärke auf vier Ratsmitglieder, wurde daraus ÖDP/Buntspecht und später gab es dann eine eigene ÖDP-Fraktion mit drei Mitgliedern.

Vor seiner ersten Wahl 1989, so berichtet Richter, habe er "einiges gemacht, damit ich in den Gemeinderat komme, um bekannt zu werden, da ich jahrelang weg war". Die angesprochene 240-Liter-Tonne hatte sich der "entschiedene Gegner eines Müllheizkraftwerks in Rottweil" in Dunningen besorgt, dann über sechs Wochen Müll gesammelt und in Tüten verpackt, um zu beweisen, dass man, entgegen der Vorstellungen des Landrats, keine so häufige Leerung und auch keinen großen Otto brauche. Richter packte im Bärensaal eine Plastikplane aus – und verteilte die Müllsäcke drauf. Noch mehr "Showbusiness", so gibt er zu, sei es gewesen, als er bei einer Bürgerversammlung in der Festhalle Sulgen aus der großen Tonne ausgestiegen sei.

In Bogota tätig

Drei Jahre zuvor, 1986, war Richter mit seiner Familie aus dem Auslandsschuldienst in Bogota, Kolumbien, wieder nach Schramberg zurückgekehrt und zunächst an der Schule in St. Georgen tätig. Nach Kolumbien hatte es ihn gezogen, auch, weil er dort aufgewachsen war. 1943 war Richter in Prag geboren worden, mit seinen Eltern, die Slawistik studiert hatten, in Bayern aufgewachsen und von dort mit ihnen nach Bogota ausgewandert. Sie betrieben neben ihrer Tätigkeit als Lehrkräfte in Kolumbien eine Landwirtschaft, schickten aber ihre Kinder zur Ausbildung und Studium zurück nach Deutschland. Der Jubilar studierte in Tübingen, lernte dort seine Frau Evi kennen, mit der er vier Kinder hat, und ging selbst nach Studienabschluss in den Schuldienst. 24 Bände Brockhaus plus das große Fremdwörterbuch aus den 1990er-Jahren, die in seinem Wohnzimmer stehen, zeugen noch von seiner Zeit als Lehrer – damals habe man dies noch in dieser Art gebraucht, erinnert er sich.

ÖDP-Bundesvorsitzender

Neben einigen Höhen in der politischen Laufbahn, Richter war von 1993 bis 1995 Bundesvorsitzender der ÖDP, 16 Jahre Landesvorsitzender und viele Jahre Mitglied im Landesvorstand, gab es auch immer wieder Tiefen, wie er sich erinnert.

Solch ein Rückschlag sei der Verlust des Fraktionsstatus bei der jüngsten Kommunalwahl auf Stadtebene gewesen. Aus seiner Sicht deswegen, weil es nicht gelungen sei, genügend Kandidaten auf die Liste zu bekommen. "Wenn wir eine Person mehr gehabt hätten, wäre dies möglicherweise nicht passiert", analysiert er die Gründe und gibt sich damit das Ziel, in diesem Jahr früher mit der Kandidatensuche zu beginnen. Trotzdem denkt er gerne an die jüngste Kommunalwahl zurück, denn zu seinen politischen Höhepunkten gehöre die hohe Stimmenzahl, die er dort erreicht hat.

"Spaßverderber"

Als großen Nachteil sieht es Richter, in dieser Legislaturperiode nicht mehr in den Ausschüssen und dem Ältestenrat vertreten zu sein. Man sei nicht mehr so informiert – und in der Gemeinderatssitzung selbst werde auch nicht mehr in dem Maße diskutiert.

Immer wieder schwierig sei die Arbeit auch dann gewesen, wenn man als kleine Fraktion Anträge hinsichtlich ökologischer Themen eingebracht habe, die dann von "den Großen" abgeschmettert worden seien – und dann Jahre später nach neuer Beurteilung der Sachlage leicht abgeändert von diesen selbst beantragt worden seien.

Häufig habe er sich auch anhören müssen, er sei ein "Spaßverderber", so Richter, weil er vehement die ökologische Linie vertrete. Aber das sei normal. Ihm gehe es darum, verantwortungsvoll mit dem Globus umzugehen, er wolle nicht, dass "die Kinder mit Atemmasken rumlaufen oder von Hand die Obstbäume bestäuben".

Oft heiße es deswegen auch im Freundes- oder Bekanntenkreis: "Bernd, du musst mal weghören." Schaden müsse man abwenden, bevor er eintrete. Und die Politik, so seine Ansicht, ändere ihr Verhalten erst, wenn genügend Menschen dies tun und dann von der Politik forderten.

Nicht vergessen will Richter bei den Tiefpunkten der Kommunal- und Kreispolitik auch den Verlust des Schramberger Krankenhauses.

Höhepunkte seiner Politkarriere vor Ort seien der Erfolg bei der Vermeidung der Müllverbrennung im Kreis gewesen und die Einführung eines 30-Prozent-Umweltbeauftragten bei der Stadt.