Personalausstattung und Zeitaufwand wurden als Ursachen genannt. Foto: Wegner

Viele Bebauungspläne sind noch nicht rechtsverbindlich. Schon viele Interessenten sind abgewandert. Mit Kommentar

Bei der Stadt Schramberg wurden von 1995 bis heute zahlreiche Bauleitpläne begonnen, viele dieser Verfahren wurden allerdings formal bisher nicht abgeschlossen.

Schramberg - Mit einem besonderen Thema "Altlasten" beschäftigt sich der Schramberger Gemeinderat in seiner Sitzung am heutigen Donnerstag. Aufgrund "unterschiedlicher Problematiken und nicht abgearbeiteter Aspekte" seien viele der Verfahren formal nicht abgeschlossen. Das bedeute, an etlichen Stellen der Stadt gibt es derzeit kein rechtsverbindliches Bau- und Planungsrecht.

Interessenten in Nachbargemeinden abgewandert

Dies habe dazu geführt und führe dazu, so geht aus einer Vorlage von Stadtplaner Bent Liebrich an den Gemeinderat hervor, dass Baugenehmigungen gar nicht oder nur mit hohem zeitlichen Verzug hätten erteilt werden können. Schon öfter habe das dazu geführt, dass Interessenten in Nachbargemeinden abgewandert seien, was dem Wirtschafts- und Wohnstandort Schramberg natürlich nicht gut getan habe.

Die Rechtsverbindlichkeit eines solchen Bebauungsplanverfahrens sei Voraussetzung für eine Baugenehmigung eines einzelnen Vorhabens, so die Verwaltung. Geringfügige Abweichungen der Festsetzungen des Bebauungsplans könnten über eine Befreiung geregelt werden. Wenn allerdings die geplanten Vorhaben mehr als eine geringfügige Abweichung der Festsetzung haben, sei eine Planänderung erforderlich. In diesen Fällen komme es zu einem großen zeitlichen Verzug, sodass das Gesamtsystem der Stadtentwicklung geschwächt sei.

Freie Stellen müssen oft mehrfach ausgeschrieben werden

Ursachen für die bisherige Entwicklung sieht die Stadtverwaltung vor allem in der Personalausstattung der Abteilung, aber auch im Zeitaufwand für einzelne Projekte sowie in der Priorisierung.

In den vergangenen Jahren habe sich der Quotient zwischen den komplexen Aufgabenbereichen, beziehungsweise der abzuarbeitenden Projektanzahl der Abteilung Stadtplanung und den zur Verfügung stehenden Personalressourcen vergrößert. Verstärkt worden sei dieser Effekt auch durch längere krankheitsbedingte Ausfälle innerhalb der Abteilung Stadtplanung. Dadurch komme es bis heute zu einem Bearbeitungsstau in nahezu allen Verfahren.

Zudem hätten in den vergangenen fünf Jahren freie Stellen für Stadt- und Landschaftsplaner mehrfach ausgeschrieben werden müssen. Bei der Besetzung sei es so zu zeitlichen Lücken gekommen, aufgrund derer sich die Projektbearbeitung verzögert habe. Aus Sicht der Verwaltung, speziell der Abteilung Stadtplanung, seien weitere Personalressourcen empfehlenswert, um die "Altlasten" der Vergangenheit abzuarbeiten und auf heutige und künftige Erfordernisse zeitnah und belastbar reagieren zu können.

Zudem, so die Verwaltung, würden aufgrund neuer Vorgaben und Verordnungen, besonders hinsichtlich des Immissions-, Arten- und Naturschutzes auch die Verfahren eine intensivere Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Themenbereichen erfordern. Dadurch sei mehr Zeit erforderlich, um die jeweiligen Verfahren rechtssicher abschließen zu können. Zusätzlich seien in der Vergangenheit mehrere natur- und artenschutzrechtliche sowie flächennutzungsplanbezogene Voraussetzungen nicht vollständig abgearbeitet worden, so dass in den jüngeren Jahren Mehrfachbeauftragungen erforderlich gewesen seien. Bislang, so die Verwaltung, sei kein formaler Abschluss dieser Verfahren möglich.

Personalausstattung und Zeitaufwand als Ursachen genannt

Im Weiteren verzögere der hohe Zeitbedarf beim Grunderwerb und die Herstellung der städtischen Flächenverfügbarkeit die Bebauungsplan-Verfahren.

Die bislang aufgestellten Priorisierungen, so wird jetzt festgestellt, hätten aufgrund der in den genannten Themenfeldern aufgezeigten Gegebenheiten nicht vollständig umgesetzt werden können. Aufgrund der langen Verfahrensverläufe würden die bereits seit Jahren im Verfahren befindlichen Projekte stetig dringender und vorrangiger angesehen. Diese Entwicklung verstärke sich nun zunehmend.

So führten fehlender Grunderwerb und Flächenverfügbarkeit dazu, dass die Gebietserschließung nicht vollständig möglich sei und es nicht genug ökologische Ausgleichsflächen gebe. Dies verhindere den Abschluss eines rechtssicheren Verfahrens. Zudem gebe es konträre Darstellungen im Flächennutzungsplan, der langwierige punktuelle Änderungen erfordere.

Aus diesem Teufelskreis will die Stadtverwaltung nun ausbrechen und mittel- bis langfristig den Bearbeitungsstau abarbeiten.

Hierzu sind nach Ansicht der Verwaltung ein frühzeitiger und vorausschauender Bodenerwerb, aber auch "Instrumente zur Bodenordnung gemäß Baugesetzbuch" – [sprich: Umlegung von Gelände], das Festlegen auf Fokusprojekte, strukturierte Prozessabläufe, städtebauliche Entwicklungskonzepte, neue Personalressourcen für die Aufarbeitung von im Verfahren befindlichen Bauleitplänen, Einbindung externer Sanierungsträger sowie weitere interne Verbesserungen in der Zusammenarbeit innerhalb der Abteilungen nötig.

In der heutigen Sitzung des Gemeinderats soll eine Projektliste vorgestellt werden, die besonders die Bauleitplanungen priorisiert, die sich seit mehreren Jahren im Verfahren befinden und derzeit dringend vorbereitet werden müssten.

Aktuelle Projekte der Stadt

Die Stadt hat derzeit noch acht Punkte beim Flächennutzungsplan und insgesamt 48 Bebauungspläne offen. Dazu kommen acht Projekte im Bereich Verkehrsplanung und 16 bei der Landschaftsplanung. Im Bereich Städtebau/Stadtentwicklung sind sechs Projekte in Bearbeitung, es gibt drei Sanierungsgebiete und sieben offene Projekte im Bereich Ökokonten.

Kommentar: Holzweg

Von Stephan Wegner

Die Vorlage zum Bericht der Stadtentwicklung nimmt vorweg, was Grundeigentümer in den nächsten Jahren vermehrt erwarten könnte: Die »Umlegung« ihres bisherigen Eigentums, damit die Stadt Ziele erreichen kann, die sonst nicht möglich sind. Auch wenn diese Maßnahme vornehm mit »Ergreifen von Instrumenten zur Bodenordnung gemäß Baugesetzbuch« umschrieben wird, sagt es doch genau aus, wohin die Stadt will. Ob dies allerdings künftig zu einer besseren Akzeptanz und Umsetzungsmöglichkeit von Verfahren in der Stadt führt, ist offen. Denn auch heute noch sind andere »ordnende Maßnahmen« aus den 1970er-Jahren in Sulgen nicht vergessen. Und so kann ein solches Vorgehen ebenfalls für eine insgesamt negative Grundstimmung sorgen. In Nachbarorten wie Aichhalden oder auch Hardt funktioniert es anders – und besser.