Die Kinder dieser Klasse von Lehrer Wilhelm Baumann wurden 1884/85 geboren. Foto: Stadtarchiv Foto: Schwarzwälder Bote

Historisches: Wertvolle Quelle zur Erforschung der im 19. Jahrhundert geborenen Schiltacher

1808 hat die evangelische Gemeinde Schiltach Familienbücher zur Erfassung ihrer Gemeindeglieder eingeführt. Sie verraten einiges über Schiltacher im 19. Jahrhundert.

Schiltach. Heute liegen die Bücher als Leihgabe im Stadtarchiv und sind gemeinsam mit anderen Kirchenbüchern eine wertvolle Quelle zur Erforschung der im 19. Jahrhundert geborenen Schiltacher, wie eine Auswertung zeigt.

4822 Datensätze zu Einzelpersonen wurden so angelegt. Einige Resultate: Ein paar historische Vorschläge, für alle jene, die auf Namenssuche sind: Maria war "der" Klassiker. Allein in den 1840ern wurden 89 Kinder nach der Mutter Jesu benannt. Anna, Elisabeth und Katharina folgen auf den Plätzen. Unter den vergebenen 85 Mädchennamen – eine auffallend geringe Zahl für mehr als 2000 Geborene – gab es auch Einzelnamen. So wurden nur eine Adolphine und eine Chlothilde geboren.

Mancher Name kam auch erst in Mode. Wilhelmine erreichte mit 21 Benennungen in den 1890ern ihren Höhepunkt – vielleicht unter dem Einfluss des sich modern präsentierenden jungen Kaisers Wilhelm II.

Für Jungen finden sich sogar nur 81 Namen. Dominierend: Johann(es), der Name des biblischen Täufers. Da aber die Kinder beinahe immer mehrere Vornamen erhielten, ist meist nicht mehr nachvollziehbar, wann Johann Rufname war. Von Platz 1 verdrängt wurde er erst in den 1890ern, dann war überhaupt die Namenszahl pro Kind geringer. Der schon lang beliebte Friedrich erklomm die Spitze, gefolgt vom Aufsteiger Carl. Auch gab es Einzelnamenvergaben: Besonderheiten wie Traugott erklären sich aus ihrer Ausgefallenheit, während man bei Maximilian überrascht ist. Aber das ist ein Name in eher katholischen Regionen.

Die meisten Kinder in einem Jahr wurden 1845 geboren: 71. Überhaupt ist die Zahl der Geburten zur Jahrhundertmitte am höchsten. Aber auch Notzeiten deuteten sich an: 1817/18, Schlechtwetter-Hungerjahre, kamen in den zwei Jahren nur 38 und 34 Kinder zur Welt. Den schlimmen Wert der höchsten Sterblichkeit von Kindern, die kein Silvesterfest erlebten, wurde 1865 mit 38 Prozent erreicht. Nachhaltig sank die Kleinkindersterblichkeit im ganzen Jahrhundert nicht. Selbst in den 1890er-Jahren starb in drei Jahren noch jedes fünfte Kind. Immer sogar noch etwas höher lag die Sterblichkeitsquote bei unehelich Geborenen, zumindest wenn kein Vater benannt war.

Dagegen waren mit 96 Jahren das längste Leben der jüngsten Tochter des ehemaligen Bürgermeisters Adolph Christoph Trautwein, Friederike (geboren 1864), sowie dem USA-Auswanderer Ludwig Christian Schlick (geboren 1832) vergönnt. Letzterer ist eines der Beispiele, für die solche Daten auch nach dem Fortzug erhalten sind.

Interessant ist auch, dass die Zahl der Kinder pro Familie über das Jahrhundert stabil blieb. Während die 1805 Geborenen im Durchschnitt fünf Geschwister hatten, wird 1885 mit acht Geschwistern der Höchstwert erreicht. Patchworkfamilien, also Geschwister mit unterschiedlichen Elternteilen, prägten die sozialen Strukturen mit. Bis 1830 erreichte ihre Zahl fast durchgehend über ein Viertel aller Familien, doch auch später sind sie mit zwölf bis 25 Prozent ein Massenphänomen. Woran lag das? Zwar lag die Lebenserwartung bei etwa 50 Jahren, doch vor allem Frauen, die neben dem harten Alltag zahlreiche Geburten überstehen mussten, starben oft früher. Im Todesfall erfolgte meist rasch eine Wiederverheiratung. Aus der Beziehung erwuchsen neue (Halb-)Geschwister.

Den längsten Familieneintrag boten die drei Ehen des Johann Martin Bühler (1836 bis 1916). Seine erste Frau Christina Schwenk starb bereits mit 29 Jahren, auch die beiden Söhne starben als Kleinkinder. Bühler zeugte noch 16 weitere Kinder, von den vier früh starben. Die beiden Jüngsten fielen im Ersten Weltkrieg. Zwischen den Geburten lagen 32 Jahre.

Die Bücher verraten noch mehr. Die jüngste Braut war Maria Christina Sophia Baumann. Die Gerberstochter heiratete 1848 den Kinzigtäler Hirschwirt Johannes Heinzelmann. Sie war da noch keine 16 Jahre alt. Neun Kinder wurden ihnen geboren und alle erreichten das Erwachsenenalter. Die älteste Braut war dagegen Christina Katharina Faist. Sie wurde mit 61 Jahren die zweite Ehefrau des Abraham Wolber. Die meisten Menschen heirateten im Alter von 25 bis 30 Jahren. Jedoch ist nur für ein Drittel der Personen eine Heirat verzeichnet. Damit war Ehelosigkeit keine Seltenheit.