Eine "Fastnacht"-Anzeige aus dem "Kinzigtäler" vom 14. Februar 1893 Foto: Stadtarchiv Wolfach Foto: Schwarzwälder Bote

Tradition: Anfänge der Fasnet / "Prinz Carneval" zunächst nicht gern gesehen

Schiltach. Kaum einer ist so traditionsbewusst wie der Fasnetsnarr, der die Jubiläen feiert, wie sie fallen – heuer also "70 Jahre Schnurren" (wir berichteten). Dass diese locker zu verdoppeln sind, beweisen alte Zeitungsbände, und lassen den Historischen Verein, den anderen Schiltacher Jubilar, mit seinem einen Jahrhundert vergleichsweise jung aussehen.

1889 war es, als "der Karneval unsere Stadt mit einer Verbesserungs-Kommission beschenkte". Sie widmete sich "den brennenden Tagesfragen und verlieh ihren Gutachten durch Wort und That Ausdruck". Dies dürften die ersten Schiltacher Schnurranten gewesen sein, deren ausgefeilte Vorschläge, ähnlich wie heute, der Stadtverwaltung sicher viel Freude bereitet haben. Ihr Auftritt war in der "Krone", wo "nach musikalischen und Gesangsvorträgen auch die Tanzlust ausgiebige Befriedigung fand". Und wie es Schiltacher Art war: "Erst am frühen Morgen löste sich die gemütliche Versammlung auf."

Zwei Jahrzehnte zuvor wurde "Prinz Carneval" noch nicht so freundlich aufgenommen. Als er 1867 erstmals versuchte, "mit der närrischen Prinzessin seinen närrischen Einzug zu halten", versperrten ihm auf der Kreuzstraße "ansehnliche Misthaufen" den Weg. Da soll er "gräuliche Gesichter geschnitten", sich "den Mist und andere Kloaken" von den Füßen gewischt und den Rückzug angetreten haben, während sie "zimperlich das Näschen rümpfte". Ein Versemacher rächte sich an den Bäckern "mit ihren nicht ganz ausgewachsenen Brötchen", die ihre "Beiträge zur Landwirtschaft" dort vor den Häusern lagerten: "Je größer der Misthaufen, je kleiner der Weck, je weniger Gemütlichkeit, desto mehr Dreck!"

Handfest ging es auch 1880 zu: "Mit geschwärzten Händen und Gesichtern zog eine Genossenschaft durch die Straßen, eher einer Räuberbande als einem Fastnachtszug ähnlich", angestiftet von "Herren", die sie "mit hundert Litern Bier freihielten". Ein bisschen chaotische Straßenfastnacht sollte offenbar doch sein.

Bald kam die Wirtschaftsfastnacht auf, erstmals 1888 so annonciert: "Am Fastnachtsonntag Tanz-Belustigung im Bären in Schiltach." Wer 1893 hinter der "Schweinerei" mit "Festessen in der Traube" stand, ist nicht verbürgt. Doch dürfte der Schiltacher Fasnets-Ohrwurm "Bluetwurscht un Sauerkraut" von damals stammen, gesungen nach der Kaiserhymne "Heil dir im Siegerkranz", ein Kontrast, der kaum größer sein könnte.

Auch "s’Salzbecke Aberham", ein etwas unbedarfter Bursche vom alten Spittel, dem die zweite Strophe gewidmet ist, war eine feste Städtle-Größe: Er handlangerte bei den immer durstigen Flößern, denen er die Wein-gefüllten Logel nachtrug.

1906 begann der "Kappenabend" des Turnvereins mit einem Lampionzug und endete "pudelnärrisch". Der Gesangverein lud zum "krachfidelen Kirwetanz mit Schuhplatteln", der Leseverein hielt ein "kostümiertes Kränzchen, das nicht minder fidel war". Im Städtchen gab es "Bier- und Weinquellen", wo "die Wogen hochgingen" und "Lebenslust und Faschingsfreudigkeit" nur so sprudelten.

Als 1911 "Seine Hoheit Prinz Karneval" wieder einen Versuch nach Schiltach wagte, waren die Misthaufen weggeräumt, der seither tätige Verschönerungsverein hatte ganze Arbeit geleistet. Von Schenkenzell herkommend, wollte der Prinz "seinen feierlichen Einzug in unsern Mauern halten und im Rößle ein närrisches Konzert mit fünf Musikkapellen, eine davon mit 30 Mann", besuchen. Angekündigt waren auch: "Xaverle, Philipp und Kollegen", mit einem "hohen Narrenandrang" musste gerechnet werden – "also: Prosit Xaverle!"

Dann kamen Zeiten, in denen von Fastnacht nicht mehr die Rede ist – sie waren einfach nicht mehr danach. Wie Recht hatte der närrische Dichter von 1867: "Je weniger Gemütlichkeit, desto mehr Dreck!"