Lehengerichter Familie: Zwei Söhne müssen in den Krieg, die Eltern bleiben zurück. Der Kummer scheint der Mutter ins Gesicht geschrieben. Foto: Stadtarchiv Schiltach

Schiltach am Vorabend des Ersten Weltkriegs: Angst liegt in der Luft. Mütter und Frauen weinen.

Schiltach - Eine Schwarzwaldstadt am Vorabend des Kriegsausbruchs: Am 31. Juli 1914 lag in Schiltach eine angstbeladene Stimmung in der Luft. Die Menschen spürten: Unheil zieht herauf.

Am 31. Juli 1914, einem Freitag, war der Marktplatz voller Menschen, die erwartungsfroh oder auch gedrückt einem Offizier lauschten, der unter Trommelwirbel den "Zustand der drohenden Kriegsgefahr" ausrief. So war es doch wahr geworden, was sich seit Tagen ankündigte: Die Staatsmänner wurden einer auf dem Balkan ausgebrochenen Krise nicht Herr, es kommt Krieg. Zwar wurde die Bevölkerung zur "Ruhe" aufgerufen, doch spürte man überall eine spannungs- und angstbeladene Stimmung, die sich im massenhaften Abheben von Geld der Sparbücher und einem Sturm auf die Lebensmittelläden äußerte.

Die Aufforderung, "der Entwicklung der Dinge kühl entgegen zu sehen", galt auch den Wehrpflichtigen, ob ledig, verheiratet oder bereits Familienväter, ob Arbeiter, Bauern, Handwerker oder Geschäftsleute, denen die Ratsdiener die Stellungsbefehle überbrachten. Tags darauf, am 1. August, befahl Kaiser Wilhelm II. die allgemeine Mobilmachung, was das Einrücken der ersten Männer bedeutete. Neuer Ort des Geschehens wurde der Bahnhof, der nun tagelang voller abschiednehmender Menschen war. Von "schweren Stunden" wird berichtet, als "die Frau dem Mann den letzten Kuss bot, wenn der Sohn sich losriss aus den Armen der weinenden Mutter". Doch wollte man auch nicht zu viel "Leid und Trennungsschmerz" zulassen, die Bevölkerung musste auf Krieg eingestimmt werden und Mut, Vaterlandsliebe, Opferbereitschaft und Hass auf den Feind an den Tag legen. So übertönten Gesänge die Abschiede: "Deutschland, Deutschland über alles", "Es braust ein Ruf wie Donnerhall", "Eine feste Burg ist unser Gott". Patriotische Gefühle und religiöse Hinwendung sollten Schmerz, Bangen und Ungewissheit auffangen, "brausende Hochrufe auf Kaiser und Vaterland" das Leid übertönen. Bis November waren aus Schiltach 200 Männer "zur Fahne einberufen" und kämpften, so die Zeitung, "den großen Kampf gegen Deutschlands Feinde, um die Grenzen des Vaterlandes zu schützen".

Von den meisten wurde der Krieg, wie der Kaiser es vorgab, als "vom Feind aufgezwungen" gesehen. Man war bereit, alles zu opfern, und sei es das eigene Leben oder das eines Angehörigen. Ging es doch um "die Größe, die Ehre, die Freiheit unseres deutschen Vaterlandes". Diese Argumente wurden auch bemüht, als die mit Verwundeten überfüllten Züge durchfuhren. Bald trafen auch die ersten Gefallenenmeldungen ein: für den Sattler Tobias Sautter, den Weber Christian Aberle, den Gipser Wilhelm Buzzi, den Weber Mathias Blum aus Schiltach, die Landwirte Konrad Maurer und Friedrich Bühler sowie den Bäcker Georg Friedrich Wöhrle aus Lehengericht. Ihr meist durch Maschinenwaffen verursachtes Ableben wurde als "Heldentod" verklärt, als Trost für die Angehörigen gab es die Formel: "Sie starben den schönen Tod fürs Vaterland."