Der Marktplatz um 1810, links ist der "Hirsch" zu sehen. Zeichnung: Heinrich und Karl Eyth Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Ein Blick auf die Entwicklung des ehemaligen "Hirsch" am Schiltacher Marktplatz

Einst Herrenherberge, heute Kaffeehaus: Der ehemalige "Hirsch" am Schiltacher Marktplatz blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück – durchaus mit prominenten Gästen.

Schiltach. Als Herzog Karl Eugen 1770 auf einem mehrtägigen Ritt durch den württembergischen Schwarzwald nach Schiltach kam, geruhte er, hier auch zu übernachten. Logis war der "Hirsch", Herrenherberge am Marktplatz, wo per Kutsche auch die Sängerin Teresa Bonafoni, die damalige Maitresse von "Serenissimus", eintraf.

Nach dem Empfang durch "Stadtväter" und Kinder mit Blumenkörben ging der Herzog noch an der Kinzig spazieren, abends widmete er sich dem Kartenspiel und der Signorina Bonafoni. Vielleicht erfuhr er auch etwas von der Geschichte seines Quartiers, dessen Schild das Geweih des Württemberger Wappens zeigte.

Der "Hirsch" war einer der ältesten Schiltacher Gasthöfe: Schon 1590 war hier Michael Wollenbeer "Wirt und Flößer". Beim damaligen Stadtbrand gehörte er zu den am meisten Geschädigten. Der Wirtshausname erscheint mit "Michel Bühler, Gastgeber zum Hirsch", erstmals 1634, zu der Zeit, als allgemein die Namensgebung für Wirtschaften aufkam. Ihm folgte sein Sohn Israel, "Hirschwirt".

Dass der Gasthof irgendwann "Salmen" geheißen hätte, wie kürzlich behauptet wurde, ist nicht belegt. Im 18. und 19. Jahrhundert war der "Hirsch" im Besitz der aus Alpirsbach stammenden Armbruster, die zugleich Holzhandel und Flößerei betrieben. Das Berufspaar Wirt und Schiffer war in Schiltach fast die Regel: In den Gaststätten erwirtschafteten sie das Kapital, das für den Holzhandel nötig war. Denn bevor die Stämme am Rhein verkauft werden konnten, mussten sie geschlagen, geriest, gerüstet, gebunden und verflößt werden. Das kostete Zeit und Löhne, und konnte nur aus einer gut gefüllten Geldtruhe vorfinanziert werden.

Zwischenzeitlich gibt es Eisen- und Haushaltswaren

"Hirschwirt" Johann Christian Armbruster, der dem Herzog den Willkommenstrunk reichte, ließ 1767 die ihm gehörende Scheuer im hinteren Städtle zu einem Wohnhaus umbauen, was er mit IC.AB. markierte (heute: das-freie-buch). In dessen Keller führt vom "Hirsch" ein etwa 25 Meter langer, unterirdischer Gang unbestimmten Alters. Er hat seinen Ausgang in der hinteren Stadtmauer, wo Johann Christian Armbruster II. das Jahr 1815 und seine Initialen JCA einmeißelte.

1792 hatte er gleichfalls einen berühmten, doch eher unwillkommenen Gast: Dominique Joseph Vandamme, General der französischen Revolutionsarmee. An ihn erinnerte man sich in Schiltach noch lange, weil er seine Soldaten täglich für zwei Stunden plündern ließ. Um 1835 gab Armbruster, Mitglied der Schifferschaft, den "Hirsch" auf und betrieb nur noch Holzhandel.

Im April 1849 zerstörte ein Feuer den mehr als 250 Jahre alten, 1591 errichteten Fachwerkbau, auch das Rathaus erlitt Schäden. 1850 in klassizistischen Formen wiederaufgebaut, erwarb 1861 der Kaufmann Rudolf Stählin aus Memmingen das Haus und richtete eine Eisen- und Haushaltswarenhandlung ein.

1905 kam es in den Besitz der Familie Philipp Koch, die bis um 1980 ein Feinkostgeschäft betrieb. Danach erwarb die Stadt Schiltach das Gebäude zur Erweiterung des Rathauses, im Erdgeschoss wurde die "Kaffeebohne" eröffnet, die 2017 ihr 20-jähriges Bestehen feierte.

So kehrte die frühere Gastlichkeit in das Haus zurück, in dem der gewölbte Weinkeller an die einstige Nobelherberge erinnert. Ab und an lädt auch der unterirdische Gang zum Abenteuer ein. Wofür er gegraben wurde, ist nicht bekannt. Vielleicht war es – nach den verheerenden Stadtbränden des 16. Jahrhunderts – ein Fluchtstollen, durch den man den "Hirsch" in der Not oder auch mal ungesehen verlassen konnte. Jedenfalls erzählte man früher noch öfters von Geheimgängen, durch die vornehme Zecher einst aus den Wirtschaften verschwanden.