Den Vortrag von Stadtarchivar Andreas Morgenstern im Adler-Saal verfolgen zahlreiche Besucher, darunter Bürgermeister Thomas Haas (vorne rechts) und sein Vorgänger Peter Rottenburger (Dritte von links vorne). Foto: Herzog Foto: Schwarzwälder Bote

Historie: Schiltacher Altstadt birgt viel Spannendes / Stadtarchivar Andreas Morgenstern bietet Einblicke

Schiltach hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder seinem Stadtbild zu stellen und wird das auch weiter tun müssen. Denn ein Stadtbild ist immer nur ein Zwischenstand.

Schiltach. Mit der Ausrichtung der Hauptversammlung des Historischen Vereins für Mittelbaden (wir berichteten), Empfang der Stadt, Festvortrag von Stadtarchivar Andreas Morgenstern und Führungen durchs Städtle und Kloster Wittichen feierte der Historische Verein Schiltach-Schenkenzell die vierte Etappe seines 100-jährigen Bestehens.

Wie Bürgermeister Thomas Haas in seinem Grußwort betonte, habe die 439-jährige Zugehörigkeit von Schiltach zu Württemberg Spuren hinterlassen. Die Stadt habe viele Facetten und befinde sich seit 1973 im städtebaulichen Sanierungsprogramm. Zur vielfältigen Geschichte Schiltachs gehörten die Flößer, Gerber und das Fachwerk. Flößerei und Forst hätten mehr als vier Jahrhunderte Geld und Gedankengut nach Schiltach gebracht. Die erste urkundliche Erwähnung liege nun 719 Jahre zurück. Die Stadt habe viele rührige und engagierte Heimatforscher.

Viele Forscher

Gemäß Theodor Heuss sei es wichtig zu wissen, woher man komme und wohin man gehe, beziehungsweise nicht gehen wolle. Hierzu leiste der Historische Verein für Mittelbaden mit seinen Ortsgruppen eine wichtige Aufgabe zur Meinungsbildung.

Die Stadt habe das Glück, mit verschiedenen Autoren eine achtbändige Reihe Beiträge zur Geschichte Schiltachs, ein Sippenbuch und ein Buch zur Geschichte Lehengerichts herausbringen zu können, hob der Bürgermeister hervor.

Viele Menschen, begann Morgenstern seinen Vortrag zum Thema "Eine Fachwerkstadt entsteht neu – die Sanierung der Schiltacher Altstadt ab 1970", hätten über Jahrzehnte an Schiltachs Geschichtsforschung mitgearbeitet. Dabei sei manche Initiative zur Sicherung des Stadtbilds angestoßen, begleitet und begründet worden. Sanierung und Rekonstruktion sei nie etwas Abgeschlossenes, sondern fordere immer wieder Erneuerung. Dabei brauche es vor allem Optimismus, der Glaube an ein Ziel.

Schiltachs Altstadt sei 1971 ins Denkmalbuch des Landes eingetragen worden. Das könne aber nicht als Anfang bezeichnet werden. Bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts seien erste Fachwerkfreilegungen zu erleben gewesen. Das Bürgertum habe sich wieder auf urdeutsche Traditionen besonnen, zu denen das mittelalterliche Fachwerk gehöre.

Über die Feinheiten des Denkmalschutzes habe man sich keine Gedanken gemacht. Ein gutes Beispiel sei die Neugestaltung der Rathausfassade, die innerhalb 35 Jahren zweimal komplett verändert worden sei. Auch von Ensembleschutz sei keine Rede gewesen. Den Stadtführern würde heute ohne den lothringischen Giebel am Haus Marktplatz 8 eine ergreifende Liebesgeschichte fehlen.

Wohnraum hat Vorrang

"Stadtsanierung erfordert geplante Eingriffe in die Bausubstanz und eine aktivierende Beschleunigung des natürlich-langsamen Wandels", bekräftigte Morgenstern. Ab 1929 sei eine Fachwerkseite am Marktplatz entstanden. Die Schlossbergstraße hatte in den Dreißigern nachgezogen, ehe der Krieg die Entwicklung stoppte.

In der Nachkriegszeit werde zunächst die Unterbringung von Vertriebenen und Flüchtlingen wichtiger wie auch das reparierte Dach gegenüber einer schöneren Fassade. Vielleicht sei die Zeit für die Stadtsanierung noch nicht reif gewesen, spekulierte Morgenstern. Noch 1969 habe der Gemeinderat mehr Probleme als Chancen darin gesehen.

Das Thema habe in Schiltach durch den Bürgermeister Peter Rottenburger wieder Fahrt aufgenommen. 1973 sei Schiltach mit sechs weiteren Kommunen des Landes Modellstadt geworden. Für die Renovierung von Häusern sei viel Geld vom Land geflossen und auch die Stadt habe Mittel aufgebracht.

Wichtigste Projekte für die Altstadtbewohner seien Verbesserungen sanitärer Anlagen, hellere und luftigere Wohnungen und mehr Parkraum gewesen. Für Ladenbesitzer seien harte Zeiten angebrochen. Den Onlinehandel habe es noch nicht gegeben, aber die aufkommende "Grüne Wiese" sei manchem sehr an die Gurgel gegangen. Nicht wenige hätten aufgegeben oder sich ein anderes Standbein gesucht. Es seien aber auch neue Geschäfte entstanden.

Umstrittene Abrisse

Zu den öffentlichen Bauprojekten habe das Lehengerichter Rathaus und die Schüttesäge gehört. Manche Entscheidung zur baulichen Umgestaltung oder Abriss sei durchaus umstritten gewesen. Alles in allem sei Schiltach eine "gebaute Geschichte" geblieben. Da sei nicht einfach eine frühere Epoche zugedeckt, sondern auch Raum für die Gegenwart gefunden worden. Nachhaltigkeit sei der wichtigste Gedanke der Stadtsanierung und da gebe es eine breite Zustimmung in der Bevölkerung. So werde die Stadtsanierung ein Kind ihrer Zeit, mit Blick auf die Zukunft.

Und es gebe die Ideen der Studenten, die das Auto schon bald aus der Stadt verbannt sähen. "Wünsche wandeln sich mit den Generationen", sagte der Stadtarchivar unter großem Applaus.