Die prominent über dem Altar platzierte Kreuzigungsgruppe ist ebenfalls von Martin Scheible. Foto: Grosse

Die Truchtelfinger Galluskirche ist um ein Kunstwerk reicher. Es handelt sich um eine Dornenkrönung Christi, ein Werk des Ulmer Bildhauers Martin Scheible (1883-1954).

Albstadt-Truchtelfingen - In den allermeisten Kunstenzyklopädien wird man seinen Namen vergeblich suchen; wer sich jedoch für das Innenleben von Württembergs evangelischen Kirchen interessiert, hat bestimmt schon das eine oder andere Werk von Martin Scheible gesehen: vielleicht in Stuttgart die Kruzifixe in der Stifts- und in der Schlosskirche, die Reliefs oder die Weihnachtskrippe im Ulmer Münster – an letzterer hatte sich 2020 ein öffentlicher Meinungsstreit entzündet, weil Kritiker die Darstellung eines der heiligen drei König als rassistisch empfanden – oder die Holzbildtafeln an der Reutlinger Marienkirche. Weitere Werke Scheibles finden sich in Blaubeuren, Freudenstadt und Mariaberg.

Reicher Werkbestand

Und in der evangelischen Kirche in Truchtelfingen – Martin Scheible hat sie von 1939 bis 1943 künstlerisch ausgestaltet. Nicht nur die prominent über dem Altar platzierte Kreuzigungsgruppe stammt aus seiner Werkstatt, sondern auch der Taufstein, das Hauptportal, die Bankwangen und der einzigartige Brautstuhl, der eine Art dörfliches Idyll beschwört.

Zudem schuf Scheible 1947 und 1948 auch für Truchtelfingen eine Weihnachtskrippe – sie besitzt ebenfalls einen schwarzen König, dessen Darstellung aber wesentlich zurückhaltender als die des 1920 entstandenen Ulmer Pendants ausfällt und die Stereotypen des früheren Werks vermeidet.

Neue Heimat gesucht und gefunden

Zu all diesen Kunstwerken ist jetzt noch ein weiteres hinzugekommen: Für eine Gipsplastik aus dem Nachlass der Ulmer Familie Mößner, die Martin Scheible eng verbunden war, wurde eine neue Heimat gesucht, und die evangelische Kirchengemeinde Truchtelfingen hat das Schenkungsangebot gerne angenommen und die Skulptur nun im Altarbereich der Galluskirche aufgestellt – terminlich mit Bedacht, denn die Dornenkrönung ist ja Teil der Passion Christi.

Das Bildwerk misst etwa 60 mal 40 Zentimeter und zeigt, wie Jesus, auf dem Boden liegend, die Dornenkrone aufs Haupt gedrückt bekommt. Völlig erschöpft ist er, vier Soldaten drücken ihn brutal zu Boden; die Gewalt ist mit Händen zu greifen.

Tief haben sich Schmerz und Leid in Jesu Gesichtszüge eingegraben; es findet sich darin keine Spur von sakraler Erhabenheit. Diese Plastik erschließt sich nicht auf einen Blick; sie will lange betrachtet und ausgehalten sein.

Ein Arm war abgebrochen

Ihr Entstehungsjahr ist unbekannt; neben der deutlich erkennbaren Signatur "MS" steht keine Jahreszahl. Ob das Werk vollendet ist oder ob ein Bronzeguss geplant, weiß man auch nicht.

Über dem Knie der obersten Figur zeigt eine kaum wahrnehmbare Bruchstelle an, dass ein Unterarm wieder angeklebt werden musste. Die restauratorische Rettungstat geht auf das Konto von Brigitte Kärn, eine der Erbinnen – sie war es auch, die vor einiger Zeit den Kontakt zur Kirchengemeinde Truchtelfingen herstellte.

Aus künstlerischem Interesse hat Brigitte Kärn Früh- und Spätwerk von Martin Scheible einem Vergleich unterzogen und dabei natürlich die Truchtelfinger Kunst in Augenschein genommen. So kam eines zum anderen, und als aus der großen Erbenfamilie niemand Anspruch auf die Skulptur erhob, beschloss Kärn, sie der Truchtelfinger Kirchengemeinde zu schenken.

Worüber Pfarrer Christoph Grosse sich sehr gefreut hat – in seiner Karfreitagspredigt blieb die "Dornenkrönung" nicht unberücksichtigt. Das Werk soll nun auch über die Passionszeit hinaus für Interessierte zugänglich sein – Gelegenheit zu Betrachtung besteht nach jedem Gottesdienst.