Update: Gegner und Befürworter des Bahnprojekts sitzen mit Geißler an einem Tisch.

Stuttgart - Fünf Stunden rang der Vermittler Heiner Geißler am Donnerstagabend im Rathaus mit dem Aktionsbündnis der Projektgegner um die Gespräche. Zwischendurch demonstrierten rund 5000 Befürworter des neuen Tiefbahnhofs wie immer am Donnerstag auf dem Marktplatz vor der Verwaltungszentrale.

Um 21.50 Uhr ließen Geißler und Hannes Rockenbauch, Sprecher der Gegner, weißen Rauch aufsteigen: Am Freitag um 10.30 Uhr hat die "Sach- und Faktenschlichtung" unter Ausschluss der Öffentlichkeit begonnen. Die Seite der Projektträger wurde im Stuttgarter Rathaus von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) angeführt. Von den sieben Vertretern der Projektgegner war auch Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann mit am Tisch. Dauern könnte die "Sach- und Faktenschlichtung nach Vorstellung Geißlers längstens bis zum letzten November-Wochenende.

"Daran wird sich fest machen, ob es der Bahn ernst ist"

Der 80-Jährige ehemalige CDU-Generalsekretär muss allerdings zunächst einen Streitpunkt klären. Die Gegner wollen, das die Bahn alle Arbeiten zum Aufbau einer Grundwasser-Reinigungsanlage im Schlossgarten einstellen. "Daran wird sich fest machen, ob es der Bahn ernst ist", warnte Rockenbauch vor einem abrupten Ende der Gespräche. Ist das Hindernis überwunden, solle ein Themen- und Terminplan festgezurrt werden.

Alle weiteren Gespräche, zu denen jede Seite auf Wunsch Geißlers je sieben Vertreter entsendet, wären dann öffentlich und sollen zumindest im Internet übertragen werden. Dies habe Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) zugesagt, so Geißler. "Das ist eine Innovation, ein völlig neuer Weg der Bürgerbeteiligung", so Geißler. Sein Ziel sei, das verlorengegangene Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wieder herzustellen.

Mehr als 80.000 Überstunden

Die Gegner der von der Bahn AG auf 4,1 Milliarden Euro kalkulierten neuen Infrastruktur mit Durchgangs- und Flughafenbahnhof sowie Schnellfahrstrecke bis Wendlingen konnten ihre Bedingungen für die Schlichtung weitestgehend durchsetzen. Bis auf die Grundwasseranlage herrscht ein Bau- und Vergabestopp. Laufende Ausschreibungen darf die Bahn aber weiter verhandeln.

Um die S-21-Baustelle zu schützen, hat die Polizei bis Mitte September mehr als 80000 Überstunden gemacht. Das hatte Folgen für die Polizeipräsenz in anderen Landesteilen. Die Landes-SPD schließt daraus auf eine Sicherheitslücke.

Die Volkshochschule (VHS) Stuttgart will im S-21-Streit der Bürger die aufgewühlten Wogen besänftigen und startet ab 20. Oktober eine S-21-Dialogreihe. Ziel sei es, den Streit in der Stadt zu entschärfen und Menschen, die mit dem Konflikt um S21 in der Familie, im Verein, am Arbeitsplatz konfrontiert seien, "zu unterstützen einen fairen Umgang miteinander zu finden", sagte VHS-Sprecherin Katja Armbruckner. Trotz aller Gegensätze solle man versuchen "in gegenseitiger menschlicher Wertschätzung miteinander umzugehen".