Arbeitnehmer der Schramberger Firma Schweizer Electronic fordern die Rückkehr des Unternehmens zum Tarifvertrag. Fotos: jk Foto: Schwarzwälder-Bote

Mai-Kundgebung: DGB-Sprecher fordert in Rottweil, das Herz zu öffnen

Die Reden von Bernd Scheibke (DGB-Kreisvorsitzender), Paul Schobel (katholischer Betriebsseelsorger) und Jendrik Scholz vom DGB-Bezirk Baden-Württemberg hätten bei der Kai-Kundgebung in Rottweil durchaus mehr Publikum verdient.

Kreis Rottweil (jk). Scheibke, Schobel, Scholz: Jeder am Mikro legte den Finger auf die wunden Punkte von Gesellschaft und Arbeitswelt, nahm kein Blatt vor den Mund und mahnte, dass es höchste Zeit für Solidarität sei. Doch nur maximal 70 Zuhörer waren am Sonntag um 11 Uhr vor dem alten Rathaus in Rottweil zusammengekommen.

Die Quote der nur kulinarisch Solidarischen, die vom rustikalen Angebot von schwäbisch und polnisch über vegetarisch bis halal angezogen wurden, dabei nicht eingerechnet. Während einige anwesende Kinder das Durchschnittsalter auf gefühlte 57 Jahre senkten, brachte das "Trio Acoustic 3" musikalisch gekonnt Schwung in die Sache.

Bernd Scheibke appellierte an seine Zuhörerschaft, das Herz zu öffnen und Kampfgeist zu wecken für die Solidarität, die das einzige wirksame Mittel zur Gegenwehr und gelebte Menschlichkeit sei. Er erinnerte dabei an Ungerechtigkeiten der Arbeitswelt wie die zu geringe Entlohnung und die arbeitsrechtliche Stellung von Leiharbeitnehmern, an fingierte Werksverträge und an die laufenden Tarifrunden. Liberté, Egalité, Fraternité, die Losung der Französischen Revolution, gelte in der Arbeitswelt wie in der Lebenswelt.

Die Kraft der Solidarität brauche es, um im "mörderischen Wirtschaftssystem" des Kapitalismus zu überleben und zu bestehen. Betriebsseelsorger Paul Schobel untermauerte seine Worte mit einem Zitat von Papst Franziskus: "Diese Wirtschaft tötet…" Prozesse wie Stellenabbau, Fusionen, Restrukturierung und Industrie 4.0 vernichteten Arbeitsplätze, trieben viele Menschen in eine prekäre und rechtlose Selbstständigkeit und würden die Belegschaften spalten. Dagegen sei die Solidarität, die Schobel mit der "jesuanischen Nächstenliebe" gleichsetzte, das Gebot der Stunde.

In diese Solidarität bezog der Geistliche auch die Flüchtenden vor Krieg und Gewalt mit ein und erteilte den "Kleingeistern" und "Hetzern" der AfD eine klare Absage: "Wer heute Mauern baut statt Brücken, ist in dieser globalen Welt noch nicht angekommen."

Jendrik Scholz vom DGB Baden-Württemberg ging konkret auf laufende Tarifkämpfe ein, kritisierte die Niedriglohnpolitik und pochte auf Leistungsgerechtigkeit. Er kritisierte die Blockade-Haltung der Arbeitgeber und verhieß: "Die Antwort kann auch Streik heißen!"

Der Lohndrückerei durch Werkverträge, Scheinselbstständigkeit und Leiharbeit wolle er mit einem Veto-Recht der Betriebsräte gegen den Einsatz von Werkverträgen entgegentreten, auch sollten die Betriebsräte für sämtliche Arbeitnehmer auf einem Betriebsgelände zuständig werden. Zugleich mit der Forderung nach höheren Löhnen verlangte Scholz solide staatliche Renten, die Abkehr von der "schwarzen Null" als einziges finanzpolitisches Prinzip. Auch er warnte vor der AfD, die weiteren Sozialabbau betreiben wolle und mit dem Neo-Liberalismus liebäugle.