Die Erinnerungen von Angeklatem und Opfer unterscheiden sich sehr. (Symbolbild) Foto: dpa

Ein Unfall, zwei Versionen: Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung wird eingestellt.

Rottweil - Beim Linksabbiegen am Kaufland-Parkplatz auf der Rottweiler Saline passiert es: Ein dumpfer Schlag, und ein 79 Jahre alter Fußgänger wird verletzt.

Bei der Frage nach dem Unfallhergang unterschieden sich die Erinnerungen von Angeklagtem und Opfer jedoch stark voneinander. Er habe sich gründlich umgeschaut, schilderte der 64-jährige Angeklagte aus dem Kreis Rottweil Richterin Carla Kasper am Rottweiler Amtsgericht. Am Tattag im Juni 2019 war er zur Mittagszeit auf der Saline einkaufen und wollte auf die Straße abbiegen. "Ich rolle gerade an, da höre ich einen dumpfen Stoß", berichtete er weiter. Im selben Moment habe er einen Mann auf Höhe seiner Beifahrertür gesehen, der noch einige Schritte am Auto entlanggegangen und schließlich vor dem Wagen umgefallen sei. "Der Mann ist mir einfach ins Auto gelaufen", war sich der Angeklagte sicher.

Opfer muss sich einer Operation unterziehen

Die Lebensgefährtin des Opfers habe auch noch gesagt, dass ihr Partner so hektisch gewesen sei, erinnerte sich der 64-Jährige. Er bedauere, was passiert sei, aber er könne nichts dafür. Beim Aufprall habe er augenblicklich gebremst, nach dem Mann gesehen und Polizei und Krankenwagen geholt, als dieser über Schmerzen klagte.

Die Verletzungen des Seniors beeinträchtigen ihn bis heute. "Ich bin zu 80 Prozent wieder fit, aber das Laufen klappt noch nicht so gut", bestätigte dieser vor Gericht. Seiner Erinnerung nach wurde er gerade, als er den Einkaufswagen wegbringen wollte, "einfach umgenietet".

Der 79-Jährige meinte, er habe das Auto erst im Moment des Aufpralls wahrgenommen. An den Angeklagten konnte er sich nicht erinnern. Er sei bewusstlos geworden. Die Polizei habe ihm gesagt, dass der Autofahrer wohl die Kurve geschnitten habe.

Er habe sich nicht mehr bewegen können, sagt der Rentner, der sich nach dem Unfall einer Becken-Operation unterziehen musste, bei der Metallplatten und Drähte eingesetzt wurden. Fünf Wochen lang lag er im Krankenhaus, weitere sechs Wochen zu Hause, ehe er in Kur ging, so die Schilderung des Opfers. Seit dem Vorfall könne er außerdem nur noch schlecht schlafen.

Angeklagter hat eine weiße Weste

Der Angeklagte beteuerte, er habe mehrmals versucht, mit dem Geschädigten Kontakt aufzunehmen und ihn im Krankenhaus zu besuchen, doch dieser habe nicht mit ihm reden wollen.

Nicht erklären könne er sich auch die Angabe der Polizei, beim Unfall seien 2000 Euro Schaden an seinem Auto entstanden. Der Angeklagte sah sich die Bilder in der Fallakte nochmals an und schüttelte den Kopf: "Da ist absolut nichts zu sehen".

Der 64-Jährige hat sich bislang noch nie etwas zu Schulden kommen lassen. Dabei fahre er mehr als 60 000 Kilometer im Jahr. Seit der Coronakrise habe er als Selbstständiger kein Einkommen. 9000 Euro Soforthilfe habe er vom Staat bekommen. Die laufenden Kosten, wie Miete und Finanzierung des Autos, muss er dennoch stemmen.

Angesichts des unklaren Unfallhergangs und der gegensätzlichen Schilderungen beschloss Richterin Kasper, das Verfahren gegen eine Geldauflage von 200 Euro ans DRK einzustellen. Für einen Freispruch reiche es nicht. "Wahrscheinlich hat jeder nicht so ganz aufgepasst an diesem Tag", mutmaßte die Richterin.