Wie können in Zukunft noch ältere, pflegebedürftige Menschen in ländlichen Gemeinden versorgt werden? Foto: dpa-Zentralbild

Liga der freien Wohlfahrtsverbände lädt zu Podiumsdiskussion: Zukunft der Pflege auf dem Land.

Rottweil - Die Frage drängt in unserem Landkreis. Wie können in Zukunft noch ältere, pflegebedürftige Menschen in ländlichen Gemeinden versorgt werden? Morgen gibt es im Kapuziner in Rottweil eine Podiumsdiskussion zum Thema.

Es ist kein Geheimnis: Schon jetzt praktiziert in manchen Umlandgemeinden nur noch ein Arzt, zumeist vorgerückten Alters. 28 Prozent der Mediziner in unserem Landkreis sind bereits 60 Jahre alt und älter. Die Frage der Nachfolge wird sich in nicht all zu ferner Zeit stellen. Schon jetzt ist es für die Wohlfahrtsverbände wie AWO, DRK und andere schwierig, genügend und gut ausgebildete Pflegekräfte für die Versorgung von älteren Menschen in ländlichen Gemeinden zu gewinnen. Auch wenn der Personalschlüssel, laut statistischer Daten des Landratsamtes, bis jetzt in den Pflegeheimen zumindest schritthalten konnte mit dem Anstieg der Pflegeplätze.

Und schon jetzt ist die Finanzierung von kontinuierlicher Pflege und von kleinen Alltagshilfen nicht ausreichend gedeckt und belastet mit einem hohen bürokratischen Aufwand. Dabei stehen auch dem Kreis Rottweil die Auswirkungen des demografischen Wandels – klar ausgedrückt: der Überalterung unserer Gesellschaft – erst noch ins Haus. Und nicht nur der Verwaltung, sondern auch den Menschen, die sich jetzt noch für jung halten, doch in 15 Jahren schon selbst Betroffene sein könnten.

Deshalb richtet sich die Podiumsdiskussion im Kapuziner in Rottweil an Mitbürger jeden Alters und jeglicher Berufsgruppen im Landkreis. Die Organisatoren, Peter Hirsch, Vorsitzender der Liga der freien Wohlfahrtsverbände im Landkreis, und Dieter Gaus, stellvertretender Kreisgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes, haben Vertreter aus Politik, Sozialverwaltung, Pflegeeinrichtungen und vom Kreisseniorenrat eingeladen. Denn es geht darum, politische und praktische Lösungen für den Landkreis zu finden. Carmina Brenner, Leiterin des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg, wird den Diskutanten die nötigen Daten und Fakten liefern.

Doch schon im Vorfeld zeichnet sich ab, wo der Schuh drückt. Peter Hirsch, Geschäftsführer der AWO in Rottweil, weiß wo die Probleme liegen. Einerseits müssten ambulante Pflegedienste wirtschaftlich arbeiten, andererseits sind Pflegeleistungen "gedeckelt", also für jeden Versicherten nur bis zu einer Grenze finanziert und zudem gekoppelt an dessen Einkommen. Schmale Rente, schmales Pflegebudget. Hirsch nennt das eine Versorgung nach dem "Teilkasko-Prinzip", die nicht richtig funktioniert. Die Folge: Was den Betroffenen finanziell fehlt, muss das Kreissozialamt zuschießen. Noch sei der Anstieg der hier gezahlte Leistungen "moderat", wie Bernd Hamann, Leiter des Sozialdezernats im Landkreis, betont. Doch diese Aufgabe könnte den Landkreis in Zukunft, bei steigender Zahl älterer Menschen im Verhältnis zu erwerbstätigen Jüngeren, überfordern, so Hirschs Befürchtung. Laut Statistischem Landesamt wird die Bevölkerungszahl, gemessen an der Zahl von 2008, zwar bis 2030 "nur" um 4,5 Prozent sinken. Doch werden dann 35 Prozent der Menschen im Kreis Rottweil über 60 Jahre alt sein.

Zudem wüssten die Pflegekräfte, so Hirsch – zu Recht – was ihre Arbeit wert ist, und verlangten übertarifliche Bezahlung. Die Folge: Selbst die freien Wohlfahrtsverbände buhlten nun um Fachkräfte, sähen sich als Konkurrenten, anstatt sich zusammenzufinden, und ihre Forderungen gemeinsam an die politischen Mandatsträger in Land und Bund zu richten: Verordnungen und Gesetze zu verändern. Für einen besseren Personalschlüssel und für eine menschenwürdige Versorgung Pflegebedürftiger auch bei uns, auf dem Land.

Das Sozialdezernat des Landkreises und auch dessen politischer Entscheidungsträger, der Kreisrat, sind indessen nicht untätig. Bernd Hamann hat mit der Planungsgruppe aus Fraktionsmitgliedern des Kreisrates,Vertretern von Pflegeheimen und -Diensten sowie dem Kreisseniorenrat bereits eine "Kreisseniorenplanung" auf dem Schirm. Mit Hilfe der Prognosen des statistischen Landesamtes für das Jahr 2030 wird hier an der Zukunft gebaut. Hamann sieht dabei persönlich vor allem die Pflegehilfen und Alltagshilfen vor Ort als zukunftsträchtiges Modell. "Die älteren Menschen wollen ihre Selbstständigkeit und ihren gewohnten Lebenskreis auf dem Land nicht für ein Pflegeheim aufgeben", beobachtet er, vor allem im Hinblick auf die Beratungsergebnisse des Pflegestützpunktes.

Weitere Informationen: Podiumsdiskussion "Die Demografie", 16. November, 15.30 bis 17.30 Uhr, im Sonnensaal des Kapuziner, Neutorstraße 6 in Rottweil, Eintritt frei.