Beschäftigungsmaterial wie Stroh, Spielzeug oder Salzlecksteine können das Risiko reduzieren
Das Schwanzbeißen sei allerdings in vielen Betrieben ein Problem. Früher habe man den Ferkeln die Schwänze kupiert. Das ist in Deutschland mittlerweile verboten und soll auch EU-weit abgeschafft werden. Immer wieder komme es jedoch vor, dass die Ferkel anfangen würden, sich gegenseitig die Schwänze abzubeißen. "Und wenn erst mal Blut fließt, geht der Kannibalismus los", wissen Manfred und Willi Haas. Beschäftigungsmaterial wie Stroh, Spielzeug oder Salzlecksteine können das Risiko des Schwanzbeißens reduzieren.
Das klappt aber offenbar nicht überall und immer. Vielerorts gibt es sogar wissenschaftlich begleitete Modellvorhaben, denen es auch nicht immer gelingt, die Ausbrüche des Schwanzbeißens zu verhindern. Trotz vielfältiger Maßnahmen blieben teils nur maximal 30 Prozent der Schwänze unversehrt. Die Zielmarke von 95 Prozent würden nur wenige Betriebe erreichen.
Mit dem Problem sind mittlerweile Wissenschaftler und Landwirte europaweit beschäftigt. Da ist der Haas-Hof in Flözlingen offenbar nur einer von vielen. Unzumutbare Zustände, die dem Tierwohl schaden, sind in den vergangenen Monaten landauf, landab offenbar mehrfach vorgekommen. Auch Schlachthöfe mussten schließen, wie erst unlängst in Gärtringen (Kreis Böblingen).
Die Corona-Pandemie, schließende Metzgereien und weniger Nachfrage nach Fleisch seien mitverantwortlich dafür, dass immer weniger Ferkel aus den Betrieben abgerufen würden. "Aber das soll keine Entschuldigung sein. Wir wussten ja, dass wir Schwanzbeißer haben und haben uns mit dem Veterinäramt auch verständigt, was wir dagegen tun können", berichtet Manfred Haas. Dass der Ferkelstall im Sommer – als die erste Kontrolle am 29. Juli erfolgte – teilweise überbelegt gewesen sei, stehe außer Frage. Man habe auch versucht, der Situation Herr zu werden. "Es waren ja zum Glück nicht alle Gruppen betroffen. Wir haben den Ferkeln Spielzeug und Salzlecksteine gegeben", sagt Haas. Teilweise habe sich die Situation entspannt. Aber eben nicht überall.
Am vergangenen Freitag habe es dann eine weitere Kontrolle durch die Behörden, das Regierungspräsidium, das Ministerium und die Polizei gegeben. Aufgrund der medialen Berichterstattung zog das Geschehen offenbar auch größere Kreise. Die Situation habe "sofortiges Handeln erfordert", heißt es in der Pressemitteilung des Ministeriums.
Bei Kontrollen von Rindern und Legehennen gab es keinerlei Beanstandungen
Manfred Haas und seinem Vater Willi, der den Betrieb, der seit Genrationen bereits in Familienhand ist, bis Juli mitgeführt hatte, bricht der Abtransport der Tiere beinahe das Herz. Man habe nicht genügend Zeit bekommen, die Situation in den Griff zu bekommen, bedauern die beiden. Erst vor wenigen Tagen hätten die Behörden auch die anderen Betriebsbereiche – Rinder und Legehennen – kontrolliert. Hier habe es keinerlei Beanstandungen gegeben. Der Betrieb ist bislang nicht negativ aufgefallen, heißt es von der Pressestelle des Landratsamts. Die anderen Bereiche sollen auch künftig weitergeführt werden. "Wir werden umstrukturieren", sagt Willi Haas.
Seitens der Kollegen wird Manfred Haas als pflichtbewusster Kollege beschrieben. Als Kreisobmann des Kreisbauernverbandes Rottweil setzte er sich über Jahre für die Belange der Landwirtschaft ein und bemühte sich bei Problemen seiner Kollegen stets hilfsbereit um Lösungen. Sein Amt lässt er nun bis auf Weiteres ruhen.
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