Wo Günther Hermus, Vorsitzender des Tierschutzvereins Rottweil, die stellvertretende Leiterin des Tierheims, Vanessa Schreiber (Mitte), und die ehrenamtliche Mitarbeiterin Michaela Heimers stehen, wird bald das neue Katzenhaus gebaut. Fotos: Fuchs Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Das Tierheim Rottweil baut ein neues Katzenhaus / Mitarbeiter werden zunehmend angegriffen

Auf der Wiese direkt hinter dem Parkplatz und mit Anschluss an das restliche Tierheim soll es entstehen: das neue Katzenhaus. Im September starten die Bauarbeiten. Gleichzeitig kämpft der Tierschutzverein gegen das Streuner-Problem.

Rottweil. Mehr als 35 Katzen sind es aktuell: alte, junge, Babys, mit und ohne Schnupfen. Das Tierheim Rottweil platzt aus allen Nähten. "Hinzu kommt", so Günther Hermus, Vorsitzender des Tierschutzvereins, "dass die Räume heute nicht mehr der Verordnung entsprechen." Eine Katze brauche mindestens vier Quadratmeter Platz. Im alten Katzenhaus haben die Tiere nicht einmal die Hälfte davon. "Das Haus wurde 1974 ursprünglich für Hunde gebaut. Damals waren die Bestimmungen noch anders." Vom Veterinäramt habe es nun die vorläufige Erlaubnis zum Halten der Katzen gegeben, weil der Bau des neuen Hauses schon in den Startlöchern steht.

Als Erstes muss die Wiese aufgeschüttet werden, damit kein Hang zum Parkplatz entsteht. Im November komme die Fertighalle auf die Bodenplatte. Drum herum wollen die Mitarbeiter des Tierheims viel in Eigenregie machen, erklärt Vanessa Schreiber, stellvertretende Tierheim-Leiterin. Wenn das neue Katzenhaus fertig ist, wird es 200 Quadratmeter groß sein und Platz für 80 Tiere bieten. Hinzu kommen 80 Quadratmeter Außengehege.

Wird so viel Platz wirklich gebraucht? "Im Schnitt haben wir zwischen 25 und 30 Katzen", schätzt Schreiber. "Aber im Sommer ist die Hochphase. Da bekommen wir massenweise kleine Kätzchen." Der erste Wurf komme bei Katzen im Frühjahr, dann etwas später im Jahr nochmals einer. Die Babys seien jedoch gut vermittelbar. Dennoch dürfe das Vermehrungs-Problem nicht unterschätzt werden, erklärt Hermus. Bei zwei bis drei Würfen pro Jahr und zwei bis drei Katzen pro Wurf komme einiges zusammen. "Das ist schlimmer als bei den Kaninchen", scherzt der Vereinsvorsitzende. Das müsse nicht sein, denn die Lösung sei einfach: "Eine Kastrationspflicht muss her."

In Baden-Württemberg habe sich diese Pflicht noch nicht durchgesetzt. Die Kommunen müssen die Regelung erlassen. "Die Stadt Rottweil fürchtet Umstände und Kosten", mutmaßt Hermus. "Im gesamten Land hat die Pflicht bislang nur eine einzelne Kommune ausgesprochen, die Gemeinde Berglen im Rems-Murr-Kreis, allerdings auch erst mit Wirkung zum Januar 2020", sagt Tobias Hermann von der Stadt Rottweil. "Aus unserer Sicht würde ein solcher Erlass nur Sinn machen, wenn auch die Umlandgemeinden mitziehen, für die das Rottweiler Tierheim ebenfalls zuständig ist." Übergreifend müsse die Pflicht gelten, denn wilde Katzen interessieren Stadtgrenzen nicht, pflichtet Hermus bei, einer müsse jedoch den Anfang machen.

Die anderen Gründe, weshalb die Pflicht nicht schon ausgesprochen wurde, liegen für Hermann auf der Hand: "Der Erlass einer solchen Verordnung muss verhältnismäßig sein, da eine Kastrationspflicht erheblich in die Rechte der Katzenbesitzer eingreift." Deshalb seien Nachweise gefordert, die einen Eingriff rechtfertigen und eine entsprechend große Problematik mit frei laufenden Katzen in der Gemeinde bestätigen. "Hierzu müsste zunächst die Population der frei laufenden Katzen umfangreich dokumentiert werden. Das ist für Städte und Gemeinden mit einem erheblichen Aufwand verbunden." Grundsätzlich empfehle die Stadt, Katzen, die nach draußen gehen, kastrieren zu lassen. "Wir appellieren an die Vernunft der Tierbesitzer."

Aktuell kümmert sich der Tierschutzverein um das Thema Kastration in Rottweil. Nachdem die wilden Katzen kastriert worden sind, werden sie meist da wieder ausgesetzt, wo sie gefunden wurden. "Vermittelbar sind die meisten nämlich nicht. In einer Wohnung gehen sie die glatten Wände hoch", weiß Hermus. Ehrenamtliche Mitarbeiter kümmerten sich und fütterten die wilden Katzen.

"Das Problem ist, dass unsere Mitarbeiter immer häufiger angegriffen werden", meint der Vereinsleiter mit Bedauern. Er erzählt von Helfern, die beim Auffüllen der Futternäpfe zu Boden gestoßen oder denen Schaufeln voller Katzendreck vor der Haustür abgeladen wurden. "Die Leute verstehen nicht, dass wir, egal ob sie Katzenliebhaber oder -hasser sind, zu ihrem Vorteil handeln", erklärt Hermus. "Solange wir uns um die Katzen kümmern und sie kastrieren, wird die Population in Schach gehalten. Wir sorgen außerdem dafür, dass die Katzen gesund sind und keine Krankheiten verbreiten." Die zentralen Futterstellen binden die Tiere zudem an einen Ort. "Wenn sie nicht hungrig sind, belästigen sie auch die Anwohner nicht." Eine Win-win-Situation für alle. "Wer Katzen also nicht mag, läuft eher Gefahr, die Streuner irgendwann selbst an der Backe zu haben, wenn er uns bei der Arbeit behindert. Man schadet sich selbst", denn eins stehe fest: Verschwinden werden die Straßentiere nicht, wenn sich niemand mehr kümmert. Sie werden nur lästiger, und ohne Kastrationen wachse die Zahl vermutlich sogar. Straßenkatzen-Brennpunkte gebe es auch jetzt noch im Kreis Rottweil. Dunningen und Herrenzimmern gehörten dazu.

Mit den Kommunen bestehen Verträge, durch die dem Verein 120 000 Euro pro Jahr zur Verfügung stehen. "Laut Gesetz müssen die Kommunen Fundsachen nämlich ein halbes Jahr lang aufheben", erklärt Schreiber. Tiere zählen auch dazu. Das übernehme dann das Tierheim. Dessen Unterhalt koste pro Jahr jedoch 250 000 Euro. Trotz Mitgliedsbeiträgen und Spenden bleibe es nicht aus, dass die Mitglieder auch privat Geld in die Hand nehmen. "Es ist unglaublich, was vor allem Ehrenamtliche für Futter, Tierarztkosten und Co. ausgeben", sagt Hermus.

Parallel zur Arbeit am Katzenhaus, das die Verantwortlichen bis zum Jahresende fertig haben wollen, wird daran getüftelt, Anzahl und Zustand der Katzen in den jeweiligen Teilorten zu erfassen, um die Stadt auf lange Sicht doch noch von der Notwendigkeit eines Kastrationsgesetzes zu überzeugen. "Es ist ein Kampf", weiß Hermus. "Da brauchen wir viel Geduld."