Das Bild zeigt die Wahlhelfer am Sonntagabend in Schramberg-Innenstadt. Foto: Wegner

SPD: Ergun Cans Wahlkampf nicht genug honoriert. Freie Wähler von Ergebnis motiviert. FDP hofft auf neues Glück in vier Jahren.

Kreis Rottweil - Der erste Schock ist verdaut, die erste Freude hat sich gesetzt: Am Tag nach der Bundestagswahl versuchen die Parteien im Landkreis sich an einer Analyse des Ergebnisses.

Unerwartet hoch: Dieses Fazit zieht Rainer Hezel, Fraktionsvorsitzender der Christdemokraten im Kreistag, als er auf das Ergebnis der CDU bei der Bundestagswahl angesprochen wird. Er wertet die satten Zahlen als Erfolg für die Partei. Aber auch für Kanzlerin Angela Merkel. Sie sei eben Kanzlerin für Deutschland und nicht nur für die CDU. Sie genieße Vertrauen bei den Wählern, Vertrauen, das sie auch dank des Krisenmanagements in Europa erworben habe. Zur Rolle der AfD kann sich Hezel noch kein klares Bild machen. Beurteilen mag er nicht, ob sie lediglich eine Protestpartei sei wie die Piraten und keine lange Lebensdauer haben werde. Schwierig ist es für ihn auch, über das Wahlergebnis und den Absturz der Liberalen zu sprechen. Einfacher machen es ihm dafür die Grünen: "Ihre Art der Steuerpolitik im Wahlkampf mit Steuererhöhungen haben die Wähler abgelehnt." Man müsse endlich lernen, mit dem auszukommen, was man einnehme.

Die Liberalen haben dagegen wenig Grund, mit dem Finger auf andere zu zeigen, auch nicht auf die Grünen – sie sitzen in der nächsten Periode nicht mehr im Bundestag. Das findet der frühere Kreisvorsitzende Dieter Kleinmann "überaus betrüblich". Wahlversprechen von 2009, die sich nicht umsetzen ließen, die Krise in den Jahren 2009/10 und eine Wahlperiode mit "vielen Tagesproblemen" sieht Kleinmann als Ursache für das miserable Abschneiden seiner Partei. Schwacher Trost: In seinen früheren "Hochburgen" Sulz und Vöhringen kam die FDP auf jeweils 7,6 Prozent bei den Zweitstimmen. Damit ist er vergleichsweise zufrieden. Auch mit Kandidatin Mechthild Wolber ("Ich fand sie hervorragend").

Und Kleinmann blickt nach vorne: Er setze darauf, dass Wolber in vier Jahren, "wenn ein neues Spiel beginnt", wieder antritt. Und dann als Spitzenkandidatin auf der Vorschlagsliste Südbaden steht. Trotz allen Optimismus’: Den bisherigen FDP-Abgeordneten Ernst Burgbacher trifft das Wahlergebnis besonders hart. Er verlässt den Bundestag nach 15 Jahren freiwillig. Dass ihm seine Fraktion folgt hätte er nie erwartet.

Auch die Grüne Susanne Kieckbusch, die seit Januar im Parlament ist, muss gehen. Das war zu erwarten, dementsprechend sei die Stimmung im Hause Kieckbusch dennoch in Ordnung, sagt Uli Kieckbusch. Seine Frau freue sich über die Zahl der Erststimmen, die sie erhalten hat (7,5 Prozent im Kreis Rottweil). Gestern war die Balingerin bereits unterwegs nach Istanbul zu einer Tagung. Ende Oktober muss sie dann in Berlin ihre Koffer packen.

Hans-Gerd Hoffmann, Kandidat der Freien Wähler, ist ebenfalls zufrieden – weil er mit 1,4 Prozent der Erststimmen und 1,0 Prozent der Zweitstimmen im Landkreis eine Eins vor dem Komma vorweisen kann. Dennoch ist das Fazit des Glatters nicht nur positiv: "Wir haben unsere Themen nicht so rübergebracht, wie wir’s wollten." Allerdings bleibt Zeit, dies zu ändern – "auf jeden Fall machen wir weiter", erklärt er. Von dem Wahlergebnis sei er eher motiviert als bedrückt.

"Für mich und uns ist das Wahlergebnis etwas enttäuschend", gesteht dagegen ödp-Kandidat Bernd Richter (Schramberg). Der leichte Stimmenrückgang schmerzt ihn, zumal er und seine Fraktionskollegen im Stadt- und Kreisrat konsequente ökodemokratische Entscheidungen getroffen hätten. Er kenne aber "das Dilemma", dass oft mit einer "verschenkten Stimme" argumentiert werde und dann "das kleinere Übel" gewählt würde. Kritik übt Richter an der Fünf-Prozent-Hürde, die "vor allem den Großen ihre Stimme sichert". Bei einer niedriger angesetzten Grenze, Richter nannte zwei oder drei Prozent, werde der Wählerwille besser abgebildet, eine Gefahr, dass es dadurch zu Zuständen kommen könnte wie in der Weimarer Republik sieht er nicht.

"Ernüchternd" findet auch SPD-Kandidat Ergun Can den Blick auf das Ergebnis. Im Vergleich zur Wahl 2009 kann er "keine Bewegung" ausmachen. Dennoch ist er mit seinem Ergebnis nicht unzufrieden. Der Zuwachs sei allerdings gemessen am Aufwand im Wahlkampf "bescheiden". Neben der offensichtlichen Schwierigkeit seiner Partei, ihre Themen an den Wähler zu bringen, sieht Can auch strukturelle Probleme. "Die SPD muss sich wieder auf ihre Wurzeln besinnen. Sie ist im Land weder in den großen Städten noch auf dem Land fest verankert." Die Partei müsse sich neu organisieren und Personen nach außen bringen, die für diesen Wandel stünden. In den kommenden Jahren müsse die SPD ihre "Hausaufgaben machen" und beispielsweise wieder die Verbindung zu Betriebsräten und Gewerkschaften suchen.

"17,5 Prozent im Kreis: Das ist extrem schwach", zeigt sich SPD-Kreisvorsitzender Klaus Eisenhardt vom Abschneiden seiner Partei enttäuscht. Erwartet hatte er um die 20 Prozent. Ergun Can habe einen engagierten Wahlkampf, in Sulz auch mit Hausbesuchen, betrieben. Das hätte mehr honoriert werden können, findet Eisenhardt. Auch bundesweit hatte er mit einem Ergebnis von wenigstens 27 bis 28 Prozent für die SPD gerechnet. Der Wahlkampf sei nicht so gelaufen wie gewünscht. Auch wenn es, wahltaktisch gesehen, für die SPD besser gewesen wäre, wenn die AfD die Fünf-Prozent-Hürde überwunden hätte, ist Eisenhardt "gottfroh", dass es soweit nun doch nicht kam. "Es wäre für mich ein Horror, wenn es eine antieuropäische Partei in den Bundestag schaffen würde", sagt er. Im Übrigen glaubt Eisenhardt nicht daran, dass es eine rot-rot-grüne Regierungskoalition geben wird.

"Käme es nur auf Baden-Württemberg an, hätten wir es über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft", stellt Nikolaus Kinzler, AfD-Kandidat im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen, fest. Mehr als 15 Prozent der Wählerstimmen vereint die AfD in Talhausen auf sich. Damit überflügelt sie im Epfendorfer Teilort sogar die SPD, die hier auf etwas mehr als 14 Prozent kommt. Dieses Ergebnis findet er "sehr erfreulich". Die Idee, Arbeit und Anstrengung seiner Partei ginge nun weiter: "Wir haben nach wie vor ein Problem, das wir lösen wollen." Nächster Halt der AfD: die Europa-Wahlen. "Wir möchten unsere Überzeugung im Europa-Parlament vertreten."

Auch Edmond Jäger von den Linken ist mit dem Wahlergebnis nicht unzufrieden. Zwar seien die Zugewinne der großen Parteien auch zu Lasten der Linken gegangen – aber in deutlich geringerem Ausmaß als bei den anderen. Dass das für die FDP mit dem Ausscheiden aus dem Bundestag verbunden ist, findet Jäger gut. Das kategorische Ablehnen eines Mindestlohns sei damit vom Wähler abgestraft worden. Er erwartet, dass die Linken als dritte Kraft im Parlament nun Oppositionsführer werden.