Am Montag geht die Schule wieder los, doch etliche Lehrerstellen bleiben unbesetzt. Symbol-Foto: Wüstneck Foto: Schwarzwälder Bote

Schulen: Dutzende Stellen unbesetzt / Jungpädagogen unterrichten und leben lieber in Ballungszentren

Der Lehrermangel trifft vor allem den ländlichen Raum. Die Versorgung mit Grundschullehrern ist in den Kreisen Rottweil, Schwarzwald-Baar und Konstanz so mies wie fast nirgends im Land. Die Schulbehörden versuchen gegenzusteuern, räumen aber Defizite ein.

Kreis Rottweil. Die Pressemitteilung des Kultusministeriums, die in diesen Tagen herumgereicht wird, will eine positive Botschaft unters Schulvolk streuen: "Maßnahmenpaket gegen Lehrermangel zeigt Wirkung", lautet die Überschrift. Das ist ein Teil der Wahrheit. Der andere: Gerade in ländlichen Gebieten bleiben Defizite, vor allem in den Grundschulen.

Das geht aus der Grafik, die das Ministerium ebenfalls veröffentlicht, hervor. Die dunklen Flecken weisen auf "Einstellungsmöglichkeiten" in den einzelnen Kreisen hin. Der beschönigende Begriff meint: Hier sind nicht alle erforderlichen Stellen besetzt worden, es fehlt an Lehrern. Dunkel sind vor allem die Kreise Rottweil, Schwarzwald-Baar und Konstanz ausgemalt. Wie unsere Zeitung erfahren hat, mangelt es in den Grundschulen an pädagogischem Personal im höheren zweistelligen Bereich.

Genaue Zahlen werden nicht veröffentlicht. Die Schulbehörden tun sich schwer, über ein Problem zu sprechen, dass die Laune von Eltern und Schüler gleich zu Beginn des Schuljahrs auf einen Tiefpunkt bringen kann. Denn wo Lehrer fehlen, droht Unterricht auszufallen, droht die Qualität zu leiden. Die Schulen selbst sind ohnehin dazu verdonnert – auch das Beamtenrecht lässt dabei kräftig grüßen – ja keine Statements abzugeben.

Der stellvertretende Leiter des Staatlichen Schulamts in Donaueschingen, Markus Kreilinger, sagt im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, es sei keine einfache Situation, aber man bemühe sich um Lösungen. Ein Beispiel: Kleinere Klassen würden knapp über dem Klassenteiler zusammengelegt. Außerdem hoffe man, Gymnasiallehrern den Job an Grundschulen schmackhaft zu machen. Stuttgart hat dafür die Bedingungen nach eigenen Angaben attraktiver gestaltet.

Der Erfolg in der Region ist bescheiden. Gerade einmal sieben ausgebildete Gymnasialkräfte konnten dafür in den Kreisen Rottweil und Schwarzwald-Baar laut dem stellvertretenden Amtsleiter gewonnen werden.

Zu Beginn des Schuljahres scheint die Situation größtenteils in den Griff zu bekommen sein. Das große Problem sei jedoch, das gesamte Schuljahr zu meistern, so Kreilinger. Es fehle an einem Pool an Lehrern, die im Vertretungsfall (Krankheit, Schwangerschaft) einspringen. "Es ist alles andere als komfortabel", räumt Kreilinger ein.

Wie er sich erklärt, dass es Schulen gerade in ländlichen Gebieten so schwer haben, ausreichend Personal zu finden? Er führt das darauf zurück, dass viele Lehrer dahin zurückgehen wollten, wo sie studiert hätten. Also nach Freiburg. Dabei seien die Lebensverhältnisse im ländlichen Raum oftmals besser, betont Kreilinger, der eine Lanze für die Schulen in dem von ihm zu verantwortenden Bezirk bricht: "Die Lehrkräfte identifizieren sich sehr stark mit ihrer Schule, die Schulleitungen engagieren sich in hohem Maße."

Doch es ist, wie es ist: Lehrermangel im flachen Land ist offenbar ein Phänomen, das von einer hohen Komfort-Komponente beeinflusst wird. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ein beträchtliches strukturelles Defizit insbesondere im Grundschulbereich ist unbestritten. Ein gewichtiges Momentum bei der Stellenbesetzung spielen aber die Junglehrer, die sich gerade über ein Referendariat für den Lehrerberuf qualifiziert haben.

Kein einziger bleibt

Wenn von den 180 Neulehrern, die am Seminar in Rottweil vor Kurzem erfolgreich für den Grund- und Sekundarschulbereich (Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschule, GHWRGS) abschlossen, kein einziger bereit sei, in der Region eine unbefristete Stelle anzutreten, sei dies schon auch bezeichnend für die Einstellung neuer Lehrergenerationen, nimmt Andreas Scheuble, der Kreisvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), diesbezüglich kein Blatt vor den Mund.

Dass dem Eindruck von Rosinenpickerei beim Lehrernachwuchs mit einem immer größer werdenden weiblichen Anteil nur schwer widersprochen werden kann, ist auch bei den Schulkonferenzen am Ferienende nicht nur am Rande erwähnt worden. Der Hang zu größeren Städten ist heute sehr ausgeprägt. Wohl auch, weil dort für junge Familien die Infrastruktur – zum Beispiel in Sachen Kinderbetreuung – als besser erachtet wird.

Wohl dem Schulleiter, der sich über Lehrer-Zugänge aus dem Gymnasialbereich freuen kann. Willy Schmidt von der Konrad-Witz-Schule in Rottweil kann auf die Mitwirkung gleich mehrerer Gymnasiallehrer bauen, die an dieser Rottweiler Gemeinschaftsschule auch für den Grundschulbereich zur Verfügung stehen.

Gewiss eine gute Verstärkung. Deswegen sind aber auch Schulen, denen sich solche Anstellungsmöglichkeiten eröffnen, bei der Lehrerversorgung noch lange nicht im grünen Bereich anzusiedeln. An nahezu allen Schulen müssen Lücken auch mit sogenannten "Nichterfüllern" gestopft werden. Notfall-Personal, das im weiteren Sinn eine pädagogische Ausbildung hat, aber keine klassische Qualifikation für den Lehrerberuf.

Und dann gibt es da auch noch das schöne Wort von der Inklusion. Schüler mit Handicap möglichst integrativ zu beschulen ist eine Zielsetzung, zu der in der Politik viele hehre Worte gebraucht werden. Die Zahl der Sonderschulpädagogen, die diesen Weg – ob an einer Sonderschule oder durch besondere integrative Förderung an Regelschulen sei einmal dahingestellt – entscheidend mitbegleiten sollten, nimmt indes immer weiter ab.

Immerhin 92 Junglehrer waren es, die sich am gestrigen Freitag in Donaueschingen für ihren Einsatz in den Landkreisen Schwarzwald-Baar und Rottweil zu ihrer Vereidigung gratulieren lassen konnten. Wenn es dazu heißt, die Sekundarstufe 1 (fünfte bis zehnte Klassen) könne somit zu 100 Prozent versorgt werden, dann wird mit dieser Quote der Optimalfall ohne Krankheits- oder Schwangerschaftsausfälle beschrieben.

Das früher noch für Notfälle aktivierbare Personal muss nach Erkenntnis der GEW heute längst schon im Vorfeld in die auf Kante genähten Personalplanungen der Schulen mit einbezogen werden. "Das Pulver ist bereits verschossen. Wenn jemand krank wird, steht man blöd da", beschreibt Andreas Scheuble die Situation, die sich im Sonderschul- und Grundschulbereich noch erheblich prekärer zeige.