Luan Krasniqi, früherer Schwergewichtsboxer in Rottweil, muss womöglich vor das Landgericht. Foto: Weißbrod

Nach Schlägerei im Rottweiler Krankenhaus: Älterer Bruder von Ex-Profiboxer Luan Krasniqi verlangt eine Entschuldigung.

Rottweil - Der Streit in der Familie des Ex-Profiboxers Luan Krasniqi sollte längst beigelegt sein. Zumindest gerichtlich. Doch sein Bruder gibt keine Ruhe. Derwish Krasniqi macht weiter. Es geht um eine wilde Schlägerei in einem Krankenhaus. Und um die Ehre.

Luan Krasniqi, der frühere Schwergewichtsboxer aus Rottweil, ist was gewohnt. Er hat 35 Kämpfe geführt, 30 davon gewonnen, 14 durch K. o. Er hat große Fights geliefert, in einem WM-Kampf Wladimir Klitschko besiegt. Doch dieser Kampf ist ein anderer, er will einfach kein Ende nehmen. Luan Krasniqi muss vermutlich in eine weitere Runde einer Auseinandersetzung mit seinem Bruder Derwish gehen.

Dieser Bruder will einen im Juni vor Gericht gefundenen Vergleich nicht akzeptieren. Er kündigt den Gang vor das Landgericht an, nachdem er gestern von Richter Christian Kleimaier eine Abfuhr erhielt: Der Vergleich bleibt bestehen, sagt dieser – die Fehde aber geht weiter, sagt Krasniqi.

Derwish Krasniqi will Klarheit in einer Sache, die so einfach erscheint wie ein "Lucky Punch" gegen einen der Klitschko-Brüder. Der Anlass für die Auseinandersetzung vor Gericht ist ein handgreiflicher: eine Familien-Schlägerei in der Rottweiler Helios-Klinik am 6. Mai 2012. Doch die Fehde reicht weiter zurück, viele Jahre.

Die Krasniqis sind keine Familie von nebenan. Die Hochs und Tiefs sind extrem. Sie haben enorme Glanzzeiten erlebt. Das sind jene Jahre, in denen der jüngste Spross der kosovo-albanischen Familie, der im Mai 1971 geborene Luan, sich durch die Boxarenen kämpft. Er erklimmt Sprosse um Sprosse. Beinahe schafft er es auf den Boxolymp. Die Gelegenheit dafür ergibt sich im September 2005. Luan greift nach dem WM-Gürtel. Doch er muss den Kampf gegen WBO-Titelverteidiger Lamon Brewster in der neunten Runde durch Technischen K. o. aufgeben.

Es ist ein schmutziger Kampf, dessen Ursprung weit in die Vergangenheit reicht

Diesen, den vielleicht wichtigsten Fight seiner Karriere, verliert er. Doch er gewinnt viele Sympathien. Jetzt muss er einen viel schmutzigeren Kampf führen. Und läuft Gefahr, dabei Sympathien zu verspielen.

Es ist der düstere Teil der Familiengeschichte. Sie reicht 25 Jahre und länger zurück. Die Gründe für die Fehde liegen im Dunkeln. In dem Termin vor dem Amtsgericht im Juni spricht der Ex-Boxer lediglich von "gewissen Vorfällen" und "Erpressung", andere wiederum vermuten, es gehe um Geld und Immobilien – und ja, auch um die Ehre.

Die jahrelangen Anspannungen innerhalb des Boxerclans entladen sich im Mai vergangenen Jahres in dem Rottweiler Krankenhaus. Dort kommt nach und nach die Familie zusammen. Es treffen Angehörige aufeinander, die sich seit Jahren nicht mehr gesehen und sich weiterhin nichts zu sagen haben.

Der Grund für die zufällige Runde: Luans Mutter ist operiert worden. Sie war gestürzt. Die Umstände, die zu diesem Sturz geführt haben, bleiben im Vagen, worüber es zum Streit kommt. Gegenseitige Vorwürfe gipfeln in Provokationen, ein Wort ergibt das andere, plötzlich fliegt eine Sprudelflasche durch die Luft und geht zu Bruch. Die Auseinandersetzung endet in einer wilden Keilerei und landet Monate später vor Gericht.

In der zivilrechtlichen Auseinandersetzung im Juni sieht sich Luan Krasniqi zusammen mit seinem Bruder Agim auf der Beklagtenseite. Auf der Seite der Ankläger: Luans Bruder Derwish und dessen Sohn Kushtrim. Es geht um die Frage: Wer hat wann zugeschlagen? Derwish Krasniqi ließ die Angelegenheit auch schon strafrechtlich prüfen. Doch die Staatsanwaltschaft betrachtete den Disput als Privatangelegenheit.

Richter Kleimaier kann kein Licht ins Dunkel bringen. Die Kontrahenten widersprechen sich gegenseitig, Luan bestreitet, überhaupt Schläge ausgeteilt zu haben. Er will sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht, der Auseinandersetzung von Weitem zugesehen haben. Er belegt die Gegenseite seinerseits mit Vorwürfen, schimpft, man wolle ihn blamieren, seinen Ruf ruinieren. So geht es hin und her. Unerwartet kommt es zu einer Einigung, einem Vergleich: Die Beschuldigten zahlen ein Schmerzensgeld in Höhe von 1000 und 1500 Euro. Die Streihansel einigen sich auch, die gegenseitigen Vorwürfe fallen zu lassen. Die Sache scheint erledigt.

Das hat sie sich nicht für Derwish Krasniqi, Luans älterer Bruder. Von einem Vergleich will er nichts wissen. Er sei der deutschen Sprache nicht mächtig und habe nicht verstanden, was der Richter von ihm gewollt habe. Mit dieser Sichtweise scheitert er gestern bei Gericht. Luan Krasniqi ist gleich gar nicht erschienen.

Doch der Bruder macht weiter. Dieser will beim Landgericht Berufung einlegen. Er will wissen, wer ihn damals im Krankenhaus geschlagen hat. "Er soll ›Entschuldigung‹ sagen, und dann ist gut." Derwish geht es nicht ums Geld, ihm geht es um die Ehre.