Der Kreisseniorenrat setzt sich für eine Stärkung des Gesundheitswesens ein.Foto: © LIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com Foto: Schwarzwälder Bote

Corona-Krise: Abkehr vom Gedanken der Wirtschaftlichkeit / Projektgruppe gegründet

Kreis Rottweil. Der Kreisseniorenrat Rottweil hat den Restart-Knopf gedrückt. Nach monatelanger, dem Coronavirus geschuldeten Ruhepause steht für den Vorstand fest, dass die Arbeit des Kreisseniorenrats, ja der Seniorenräte insgesamt, noch an Bedeutung gewonnen hat und die Aufgaben aufgrund der bei der Pandemie gemachten Erkenntnisse größer und mehr geworden sind.

Der Kreisseniorenrat Rottweil hat daher die Projektgruppe Coronavirus installiert, die den Verlauf der Pandemie im Kreis Rottweil analysieren und die entsprechende Schlussfolgerungen für die Tätigkeit von Vorstand und Ausschuss ziehen soll.

So habe Corona deutlich gemacht, wie berechtigt die vom Kreisseniorenrat seit Jahren erhobene Forderungen seien, die Pflegekräfte in den Krankenhäusern, der Altenpflege sowie der ambulanten Pflege finanziell besser zu stellen, deren Arbeit höher wertzuschätzen und die oft an die oder gar über die Grenzen der Belastbarkeit gehenden Arbeitsbedingungen in diesem systemrelevanten Bereich zu verbessern.

Für den Vorsitzenden Matthias Kohlhase ist es jetzt geboten, Perspektiven für die Arbeit des Kreisseniorenrats in den nächsten Monaten zu entwerfen. Als eine erste konkrete Aufgabe wurde vorgeschlagen, als Vertreter der Senioren im Kreis beim Landratsamt und beim Gesundheitsamt darauf zu pochen, dass in den Alten- und Pflegeheimen, in den Krankenhäusern sowie bei den ambulanten Pflegediensten kontinuierlich und in relativ kurzen Abständen die Mitarbeiter wie die Bewohner und Patienten auf das Coronavirus getestet würden.

Dieter Gaus, als stellvertretender Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands Vertreter der Liga der freien Wohlfahrtspflege im Vorstand, gab zu bedenken, dass 80 Prozent der ehrenamtlichen Helfer in der Seniorenarbeit über 60 Jahre alt seien und damit zur Risikogruppe gehörten. Wie schnell das Coronavirus eine Organisation wie das DRK erheblich in seiner Leistungsfähigkeit einschränken könne, zeigte Gaus mit dem Hinweis auf, dass von elf Mitarbeitern der Leitstelle fünf an Covid-19 erkrankt gewesen seien. Er wünschte sich in Bezug auf die Änderungen der Coronaverordnungen mehr Vorlaufzeit.

Ähnlich sah es Helene Eyth, stellvertretende Vorsitzende und Pflegedienstleiterin der Sozialstation Sulz. Aus Sicht der Vorstandsmitglieder haben die in der Coronakrise gemachten Erfahrungen eines sehr deutlich gezeigt: Es führe in die falsche Richtung, wenn die Gesundheitsvorsorge, ja das gesamte Gesundheitswesen, ausschließlich unter das Postulat der Wirtschaftlichkeit gestellt werde. Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sei eine Aufgabe des Staates und dürfe nicht kaputt gespart werden. Wozu das führe, hätten die zum Teil verheerenden Auswirkungen der Pandemie unter anderem in Großbritannien, Italien, Spanien und den USA gezeigt.

So fragten sich die Kreisseniorenräte, was passiert wäre, wenn die 2019 veröffentlichten Studie der Bertelsmannstiftung zur Entwicklung der Krankenhauslandschaft bereits umgesetzt wäre. Sie fordert eine Halbierung der Krankenhausbetten und eine Reduzierung der Krankenhäuser in Deutschland von 1400 auf weniger als 600 Häuser. Kritisch betrachtet wurde auch der zunehmende Dokumentationswahn, der den in den Krankenhäusern, Praxen sowie stationären und ambulanten Pflegeinstitutionen Beschäftigten viel Zeit koste und damit Kapazitäten auffresse, die sonst den Patienten zugute kommen könnten. Es dürfe nicht sein, dass das Pflegepersonal mit der Stoppuhr in der Hand ihre Patienten versorgen müssten.

Ein Umdenken erwarten die Kreisseniorenräte auch in Bezug auf die Produktion und Bevorratung von Medikamenten und Schutzkleidung: "Wir dürfen uns in dieser Hinsicht nicht von ausländischen Lieferungen abhängig machen." Kohlhase fasste die Forderungen des Kreisseniorenrats Rottweil in zwei Punkten zusammen: erstens nach einer entscheidenden und vor allem schnellen, neuen Ausrichtung der finanziellen Entlohnung der Pflegeberufe und insbesondere deren Wertschätzung; zweitens nach einem Umdenken der bisher gewinnorientierten Ausrichtung von gesundheitsrelevanten Einrichtungen.

Zur Mitarbeit in der Projektgruppe "Das Coronavirus und die Folgen" haben sich Matthias Kohlhase, Dieter Gaus und Pressewart Peter Wolf bereit erklärt. Weitere interessierte Ausschussmitglieder können sich bei der Geschäftsführerin Regina Steimer melden. Die aufgrund der Coronaregeln ausgefallene Mitgliederversammlung soll am 20. Oktober im Landratsamt nachgeholt werden.