In einer "Dekontaminations-Station" werden die Feuerwehrleute "gereinigt", um nicht in Kontakt mit der gefährlichen Chromsäure zu kommen. Foto: Reutter Foto: Schwarzwälder-Bote

Großeinsatz der Feuerwehr bei Galvanikbetrieb in Schwenningen / Chromsäure-Lösung bedroht Deißlinger Kläranlage massiv

Von Winfried Scheidel und Markus Reutter

Villingen-Schwenningen. Hochgefährliche Chromsäure ist gestern Vormittag aus dem Behälter eines Galvanikbetriebs in der Schwenninger Grabenäckerstraße ausgelaufen. In der Deißlinger Kläranlage drohte deshalb ein "Supergau", wie beim Rottweiler Umweltschutzamt betont wurde.

Laut Werner Leibold von der nach dem Unfall sofort eingeschalteten Behörde lag der der Kläranlage gestern Abend durch Abwasser aus Schwenningen zugehende Wert an besonders giftigem Chrom-6 mit zwei Milligramm pro Liter noch um das 20-fache über dem als zulässig geltenden Grenzwert. Am Vormittag waren laut Leibold sogar Werte von bis zu sechs Milligramm gemessen worden.

So galt gestern in der Deißlinger Kläranlage Alarmstufe Rot. Am frühen Abend hegte man die Hoffnung, dass die zu diesem Zeitpunkt längst stillgelegte Kläranlage alle noch zufließenden Abwässer aunehmen kann, ohne überzulaufen. Um den Zulauf gering zu halten, waren lange davor bereits die Regenüberlaufbecken für den Abwasserrückhalt zwischengeschaltet worden.

Beim Wettlauf mit der Zeit hoffte die Mannschaft in der Deißlinger Kläranlage auf einen baldigen Transport von Fällmittel aus Heilbronn, mit dem sich Brom-6 in weniger gefährliches Brom-3 umwandeln lässt. Mit dieser Maßnahme könne man den für diese Substanz geltenden Grenzwert von einem Milligramm je Liter vielleicht erreichen, gab sich Leibold zuversichtlich.

Sollte allerdings über Nacht wegen eines Überlaufs des Klärwerks Brom-6 in den Neckar gelangt sein, wäre laut der Experten mit massiven Schäden für das Gewässer zu rechnen. Ein weiteres Fischsterben sei dann nicht zu verhindern.

50 Rettungskräfte der Schwenninger Feuerwehr und des Gefahrengutzugs Schwarzwald-Baar waren gestern im Einsatz. Bei Chromsäure handle es sich um einen Schadstoff "ohne Ende", meint der Feuerwehr-Fachberater Chemie, Klaus Lachner. Die Substanz sei krebserregend und in entsprechender Menge tödlich.

Mit der nötigen Vorsicht, in farbige Schutzanzüge und Handschuhe gekleidet und mit Atemschutz ausgestattet, näherten sich die Feuerwehrleute der ausgelaufenen Flüssigkeit, banden die ausgelaufene Lösung auf den asphaltierten Flächen ab und pumpten das vergiftete Wasser ab.

Zu dem Unfall war es kurz vor 9 Uhr gekommen. Ein Gabelstaplerfahrer wollte einen Behälter mit 1000 Kilo Chromsäure-Lösung vom Firmengelände auf die gegenüberliegende Straßenseite transportieren, wo das Fass dann von einem Entsorgungsunternehmen abgeholt werden sollte. Doch bei der Fahrt über den Bordstein fiel der Behälter auf den Boden, der Deckel sprang auf, und rund 700 Kilo Flüssigkeit liefen auf die Straße und ein Teil davon auch in die Kanalisation. Von einer Gefahr für Anlieger oder Bevölkerung sei aber nicht auszugehen, ergänzt Lachner, weil der krebserregende Stoff sich nicht in die Luft verflüchtige.

Das Geschehen wirkte spektakulär, hatte die Feuerwehr doch vor einem benachbarten Firmengelände eine "Dekontaminationsstation" errichtet. Dort wurden die Feuerwehrleute nach ihrem Einsatz "gereinigt", sprich die Schutzanzüge abgespritzt.

In der ausgelaufenen Lösung befanden sich rund zwölf Kilo Chromsäure, erklärte Lachner. Wie viel davon tatsächlich in die Kanalisation gelangte, sei unklar.

Bei dem gestrigen Unfall mit ausgelaufener Chromsäure bei einem Schwenninger Galvanikbetrieb kam laut Polizei-Pressesprecher Harry Hurtz zunächst niemand zu Schaden. Das lässt sich angesichts der Gefährlichkeit der Substanz von Glück sagen. Laut Wikipedia sind Chromverbindungen "äußerst giftig" und seit langem als krebserregend bekannt. Die letale Dosis entspreche einem halben Teelöffel.