Pure Freude: Elias besucht die integrative Kindergartengruppe in Rottweil-Bühlingen. Seine Mutter Olga wird bei der Podiumsdiskussion am 18. Oktober in Rottweil von ihren Erfahrungen berichten. Fotos: Otto Foto: Schwarzwälder Bote

Entwicklung: Miguel und Elias profitieren von den Förderangeboten der ÖKJ im Landkreis / "Keine falsche Scheu haben"

Miguel lässt scheinbar gedankenversunken die weißen Bohnen in der Plastikbox durch die Finger rieseln. Immer wieder. Seine Miene regt sich kaum, er spricht nicht. Draußen vor dem Therapieraum warten die Eltern des Zweieinhalbjährigen. Sie sind froh, dass sie bei der Ökumenischen Kinder- und Jugendförderung Hilfe erhalten.

Kreis Rottweil. "Wir haben schon früh gemerkt, dass etwas nicht stimmt", sagt Miguels Mutter Isabell. Der Kleine war als Säugling schwer krank, zunächst wurde seine Entwicklungsverzögerung damit begründet. Doch es zeigte sich, dass die Probleme tiefer gehen. Miguel hat autistische Züge, eine Kontaktaufnahme mit ihm ist schwierig. Er hat Angst, fremde Materialien anzufassen, ist sehr vorsichtig.

Tipps für Zuhause

Wie jede Woche hilft Ergotherapeutin Romy Müller ihm an diesem Vormittag spielerisch, sich an Neues heranzuwagen, sich selbst und andere wahrzunehmen. Immer wieder bietet sie ihm Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten an. Miguel erklimmt vorsichtig eine blaue Rollenrutsche, lässt sich Stück für Stück hinuntergleiten. "Das ist gut für das Wahrnehmungssystem, da spürt er den ganzen Körper", so die Therapeutin. Auch Logopädie steht auf Miguels Wochenplan, zusätzlich erhält er Heilpädagogische Frühförderung bei sich zu Hause in Sulz. Diese Termine sind auch für die Eltern wichtig, wie seine Mutter Isabell betont. "Die Therapeutin gibt uns Tipps, wie wir ihn daheim fördern oder mit bestimmten Situationen umgehen können. Oft weiß man einfach nicht weiter."

Sie freut sich über jeden Erfolg des Kleinen und rät Eltern, die an ihrem Kind Auffälligkeiten bemerken oder den Rat bekommen, Fördermaßnahmen zu ergreifen, dies auch zu tun und keine falsche Scheu zu haben. "Es ist eben nicht jedes Kind perfekt." Sie hat seinerzeit von der Physiotherapeutin den Rat erhalten, sich mit Miguel an die Ökumenische Kinder- und Jugendförderung (ÖKJ) zu wenden, die zuständig für den ganzen Kreis Rottweil ist (wir berichteten). Das habe der Familie vieles erleichtert, weil alle Therapieangebote gebündelt werden können.

Jetzt wünschen sich die Eltern, dass Miguel irgendwann einen Kindergartenplatz erhält. Bislang habe das leider nicht geklappt.

Neuer Standort geplant

Geschäftsführer August Unterreitmeier hofft, dass die Ökumenische Kinder- und Jugendförderung bald auch für den Raum Dornhan/Sulz eine integrative Kindergartengruppe anbieten kann. Die Planungen laufen seit längerem, jetzt hängt es noch an der Genehmigung. Gruppen in Oberndorf, Zimmern, Schramberg und Bühlingen – wo einst der Förderkindergarten Schmetterling von der ÖKJ gegründet wurde – gibt es bereits. Und sie werden rege genutzt.

Elias Ewert, der im November sechs Jahre alt wird, steckt mittendrin im Getümmel und springt mit anderen Kindern juchzend durchs Bällebad. Für ihn und seine Familie aus Bühlingen ist die integrative Kindergartengruppe direkt vor Ort ein Segen. Der Fünfjährige hat das Down-Syndrom, seine Eltern wurden bei der Geburt von dieser Diagnose völlig überrascht. "Die Ökumenische Kinder- und Jugendförderung hat sehr schnell Kontakt mit uns aufgenommen und uns regelrecht aufgefangen", berichtet Elias’ Mutter Olga. Regelmäßig finden mit den ÖKJ-Therapeuten und den Erzieherinnen, die wertvolles Feedback geben können, gemeinsame Gespräche statt. "Da besprechen wir, wie der Stand bei Elias ist, was die nächsten Ziele sein können", so Olga Ewert.

Elias profitiert enorm

Generell profitiere ihr Sohn enorm vom Spiel in der Gruppe mit den "normalen" anderen Kindern. "Er sieht, was sie machen und strebt danach, mitzuziehen." Elias besuchte zunächst die Regelkrippengruppe, seit er zwei Jahre alt ist die integrative Gruppe im Kindergarten St. Silvester. Er ist ein Bühlinger Kind wie alle anderen – und erklärt seiner Mutter während des Gesprächs gestenreich, dass er jetzt endlich raus in den Garten zu seinen Kameraden will. Für ein Foto hat er aber noch Zeit und strahlt fröhlich in die Kamera. "Wir haben Riesenglück, dass es die Gruppe hier gibt", so seine Mutter.

Podiumsdiskussion

Olga Ewert wird am Donnerstag, 18. Oktober, als Teilnehmerin mit dabei sein und über ihre Erfahrungen berichten, wenn die Ökumenische Kinder- und Jugendförderung zur Podiumsdiskussion ins evangelische Gemeindehaus in der Johanniterstraße in Rottweil einlädt. Ab 17 Uhr geht es mit mehreren Gesprächspartnern um das Thema "Inklusion und Frühförderung – Erfahrungen aus der Praxis". Im Anschluss besteht bei Getränken und Snacks die Möglichkeit zum Austausch. Alle Interessierten sind eingeladen.

Weitere Informationen: Anmeldung und weitere Infos unter info@oekj.de oder Telefon 0741/9 42 55 60.