Leere Taschen bei der Stadt Rottweil. Symbolbild. Foto: dpa

Noch zwei, drei fette Jahre sind drin, dann sind die Rücklagen aufgebraucht – und dann? Trotz Rekord-Überschuss bei Einnahmen.

Rottweil - Zum Jahreswechsel sollten die Sektkorken knallen. Manches Mal wird aber auch Selters statt Sekt ausgeschenkt. Vor allem wenn man sich den städtischen Haushalt ansieht. 2016 mag er noch in Ordnung sein. Doch danach? Wie prickelnd wird es dann?

Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Oder: Der Igel tanzt so lange ausgelassen mit dem Luftballon, bis dieser platzt. Herrje. Man könnte eine halbe Ewigkeit solche Redensarten bemühen und auf den städtischen Haushalt münzen. Oder den Etat mit dem Sparstrumpf vergleichen, wie es Oberbürgermeister Ralf Broß in seiner Haushaltsrede vor zwei Wochen im Gemeinderat getan hat. Egal wie. Die Botschaft jedenfalls ist: Alles hat ein Ende (nein, das mit der Wurst lassen wir jetzt schön bleiben).

Im Ernst: Wer einigermaßen die Grundrechenarten beherrscht (Minus, Plus, Teilen und Malnehmen), erkennt, dass der Haushalt der Stadt Rottweil in den kommenden Jahren immer mehr in die Bredouille kommen wird angesichts der zu erwartenden Einnahmen und der ins Auge gefassten Ausgaben. Ein zweiter Blick auf die OB-Rede lohnt sich.

Die Rechnung ist einfach: Die Stadt erwirtschaftet trotz eines geplanten Rekord-Überschusses bei den Einnahmen von rund 28,5 Millionen Euro zu wenig Geld, um damit allein die Investitionen zu stemmen. Diese betragen 2016 rund zehn Millionen Euro. Große Sprünge seien unter diesen Voraussetzungen nur möglich, sagte OB Broß, wenn man auf den Sparstrumpf zurückgreife. Es ist ein ziemlich dicker Strumpf. Immerhin beinhaltet er rund 18 Millionen Euro.

Für das kommende Jahr müssen daraus sechs Millionen Euro für folgende Projekte herausgenommen werden: Wohnraum, Soziale Stadt, Flüchtlinge, neue Feuerwache, Sanierung von Schulen, Straßenunterhalt. Verbleiben zwölf Millionen in der Socke.

Demgegenüber sind weitere anspruchsvolle Projekte in der mittelfristigen Finanzplanung der Jahre 2017 bis 2019 vorgesehen. Das sind im Einzelnen (eine Auswahl):  Weitere Rate für den Neubau des Feuerwehrgerätehauses von 2,71 Millionen Euro  Sanierung der Eichendorff-Schule: 2,55 Millionen Euro  Sanierung Droste-Hülshoff-Gymnasium: 2 Millionen Euro  Sanierung Achertschule: 1,5 Millionen Euro  Neubau Mehrzweckhalle Göllsdorf: 3,13 Millionen Euro  Programm Soziale Stadt: 500 000 Euro  Sanierungsgebiet Innenstadt: 2,1 Millionen Euro  Parkierungsprojekte: 3,4 Millionen Euro  Hochwasserschutz: 1 Million Euro  Straßenbau und Infrastruktur: 5 Millionen Euro  Erschließung von Baugebieten: 4,4 Millionen Euro

Allein diese vom Oberbürgermeister genannten Projekte würden rund 30 Millionen Euro kosten. Mit weiteren Vorhaben sind es insgesamt 47 Millionen Euro. Hinzu kommen Überlegungen, ob man aus dem Stallberg, der als Standort für ein neues Gefängnis nicht mehr benötigt wird, einen Gewerbestandort macht.

Oder solche Fragen: Ist die Erweiterung des Gewerbe- und Industriegebiets rund um den Testturm von Thyssen-Krupp auf dem Berner Feld notwendig, damit sich dort weitere Firmen ansiedeln können? Was passiert mit dem Spital? Wird daraus ein Hotel? Und will sich die Stadt ein Grünprojekt leisten?

Fragen, die sich stellen, und auf die Stadtverwaltung und Gemeinderat Antworten finden müssen, vor allem darauf, wie diese Projekte finanziert werden sollen. Denn im Jahr 2018 ist der Sparstrumpf leer. Die bislang schuldenfreie Stadt hat dann das Finanzpolster, das aus dem Verkauf von städtischen EnBW-Aktien stammt, aufgebraucht. Dann müssten Kredite aufgenommen, neue Schulden gemacht werden. Von 10,4 Millionen Euro ist die Rede. Ob man das aber tatsächlich will?

Kommentar: Nicht abwarten

Von Armin Schulz

Die Luft wird dünner. Durch die vielen Projekte, die Rottweil plant, werden die Rücklagen in zwei Jahren aufgebraucht sein. Und dann? Einnahmen erhöhen und Ausgaben senken, ist die Devise. Das ist jedem klar – Oberbürgermeister Ralf Broß, Stadtverwaltung und Gemeinderat.

Die Frage ist, wann mit der General-Debatte begonnen wird. Wann die Verantwortlichen Einschnitte und Weichenstellungen vornehmen, die dem einen oder anderen Bürger oder Firmenchef wehtun werden.

Wann werden Gemeinderat und Verwaltung nicht mehr nur hinter verschlossenen Türen (bei Klausurtagungen) verhandeln, was sich diese Stadt leisten kann und will und wie die Zukunft aussieht, sondern öffentlich, am besten zusammen mit den Bürgern? Hier bis auf die Zeit nach der OB-Wahl 2017 zu warten, wäre zu spät. Die große Debatte muss jetzt geführt werden.