Der Bagger ist in der Gartenstraße bereits bei der Arbeit. Foto: Alt

Stadtverwaltung bittet für die Erschließung von 120 Meter langen Sträßchens ordentlich zur Kasse.

Rottweil-Feckenhausen. Bei Anliegern der Gartenstraße liegen die Nerven blank. Die Stadtverwaltung bittet sie für die Erschließung eines 120 Meter langen Sträßchens ordentlich zur Kasse. Und für manchen geht es dabei um nichts weniger als die Existenz.

"Wir haben nichts von der Straße, außer dass wir den Gehweg im Winter räumen müssen. Und trotzdem sollen wir Kosten übernehmen, die einen in den Bankrott treiben können." Markus Geiger ist sauer, spricht gar von Raubrittertum. Er und vier weitere Anlieger sind am Donnerstagabend zusammengekommen, um ihren Unmut über das zu äußern, was die Stadtverwaltung offenbar auch mit Druck durchsetzen möchte: die Erschließung eines 120 Meter langen Teilstücks der Gartenstraße, an die die Anlieger mit ihren Gärten angrenzen. Die Kosten hierfür belaufen sich - je nach Grundstück - für die Anlieger zwischen 15.000 und 90.000 Euro. Was die Anwohner besonders ärgert: Laut Stadtverwaltung sei das Teilstück bei der Erschließung des Neubaugebiets Hirschäcker II vor fast 20 Jahren schlicht vergessen worden. Jetzt, wo dort weitere acht Baugrundstücke entstehen sollen, kommt der Fehler auf den Tisch - ein Versäumnis, für das die Anlieger nun zur Kasse gebeten werden.

"Wir haben alle unsere Erschließungsgebühren bezahlt", sagt Robert Rottweiler. Er wohnt in der Engelhalde und ist nur deshalb von den Erschließungskosten betroffen, weil der geplante Gehweg in der Gartenstraße auf der Höhe seines Gartens endet. Und dabei misst die Stadt offenbar mit zweierlei Maß. Das ehemalige Bankgebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite - laut Geiger im Besitz der Stadt - wird nämlich nicht in die städtische Rechnung mitaufgenommen. "Dann wäre es für uns alle billiger", erklärt Rottweiler, der sich bereits mit einem mehrseitigen Brief an die Stadt gewandt hat.

Sein Nachbar Philipp Schäfer ist, genauso wie Markus Geiger und Werner Pieck, in der vollen Grundstückslänge betroffen - und das, obwohl alle drei Häuser über die Hirschäckerstraße angefahren werden. Für die Zufahrten der Häuser Geiger und Pieck wurde seinerzeit sogar ein eigenes Zufahrtssträßchen gebaut. "Wir durften unsere Grundstücke ja gar nicht über die Gartenstraße anfahren. Und jetzt sollen wir dafür zahlen. Das wäre dann das dritte Mal", ärgert sich Geiger.

Die Zeit spielt gegen die Anwohner

Werner Pieck ist mit über 80 Jahren der älteste Anlieger. Er weiß nicht, wie er die hohen Kosten schultern soll, zumal er wegen der Bauarbeiten die stattliche Hecke, die ein Stück in die Gartenstraße hineingewachsen ist, entfernen lassen muss. "Wie soll der Mann das machen? Da muss er auch noch eine Firma kommen lassen, die das macht, und das auch noch bezahlen", sagt Geiger. "Die Stadt beruft sich auf eine Nacherschließung. Dabei ist das doch eigentlich nur ein Straßenausbau", meint Pieck kopfschüttelnd.

Besonders hart trifft es Reiner Schwaibold. Er hat ein Haus an der Ecke Hirschäcker-/Gartenstraße und hat vor einiger Zeit ein bestehendes Grundstück vis-à-vis in der Gartenstraße gekauft. Das Haus gehörte einem hochrangigen Beamten, wie Schwaibold erklärt. Und dieser habe sich mit Erfolg gegen den weiteren Ausbau des Teilstücks der Gartenstraße gewehrt und auch für den Bau seines Hauses damals keine Erschließungsgebühr bezahlt. "Er hat schon damals verhindert, dass wir unsere Grundstücke von der Gartenstraße her anfahren dürfen", erklärt Geiger. Auf Schwaibold kommen mit seinen drei Grundstücken nun zusätzliche Kosten von rund 90.000 Euro zu. "Ich bezahle anteilig zweimal 100 Prozent und einmal 50 Prozent", betont er. Dafür habe er, wie alle anderen, vier Wochen Zeit.

Die Zeit spielt gegen die Anwohner. Die Bagger ist bereits am Montag angerückt und hat die alte Fahrbahndecke entfernt. Die Gespräche mit der zuständigen Abteilung des Bauamts laufen indes seit April. Und die sieht den Trumpf in ihrer Hand. "Man hat uns einen Vorschlag unterbreitet, den wir eher als Erpressung verstehen", erklärt Geiger. Die fünf Anlieger hätten einen Vertrag unterschreiben sollen, in dem unter anderem die Kosten für die Erschließung festgelegt worden wäre. Jeder hätte seinen Anteil bezahlt, ganz gleich, ob die Erschließung letztlich teurer oder günstiger gekommen wäre. "Wir hätten also nicht einmal etwas zurückbekommen", sagt Rottweiler. Wer den Vertrag nicht unterschrieben hätte, der hätte - wenn die tatsächlichen Kosten jene im Vertrag fixierten übersteigen - die Differenz tragen müssen.

Anwohner zweifeln an Version der Stadt

Ob die Stadt mit ihrer Forderung rechtmäßig handelt, das versuchen die Anlieger derzeit zu prüfen. Pieck etwa hat sich bereits mit dem Innenministerium in Verbindung gesetzt. Und das bekräftigt dessen Vermutung. Im Wortlaut heißt es in der Antwort: "Straßenbaubeträge, die von den Kommunen von Grundstückseigentümern für die Erneuerung und Verbesserung bestehender Straße in kommunaler Baulast einmalig oder wiederkehrend erhoben werden, hat es in Baden-Württemberg nie gegeben." Unterhalt und Ausbau von Gemeinde- und Kreisstraßen seien von der Kommune als Straßenbaulastträger aus dem Haushalt zu finanzieren. Dafür erhielten sie jährlich Zuwendungen aus dem kommunalen Finanzausgleich. Dennoch sei die Stadt der Ansprechpartner: Kommunen entscheiden eigenverantwortlich über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen.

Die Geschichte mit den vergessenen 120 Metern bleibt für die Anwohner fadenscheinig. "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man diesen Straßenabschnitt einfach vergessen hat", zweifelt Rottweiler an der Version der Stadt. Die Planungen seien derart detailliert, selbst das Material des Begrenzungssteins festgelegt gewesen, da würden doch nicht einfach 120 Meter übersehen. Seine Bitte, dass die Stadt für ihr Versäumnis auch die finanzielle Verantwortung übernimmt, verlief bislang im Sand. Geschlagen geben wollen sich die Anwohner deswegen aber noch lange nicht. Die Antwort der Stadtverwaltung werden wir in einer der kommenden Ausgaben nachliefern.