Vier Pfähle, eingefasst mit einem weiß-goldenen Band mit Herzen und drei Blumentöpfe sind an der Gedenkstelle für Viktor zwischen Hirschau und Wurmlingen zu sehen. Foto: Lück Foto: Schwarzwälder Bote

Prozess: Mahir K. hat vor Todesfahrt im Club getrunken / Auch Unfallopfer Viktor G. hatte Alkohol im Blut

Die Gedenkstätte kurz hinter dem Ortsausgang Hirschau ist zum dritten Prozesstag erneuert: Vier Pfähle, eingefasst mit einem weiß-goldenen Band mit Herzen. Hier starb Viktor G. (18) – totgefahren von Mahir K. (24) mit einem BWM 320 d.

Rottenburg-Wurmlingen/Tübingen/Sulz. Am dritten Prozesstag um diesen tragischen Moment am 28. April vergangenen Jahres geht es um die Frage: Lebte Viktor noch, als Mahir nach dem Zusammenprall einfach weiterfuhr?

Am ersten und zweiten Prozesstage standen hier – gut 75 Meter hinter dem Ortsausgangsschild Hirschau Richtung Wurmlingen – eine Metallsonne und ein paar Sträucher. Doch nachdem Viktors Freundin Kathrin G. ausgesagt hatte, ist diese Gedenkstätte jetzt mit drei Blumentöpfen frisch geschmückt.

Die spannende Frage am dritten Prozesstag: Wie viel Substanz hat die Anklage wegen versuchten Mordes gegen Fahrer Mahir? Der Vorsitzende Richter Ulrich Polachowski hatte bei Prozessauftakt erläutert: "Wäre Viktor unmittelbar nach dem Unfall noch zu retten gewesen, dann hätte der Vorwurf auf Mord gelautet!" (wir berichteten).

Laut Iris Schimmel, Gutachterin der Gerichtsmedizin, spricht "einiges dafür, dass das Unfallopfer noch eine Weile nach dem Zusammenstoß überlebt hat." Dies könnte die Anklage wegen versuchten Mordes stützen. Fakt ist, so die Gutachterin: Die Untersuchungen haben ergeben, dass das Opfer wohl gegangen oder gelaufen ist, als ihn der BMW gerammt hatte.

Mahir und sein Beifahrer Bert B. (21) waren nach dem Zusammenstoß damals einfach weitergefahren – heim in den Raum Sulz. Bert will während des Unfalls auf das Handy geschaut haben. Mahir soll seinem Schwager gesagt haben, sie wussten nicht, ob sie ein Tier überfahren haben. Der Schwager fuhr beide sofort zurück, Bert rief dann den Notruf (wir berichteten).

Im Blut des Unfallopfers wurde 2,11 Promille Alkohol gemessen. Wie hoch dieser Alkoholwert zum Unfallzeitpunkt war, konnte Gutachterin Schimmel nicht sagen.

Mahirs Verteidiger Hans Christoph Geprägs will wissen, wie dieser Alkoholpegel mit der Schilderung von Viktors Freundin von ihrer Geburtstagsparty übereinstimmt. Kathrin G. (19) hatte berichtet, dass Viktor gegen 2 Uhr auf ihrer Party aufgetaucht ist: "Er hat nicht viel vertragen. Viktor wusste, wo seine Grenzen sind. Wenn er gemerkt hat, es reicht, hat er aufgehört zu trinken. Viktor kam mir, als er die Party verließ, ganz normal rüber."

Gutachterin Schimmel: "Mir fällt es auch schwer, diese Schilderung der Freundin mit dem Grad der Alkoholisierung übereinzubringen." Der Kfz-Gutachter will wissen, ob Viktor mit diesem Alkoholpegel noch laufen konnte. Gutachterin Schimmel: "Das hängt von der individuellen Gewöhnung an den Alkohol ab, wie gut man sich noch bewegen kann. Es gibt Menschen, die haben selbst bei dieser hohen Promillezahl noch eine sehr gute Motorik und können erstaunlich gut gehen!"

Auch Fahrer Mahir war nach seinem Disco-Besuch alkoholisiert. Er hatte 0,53 Promille bei der ersten Blutprobe.

Laut Gutachterin Schimmel können schon 0,3 Promille zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Sehleistung führen. Ab 0,35 Promille kann sich die Reaktionszeit um zehn Prozent verlängern." Beim gemessenen Promillewert geht sie von einer "höchstwahrscheinlichen Einschränkung" beider Fähigkeiten aus.

Die Staatsanwältin will wissen, wie viele Longdrinks – laut Clubkarte hatte Mahir Jackie-Cola und Tequila mit Zimt bestellt – für 0,53 Promille ausreichen. Die Anklägerin: "Es interessiert mich, nach wie vielen Gläsern der Angeklagte noch meint, sich ins Auto zu setzen und fahren zu können."

Laut Gutachterin Schimmel muss Mahir wohl acht oder neun Longdrinks mit 40-prozentigem Alkohol bis zum Verlassen der Disco getrunken haben, um diese Promillezahl zu erreichen.