Die Praxis im Wald können die Webinare nicht ersetzen. (Symbolbild) Foto: sb/Archiv

Hochschule für Forstwirtschaft will vollwertiges Semester anbieten. Digitales kann Praxis nicht ersetzen.

Rottenburg - Wer Forstwirtschaft studiert, will nicht nur graue Theorie pauken. Er will auch raus in den Wald. Doch das geht in Zeiten des Corona nicht so einfach, klagt der Rektor der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR).

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"Die Studenten wollen eben nicht nur lesen und hinter dem Computer sitzen", sagt Hochschulrektor Bastian Kaiser. "Sie wollen auch raus in die Praxis. Sie wollen das Holz riechen, die Rinde der Bäume fühlen, den Wald erleben." Der 56-Jährige ist seit fast 20 Jahren Rektor in Rottenburg – er weiß, wovon er spricht. Zwar habe man seit Ausbruch der Corona-Krise und der damit verbundenen Kontaktsperren entschlossen auf digitalen Unterricht umgestellt. Das gehe im Großen und Ganzen auch ganz gut. "Aber das Digitale kann die Praxis nur zum Teil ersetzen."

Kein Zweifel: Es ist ein ganz besonderes Sommersemester, das die rund 1100 Studierenden in Rottenburg derzeit erleben. So musste der Semesterbeginn zunächst um fünf Wochen verschoben werden, Präsenzunterricht gibt es seither so gut wie nicht – alles läuft digital. "Unsere Mitarbeiter arbeiten vorwiegend im Homeoffice", heißt es dann auf der Uni-Webseite. "Vorlesungen finden online statt, dennoch sind wir für sie da." Dabei stehe gerade seine Hochschule für einen hohen Praxisbezug, betont Kaiser.

Die Lage ist schwierig. "Wir wollen auch diesen Sommer ein vollwertiges Semester anbieten." Die Studierenden sollten schließlich kein halbes Jahr verlieren, "nur weil es das Coronavirus gibt." Doch viele junge Leute hätten sich für das Studium in Rottenburg entscheiden, "weil sie die Praxis lieben", betont Kaiser. Das seien eben nicht vorwiegend theoretisch orientierte künftige Akademiker. "Die junge Leute in Rottenburg wollen nicht nur lesen, sie wollen den Wald erleben." Es gebe durchaus Studenten, die hätten mit der Ausrichtung aufs Digitale und Theoretische Schwierigkeiten, nicht zuletzt weil dies "eine höhere Selbstorganisation" und Disziplin verlange.

Bei Online-Vorlesungen tauchen ganz banale Probleme auf

Allerdings gebe es im Zuge der Online-Vorlesungen auch ganz banale Probleme: "Nicht alle Studierende haben Zuhause einen stabilen Internetzugang." Das erschwere Videokonferenzen und Telefonchats, nicht alle Studierende könnten da mitmachen. Betroffen von der unzureichenden Digitalversorgung seien aber nicht nur abgelegene ländliche Gebiete, sondern durchaus auch Teilorte Rottenburgs, klagt Kaiser. "Dann ist das Bild weg, dann ist der Ton weg, die Verbindung bricht zusammen." Zehn Prozent aller Studenten seien betroffen. Dennoch: "Wir gehen davon aus, dass auch im Wintersemester deutlich mehr digital läuft als früher."

Dabei entwickelten sich die Berufschancen für die jungen Forstwirte derzeit mehr als erfreulich. "In den vergangenen Jahren waren die Aussichten bereits gut, derzeit sind sie glänzend." Das hänge auch mit dem "neuen Bewusstsein für den Wald" zusammen – und mit den Investitionen des Landes, um die angeschlagenen Wälder zu retten.

Doch droht nicht die neue Sorge um das Coronavirus die Sorge um den Wald in den Hintergrund zu drängen? "Ja und Nein", antwortet Kaiser. Sicherlich treffe es zu, dass viele Menschen derzeit andere Sorgen hätten, als an den Klimawandel zu denken. Auf der anderen Seite habe sich gerade während der Krise gezeigt, wie sehr die Menschen in die Natur drängten, wie wichtig ihnen der Wald sei. "Leere Innenstädte, volle Wälder", fasst Kaiser die Tendenz in den Zeiten der Kontaktsperre zusammen. "Es ist unglaublich, wie viele Menschen den Wald wiederentdeckt haben, als Zufluchtsort, als Erholungsraum, als Trost."