Amos Fröhlich (rechts) besuchte im Jahr 2013 die Eröffnung der Ausstellung über Shavei Zion im Museum Jüdischer Betsaal in Horb. Bei der Eröffnung zu Gast war auch Guido Wolf (Mitte), damals Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen. Links: Heinz Högerle vom Förderverein ehemalige Synagoge Rexingen, der auch an der Shavei-Zion-Ausstellung mitgewirkt hatte. Foto: Archiv/Hopp

Amos Fröhlich ist 91 Jahre alt, stammt aus einer Rexinger Familie und hat geholfen, die israelische Gemeinde Shavei Zion aufzubauen. Jetzt sind seine von vielen lange erwarteten Lebenserinnerungen auf Deutsch erschienen.

Horb - Als die Nazis nach ihrer Machtübernahme konsequent damit begannen, den Hass gegen Juden zu schüren, war Amos Fröhlich noch ein Kind. Und so handeln seine Erinnerungen zunächst von den Kindheitstagen, die von einem Grauen überschattet waren, dessen Facetten er erst später kennen lernen sollte.

Fröhlich musste sich gleichsam immer wieder neu erinnern, indem er aus späterer Sicht Dinge hinzufügte. In dem Buch wird diese Herausforderung des Erzählens auf mehreren Ebenen gemeistert. Es liest sich schlüssig, flüssig und lebensnah, wenn Amos Fröhlich erzählt. Zum Beispiel von seiner Kindheit: "Mit den Mitschülern hatten wir gute Beziehungen. Sie kamen zu uns nach Hause zum Spielen, wo wir genug Platz hatten. Wahrscheinlich war es auch manchen verboten zu kommen, wenn die Eltern Nazis waren oder Angst vor den Nachbarn hatten, aber das bemerkten wir Kinder nicht." Fröhlich erzählt von Wochenendausflügen an den Bodensee und Besuchen in Rexingen: "Wir gehörten dort zur jüdischen Gemeinde. Wir besuchten die Großmutter und gingen in die Synagoge. Unsere Großmutter nahm es mit der Religion sehr ernst und war immer in Sorge, dass unser Vater, der mit seinen Geschäften stark engagiert war, vor Schabbateingang in Rexingen eintraf. Wir kamen tatsächlich immer in der letzten Minute, wenn die Rexinger Juden schon alle mit ihren Zylindern und in Festtagskleidern vor der Synagoge standen und uns in unserem Auto mit großem Jubel empfingen."

Rassismus der Nazis vergiftet das Alltagsleben

Mehr und mehr vergiftete der Rassismus der Nazis das Alltagsleben, und jüdische Gemeinschaften begannen, ihre Auswanderung nach Palästina zu planen. So auch die Rexinger Juden. Amos Fröhlichs Vater Julius kehrte von einer Erkundungsreise nach Palästina zurück. Er war dort mit einer Gruppe, die 1937 den Platz für Shavei Zion aussuchte. Nach seiner Rückkehr wurde mit den Vorbereitungen der Auswanderung aus Deutschland begonnen.

Amos Fröhlich erinnert sich: "Im September 1938 verließen wir Deutschland, zwei Monate vor der Pogromnacht. Wir verließen unser Land wie Diebe in der Nacht. Meinen Bruder Helmut und mich hatte unser Onkel Emil aus Zürich am Vorabend abgeholt, damit die Abreise nicht so auffällig vonstatten ging."

Von Zürich aus ging es mit der Bahn nach Triest und mit einem Schiff nach Haifa. Für den kleinen Amos war das ein schönes Erlebnis, auch wenn ihm bei der Ankunft in Haifa die hebräische Sprache, Landschaft und Klima noch fremd waren.

Familie hat es eilig, nach Shavei Zion zu kommen

Obwohl Shavei Zion damals nur aus einem Turm und ein paar Baracken bestand, hatten es die Familien eilig, dorthin zu kommen. Die 22 Kinder der frisch Eingewanderten, sie waren zwischen drei und 13 Jahren alt, blieben zusammen an einem anderen Ort, wo einige Mütter und eine Lehrerin für sie sorgten und ihnen Unterricht gaben. Von Zeit zu Zeit durften einige Kinder das Wochenende mit ihren Eltern in Shavei Zion verbringen. "Uns, den vier Kindern der Familie Fröhlich, war es vergönnt, das erste Rosch Haschana im September 1938 in Shavei Zion zu erleben."

Der Alltag in der jungen Siedlung am Mittelmeer war hart. Besonders für die Eltern, die ein ganz anderes Leben gewohnt waren. Amos Fröhlich schildert: "Das Feuerholz, das man brauchte, um Wasser zu erwärmen, wurde am Strand gesammelt. Auf einem Holztisch schrubbte meine Mutter mit einer Bürste die Wäsche, die von der Arbeit in der Landwirtschaft sehr schmutzig war." Eine Zeit des Mangels. "Trotzdem wusste unsere Mutter immer besonders gute Speisen für uns zuzubereiten von dem Obst und Gemüse, das es in jener Zeit gab."

Mit dem Bau eines Kuhstalls im Jahr 1939 weitete sich die Landwirtschaft in Shavei Zion aus – und zeichnete den Lebensweg des jungen Amos vor, dessen Vater die meisten Kühe kaufte und der erste Leiter und Melker des Stalls wurde.

Der Krieg in Europa drang bis nach Palästina vor und löste Ängste aus. Die deutsche Armee eroberte große Teile von Nordafrika und erreichte die Grenze von Ägypten, und die italienische Luftwaffe flog Angriffe auf Israel. Erst die große Niederlage der Nazi-Armee bei El Alamein ließ die Dorfbewohner etwas aufatmen.

Shavei Zion begann aufzublühen, das gemeinschaftliche Leben festigte sich immer mehr, es wurden Hochzeiten gefeiert und die Kinder gingen auf die Schule. Fröhlich: erzählt: "Da unser Lehrer Berlinger die meisten Tätigkeiten gemeinsam mit uns gemacht hat, waren wir auch nachmittags beschäftigt mit Arbeiten im landwirtschaftlichen Betrieb, im Schulgarten, beim Sport, beim Ballspiel oder Schwimmen im Meer."

Genossenschaft ermöglicht Besuch von Landwirtschaftsschule

Die Genossenschaft ermöglichte es Fröhlich, auf eine Landwirtschaftsschule zu gehen, und so schlug er seinen beruflichen Weg ein.

In seinen vielschichtigen Erinnerungen spielt neben dem Alltagsleben und der Familie aber auch die Politik eine große Rolle, die Geschichte Israels und der Konflikt mit den Palästinensern. Auch Kapiteln mit Geschichten seiner Kinder und von anderen Menschen aus dem Leben Amos Fröhlichs sind eingeflochten.

Seine Erinnerungen sind ein Blick auf ein Jahrhundert. Sie erzählen, wie Menschen trotz aller Grausamkeiten, die ihnen angetan wurden, ihr Menschsein und die Kraft zum Neubeginn nicht verlieren.