Auch auf Hauptverkehrsstraßen gilt immer öfter eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Foto: dpa

Verkehr: Immer mehr Tempo-30-Zonen in Ortschaften. Bürgerinitiative zweifelt Wirkung an.

Ravensburg - Die Anwohner freut es, doch so mancher Autofahrer ärgert sich: Im Südwesten gilt auch auf Ortsdurchfahrten zunehmend Tempo 30. Grund dafür ist oftmals der Lärmschutz. Aber bringt das überhaupt etwas?

Wer am späten Abend vom oberschwäbischen Ravensburg nach Meersburg an den Bodensee fahren will, braucht vor allem eines: Geduld. Auf der Bundesstraße 33 – einer der wichtigen Verkehrsadern der Region – gilt in mindestens vier Gemeinden an der Strecke Tempo 30. Auch auf dem Weg von Meersburg nach Friedrichshafen muss man die Geschwindigkeit auf zahlreichen Kilometern drosseln; zum Teil ganztägig, zum Teil ab 22 Uhr. Tempo 30 ist im Südwesten auf dem Vormarsch – und das längst nicht mehr nur auf Nebenstraßen.

Spürbar weniger Lärm

Einer der Gründe dafür sei der Lärmschutz, heißt es beim Verkehrsministerium in Stuttgart. Der Verkehr auf den Straßen nehme zu – und die Lautstärke auch: "Nicht mehr zumutbar ist der Straßenverkehr in aller Regel dann, wenn die Beurteilungspegel für den Lärm bestimmte Richtwerte überschreiten." Bei fließendem Verkehr bringe Tempo 30 eine spürbare Abnahme des Lärms um bis zu drei Dezibel.

Innerhalb geschlossener Ortschaften gilt die Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern. Allerdings kann nach Angaben des Regierungspräsidiums Freiburg auf Hauptverkehrsstraßen – also auch Bundes-, Landes- und Kreisstraßen – Tempo 30 eingeführt werden. Etwa, wenn die Straße besonders eng, kurvenreich oder abschüssig ist. Oder in der Nähe von Krankenhäusern, Altenheimen oder Schulen verläuft. Auch zum Schutz vor Abgasen kann Tempo 30 als Maßnahme eingesetzt werden.

Wie sehr die Zahl der Tempo-30-Zonen im Südwesten zugenommen hat, lässt sich nicht beziffern. Es gebe keine Übersicht darüber, sagte eine Ministeriumssprecherin. Die vor Ort zuständigen 150 Verkehrsbehörden im Land führten keine Statistik.

Eine Gemeinde, der das langsamere Tempo nach eigenen Angaben etwas gebracht hat, ist der Urlaubsort Hagnau am Bodensee. Durch das 1460-Einwohner-Örtchen fährt mit der B 31 eine der wichtigsten Strecken der Region. Bis zu 27 000 Fahrzeuge fahren mitten durch den Ort hindurch – jeden Tag. "Das sind 10 000 Fahrzeuge mehr als durch den Gotthard-Tunnel in der Schweiz", sagt Bürgermeister Volker Frede. "Erforderlich wäre dafür eine vierspurige Straße."

Das Grundproblem, dass die B  31 seit Jahren nicht leistungsfähig genug für den Verkehr sei, werde zwar durch Tempo 30 nicht gelöst, sagt Frede. "Die Geschwindigkeitsbegrenzung sorgt aber zumindest dafür, dass das Leben mit der Straße etwas weniger belastend ist." Für die Autofahrer bedeute die Reduzierung der Geschwindigkeit einen Zeitverlust von nicht einmal 30 Sekunden.

Kampf gegen Begrenzung

Die Gruppe "Verkehrsfluss statt Tempolimits – Freie Fahrt fürs Ländle" aus Nürtingen (Kreis Esslingen) kämpft gegen die Begrenzungen. Vor Kindergärten und Schulen sei Tempo 30 "absolut angebracht", schreibt die Gruppe auf ihrer Internetseite. Allerdings dürfe der Sicherheitsanspruch nicht verallgemeinert werden: "Bei heutigen Fahrzeugen ist außerdem der Fußgängerschutz so ausgelegt, um bei einem Verkehrsunfall in der Stadt schwere Verletzungen zu verhindern."

Die Initiative bezweifelt zudem den Nutzen beim Thema Lärm- und Emissionsschutz: Die meisten Fahrzeuge hätten bei Tempo 30 einen höheren Verbrauch und damit auch höhere CO2-Emissionen als bei Tempo 50, heißt es dazu.

Bürgermeister Frede indes ist von Tempo 30 überzeugt: Der Verkehr fließe gleichmäßiger durch Hagnau. Anfangs hätten manche Autofahrer auf die Schilder "Lärmschutz" mit Hupen regiert. "Das muss man nicht verstehen", sagt Frede. "Und es zeigt, dass es richtig ist, mit eindeutigen Regelungen zu agieren und nicht auf Freiwilligkeit und Vernunft zu hoffen."