Vor der Balinger Mediothek kann man derzeit gemütlich Zeitung lesen. Wer drinnen nach Winnetou-Büchern oder der Fortschreibung "Der junge Häuptling Winnetou" sucht, sucht vergeblich. Foto: Dick

"Der junge Häuptling Winnetou": Das Buch verschwindet wegen Rassismus-Vorwürfen aus den Regalen. In Balingen stand es noch gar nicht drin. Auch alte Karl-May-Schinken sucht man vergeblich.

Balingen - Besonders groß ist die Begeisterung für Apachen-Häuptling Winnetou heutzutage wohl nicht mehr: Kein einziger Band der Abenteuer-Reihe von Karl May ist in der Balinger Mediothek gelistet, wie eine Mitarbeiterin bestätigt. Auch die Fortschreibung, das Kinderbuch "Der junge Häuptling Winnetou", das der Spieleverlag Ravensbuger nun wegen Rassismus-Vorwürfen aus den Regalen nimmt, ist in der Mediothek nicht vorhanden.

Frag doch mal die Maus

Deren Suchmaschine spuckt beim Stichwort "Winnetou" praktisch nichts aus: Peter Hahnes Werk "Seid ihr noch ganz bei Trost – Schluss mit Sprachpolizei und Bürokraten-Terror" und das Kinderbuch "Frag doch mal die Maus – Indianer" aus dem Jahr 2009. Die Maus hätte 2022 sicher ein anderes Wort als "Indianer" gewählt, das heute als rassistisch gilt.

"Kaufen wollte die niemand"

Auch in der Buchhandlung Rieger sind die Winnetou-Zeiten vorbei: "Seit Jahren nicht mehr auf Lager", sagt Heidrun Horky. "Die Zeiten sind vorbei." Und das neue Buch, das von der Freundschaft eines Apachenjungen zu einem weißen Buben erzählt, wurde nicht bestellt. Inhaber Jürgen Rieger berichtet sogar, dass er antiquarische Karl-May-Bücher verschenkt hat: "Kaufen wollte die niemand."

Und beim Buch-Versand Amazon muss man lange scrollen, bis man auf ein Exemplar stößt.

Ewige und edle Blutsbrüderschaften

Stellt sich die Frage: Verlassen nun konsequenterweise auch die "alten" Winnetou-Filme die Kinos, und die Bücher die Regale? Jene Wälzer, die seinerzeit beinahe jeder Junge verschlang, und wegen denen ewige und edle Blutsbrüderschaften geschlossen wurden. Die stammen immerhin aus dem Jahr 1893.

Und bei Pippi Langstrumpf?

Bei Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf hat der Oetinger Verlag die Problematik gut gelöst: An Worten, die heute als Unworte gelten, ist ein Sternchen mit Erklärung am Fuß der Seite. Unter anderem heißt es dort: "Als Astrid Lindgren Pippi Langstrumpf geschrieben hat, war das (Wort) noch üblich."