Selbst wenn man nicht zu bequem ist, die wenigen Schritte nächsten Mülleimer zu gehen, sondern die Verpackungen seiner zum unterwegs Verzehren gekauften Speisen und Getränke ordnungsgemäß in die Tonne wirft: Es bleibt Abfall. Foto: Heinl

Das "grüne" Tübingen hat es vorgemacht, die großen Städte im Zollernalbkreis wollen erstmal abwarten, wie es dort klappt. Befürworter und Gegner einer sogenannten "Verpackungssteuer" haben Argumente für ihre jeweilige Position. Michael Reich und Wolf-Ulrich Schnurr, Redakteure der Balinger Kreisredaktion, legen diese dar.

Zollernalbkreis - Das "grüne" Tübingen hat es vorgemacht, die großen Städte im Zollernalbkreis wollen erstmal abwarten, wie es dort klappt. Befürworter und Gegner einer sogenannten "Verpackungssteuer" haben Argumente für ihre jeweilige Position.

Zum Thema: Verpackungssteuer - Zollernalb-Städte beobachten Entwicklung in Tübingen

Pro: "Schnellimbisse sind die eigentlichen Adressaten"

Von Wolf-Ulrich Schnurr - Wir Verbraucher sind erwachsene Menschen und können selbst Verantwortung übernehmen. Sollte man meinen. Ist oft auch so. Aber Menschen sind eines noch häufiger als verantwortungsvoll: bequem. Das sieht man beispielsweise, wenn nach einem entspannten Wochenende öffentliche Grünanlagen, Spielplätze und andere Treffpunkte mit leeren Flaschen, Kaffeebechern und Dosen, Snackverpackungen, Burger-Kartons, Nudelboxen, Pommes-Schalen und Alufolie "verziert" sind.

Doch selbst wenn jemand nicht zu bequem ist, die paar Schritte bis zum nächsten Mülleimer zu gehen, sondern die Verpackungen seiner zum unterwegs Verzehren gekauften Speisen und Getränke ordnungsgemäß in die Tonne wirft: Es bleibt Abfall. Abfall der, wenn er gar nicht erst entstehen würde, weder Ressourcen wie Energie, Erdöl und Metalle vergeuden noch die städtischen Kassen mit den Kosten für "sozialisierte" Müllentsorgung und Rattenbekämpfung belasten würde.

Das wissen auch die kommunalpolitischen Entscheidungsträger. Und sie wissen, dass man die Bürger am leichtesten über deren Geldbeutel erzieht. Einwegverpackungen mit einer Strafgebühr oder "Steuer" zu belegen ist daher der richtige Weg. Denn die "Mitnehm-Gastronomie" (sprich: Schnellimbisse), sind die eigentlichen Adressaten: Entweder sie erhöhen ihre Preise oder sie beteiligen sich endlich an der Müllvermeidung.

In Tübingen hat die Einwegsteuer übrigens bereits Konsequenzen: Beispielsweise mein dortiges Stammlokal bietet seit 1. Januar kein "Essen to go" mehr an, weil der Inhaber nicht bereit ist, für den Müll zu bezahlen. Wer seine Speisen genießen will, kann das nur noch direkt vor Ort. Ist auch viel bequemer.

Contra: "Nur ein Tropfen auf den heißen Stein"

Von Michael Reich - Dass Müll nicht okay ist, ist völlig klar, allemal, wenn er sich vermeiden lässt. Die Konsumenten dafür zur Kasse zu bitten, ist jedoch der falsche Weg. Vielmehr sollte verstärkt versucht werden, ein Bewusstsein zu entwickeln, auf Verpackungsmüll zu verzichten. Das fängt im Supermarkt an, wo beispielsweise Bananen oder Gurken, die schon von Natur aus verpackt sind, in Plastik eingeschweißt angeboten werden. Hier gilt es Hersteller und Händler in die Pflicht zu nehmen und nicht die Kunden abzustrafen.

Das die Mengen an Verpackungs- und Plastikmüll gerade während der Pandemiezeit in die Höhe geschossen ist, veranlasst nun Kommunen wie die selbst ernannte Öko-Hauptstadt Tübingen dazu, eine Verpackungssteuer einzuführen. Da können die Studierenden mit Jutetasche und Plastik(!)-Schüsselchen mit bestem Gewissen einkaufen. Was die meisten nicht wissen: Eine amerikanische Studie hat ergeben, dass 90 Prozent der Pandemie-Plastikabfälle in den Kliniken anfallen. Dort ist es einfach unerlässlich, Kunststoff einzusetzen, um Sterilität zu gewährleisten.

Der Tübinger Vorstoß ist nett aber eben nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Deutschlands größte Fastfood-Kette ist deshalb bereits vor Gericht gezogen. Dabei muss man sich ernsthaft überlegen, was schädlicher ist: die Verpackungen von Burger, Pommes und Co, oder deren Inhalte. Ganz abgesehen von der Ökobilanz, die hinter der Produktion der Hamburger-Pattys steckt.

Ach, und noch ein Letztes: Der größte Teil der Kunststoffpartikel in den Weltmeeren stammt vom Abrieb der Autoreifen auf den Straßen, der dann vom Regen in Grundwasser und Flüsse und von dort in die Ozeane geschwemmt wird.