Die Redner und Moderator Thomas Gijswijt (rechts) trugen sich in das Goldene Buch der Stadt Meßstetten ein. Foto: Wysotzki

Im Zentrum des Bürgerempfangs der Stadt Meßstetten stand die offene Podiumsdiskussion, die "Putins Krieg" gegen die Ukraine genauer beleuchtete und die Frage stellte, ob er der Beginn einer neuen Weltordnung ist.

Meßstetten - Ist Putins Krieg der Beginn einer neuen Weltordnung? Mit dieser Frage beschäftigten sich ARD-Korrespondentin Claudia Buckenmaier, USA-Experte Josef Braml, Generalleutnant a. D. Friedrich Wilhelm Ploeger und Moderator Thomas Gijswijt bei der Podiumsdiskussion im Rahmen des Bürgerempfangs der Stadt Meßstetten.

Eine Hechingerin in Washington

Claudia Buckenmaier ist seit 2017 ARD-Korrespondentin in Washington und leitet seit einem Jahr das Studio in der US-amerikanischen Hauptstadt. Die gebürtige Hechingerin, die dem Publikum in der Heuberghalle via Videokonferenz zugeschaltet wurde, beleuchtete den Krieg aus amerikanischer Sicht. Die Politikwissenschaftlerin erklärte, dass Präsident Joe Biden großes Interesse an der Stärkung Europas und das Verhalten von Bundeskanzler Olaf Scholz mehrfach gelobt habe. Wie Deutschland liefert die USA zwar Waffen, schließt ein eigenes Eingreifen allerdings aus – dafür gebe es zu wenig Unterstützung in der Bevölkerung, erklärte die USA-Expertin.

Russlands Präsident Wladimir Putin habe nicht die Intention neben der Ukraine auch die NATO-Staaten anzugreifen, warne aber vor einem Mitmischen des Verteidigungsbündnisses. Für Biden sei es wichtig, dass jede Reaktion auf den Krieg gegen die Ukraine nur nach Rücksprache mit Europa erfolgt.

Ein starkes Europa ist wichtiger denn je

Josef Braml, Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Trilateralen Kommission, betonte, dass die Europäer lernen müssten, die USA zu verstehen. Man müsse aus amerikanischer Sicht verstehen, dass sich die USA auf die Auseinandersetzung mit China – und nicht mit Russland – vorbereiteten und sich nicht an zwei Fronten gleichzeitig durchsetzen könnten. Auch der Gedanke, dass die Vereinigten Staaten vielleicht vor einem Bürgerkrieg stehen, könne nicht gestrichen werden. Ein starkes Europa, das lernt, die Großmächte und ihre geoökonomischen und Wirtschaftsinteressen zu verstehen, sei daher um so wichtiger.

Braml malte zwei Zukunftsszenarien: "Europa zerbricht in der Krise oder geht daraus gestärkt hervor."

Generalleutnant a. D. Friedrich Wilhelm Ploeger bewertete die militärische Lage in der Ukraine. Ploeger war bis Ende 2013 stellvertretender Befehlshaber des NATO-Luftwaffenkommandos Ramstein. Er erklärte, dass die Ukraine am 24. Februar auf drei Hauptachsen angegriffen wurde, während die Russen eine Luftherrschaft nicht durchsetzen konnten. Dennoch sei es gelungen, mit relativ leichten Waffen wie Panzerfäusten den Angriff auf Kiew abzuwehren. "Bisher konnten eine Einnahme Odessas und das Abschneiden von der Küste noch verhindert werden", stellte Ploeger fest. Neue Technik in Verbindung mit moderner Aufklärung habe zum Stopp geführt.

Deutschland steht nicht gut da

Braml kritisierte, dass Deutschland verteidigungstechnisch nicht gut dastehe: "Momentan besitzt die Bundeswehr gerade einmal für eine Woche Gefecht Munition. Für die Größe und Ökonomie unseres Landes ist das eine Schande." Daher müsse Deutschland aufrüsten.

Das sei aber nicht von heute auf morgen möglich: Die jetzigen Maßnahmen benötigten acht bis zehn Jahre, bis sie greifen. Dauerhaft müssten zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts für Verteidigung ausgegeben werden.

Auch eine ganze brisante Frage wurde diskutiert: Wie wird die Drohung Russlands, nukleare Waffen einzusetzen, bewertet? Claudia Buckenmaier berichtete, dass der Einsatz nuklearer Waffen in den USA überhaupt nicht diskutiert wird. Der US-Geheimdienst gebe sich dazu sehr offen. Ein "Regime Change", wie in Moskau geäußert, stehe ebenfalls nicht im Raum in Amerika. Die US-Administration habe eine entsprechende Äußerung Bidens sofort als Missverständnis zurückgenommen.

Zwischen Buckenmaier und Braml entwickelte sich dann eine Diskussion um das allgemeine Verhalten Präsident Bidens. Dabei ging es um folgende Fragen: Sind Biden und Putin noch gesund? Sind verbale Entgleisungen Joe Bidens absichtlich oder fahrlässig passiert?

Trump ist das Resultat politischer Probleme

Die Podiumsgäste schlossen sich Bramls Feststellung an, "die Person Trump fiel nicht vom Himmel". Massive innenpolitische Themen, vor allem gesellschaftlicher und ökonomischer Natur, brachten diesen US-Präsidenten hervor. Auch vor dieser Entwicklung müsse Europa stärker und selbstbewusster werden.

Das Thema Trump zog sich wie ein roter Faden durch die Diskussionsrunde: Warum ist er immer noch so beliebt? Viele Amerikaner glaubten noch immer an Wahlbetrug. Seither habe er noch mehr Anhänger, so Buckenmaier, und Trump bringe immer wieder "seine" Kandidaten bei Wahlen durch. Aber tritt er tatsächlich noch einmal für das Präsidentenamt an? "Er kokettiert damit", antwortete Buckenmaier. Er sei nach wie vor Macher im Kongress.

Nuklear ist Deutschland von Frankreich abhängig

Ploeger gab zu verstehen, dass Deutschland nuklear von Frankreich abhängig sei. Das russische Heer sei konventionell hoffnungslos unterlegen. Putin brauche die nukleare Strategie. Ploegers Feststellung daher: "Die NATO ist deshalb kompromisslos nötig und muss sich einig sein."

Er erklärte, dass China nuklear und auch konventionell aufrüste. Darauf reagierten die USA. Bidens Zustimmungswerte befänden sich im Keller und Trump orientiere sich derweil an einer Wahlrechtsreform. Buckenmaier warf ein, dass es noch viel gefährlichere Leute als Trump in den USA gebe.

Das Fazit der Diskussionsrunde fiel ernüchternd aus: Es gibt keinen optimistischen Ausblick. Bei den rund 700 Gästen in der Heuberghalle drückte dieses Resümee auf die Stimmung.

Abschließend trugen sich die Mitglieder der Podiumsdiskussion in das Goldene Buch der Stadt Meßstetten ein und Claudia Buckenmaier wurde eingeladen, dies bei ihrem nächsten Heimatbesuch nachzuholen.