Seit rund zwei Jahren wird daran gearbeitet, die Klinikgesellschaften Böblingen und Calw miteinander zu verschmelzen. Damit sind bei den Gegnern auch viele Befürchtungen verknüpft – etwa dass die Krankenhäuser Calw und Nagold dann dem Kreis Böblingen ausgeliefert würden. Stimmt das?
Werden die Klinikgesellschaften Böblingen und Calw mit dem Klinikverbund Südwest verschmolzen, so gibt es verschiedene Meinungen, welche Folgen das nach sich zieht.
Befürworter versprechen sich einheitliche Führungsstrukturen, damit „die komplexen Abstimmungen und Entscheidungswege gebündelt und die operative Schlagkraft des Verbundes gestärkt werden“, hieß es im Sommer 2022 vonseiten der Landkreise.
Gegner befürchten, der Kreis Calw könnte in einer Fusion untergehen – und bei wichtigen Entscheidungen schlicht überstimmt werden.
Am kommenden Montag soll nun in beiden Kreistagen – sowohl Böblingen als auch Calw – die Entscheidung über die Fusion fallen. Wir zeigen, was eine Zustimmung für den Kreis Calw bedeuten würde.
Aufsichtsrat Statt wie bisher drei Aufsichtsräte soll es künftig nur noch einen geben. Dieser soll unter anderem aus den Landräten sowie zehn Mitgliedern des Kreistags Böblingen und fünf Mitgliedern des Kreistages Calw bestehen. Den Vorsitz haben bis 2029 abwechselnd die Landräte der Kreise, ab 2030 verbleibt der Vorsitz beim Böblinger Landrat.
Minderheitenschutz Um zu verhindern, dass ein kleinerer Partner quasi „entmündigt“ wird, gibt es den sogenannten Minderheitenschutz. Damit wird geregelt, bei welchen Angelegenheit der „Kleine“ separat zustimmen muss, bevor ein Beschluss fallen kann.
So bedarf es nach einer Fusion laut Unterlagen beispielsweise jeweils einer Mehrheit der vom Kreistag Böblingen sowie einer Mehrheit der vom Kreistag Calw entsandten Aufsichtsratsmitglieder, um medizinische Fachabteilungen zu öffnen, zu schließen oder zusammenzulegen. Auch die dauerhafte Reduzierung der Rund-um-die-Uhr-Notfallbereitschaft an einzelnen Krankenhäusern muss von Vertretern beider Kreise je mehrheitlich abgesegnet werden.
Auf Ebene der Gesellschafter müssen beide Landkreise zustimmen, wenn es um wichtige Entscheidungen, etwa die Schließung von Kliniken, geht.
Besonders von Vorteil für den Kreis Calw dürfte eine Veränderung bei den Beteiligungsverhältnissen sein. Nach einer Fusion soll der Kreis Calw über eine Sperrminorität, eine Art Vetorecht, verfügen. Der Kreis Böblingen hält dann 74,9 Prozent der Anteile, der Kreis Calw 25,1 Prozent. Bislang verfügt der Kreis Calw nur über 24,9 Prozent der Anteile am Klinikverbund – weniger, als für eine Sperrminorität erforderlich.
Verluste Bis 2029 ist vorgesehen, dass jeder Kreis die eigenen Klinik-Verluste direkt tragen muss. 2030 soll die Verlustverteilung auf eine feste Quote umgestellt werden, die anhand vergangener und kommender (Plan-)Jahre berechnet wird. 2035 stehe eine Überprüfung dieser Quote an, die dann angepasst werden könne.
Sollte die Quote ab 2035 in drei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zu einer Schlechterstellung eines Landkreises im Vergleich zum Örtlichkeitsprinzip um mehr als 30 Prozent führen, kann der betroffene Landkreis Verhandlungen über die Anpassung der Quote (auch rückwirkend) verlangen.
Immobilien Die Klinikimmobilien sollen auch nach der Fusion Eigentum der Landkreise bleiben.
Ausstieg „Die fusionierte Gesellschaft kann von jedem Gesellschafter aus wichtigem Grund unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Geschäftsjahres gekündigt werden“, ist zu lesen. Als wichtige Gründe gelten etwa „extreme Verwerfungen“ bei der Verlustausgleichsquote, „Pflichtverletzungen eines Gesellschafters oder die nachhaltige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Gesellschaftern“.
Ohne wichtigen Grund besteht laut Entwurf die nächste Kündigungsmöglichkeit in 14 Jahren, zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 2038.