Verweigerungsdiskurse in Wort und Ton: Peter Licht. Foto: promo

Er erfindet poetisch verdichteten Pop, hat beim Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb begeistert, am Berliner Maxim- Gorki-Theater Molière durcheinandergebracht. Am Sonntag ist Peter Licht in Stuttgart im Schauspielhaus aufgetreten. Hoffentlich nicht das letzte Mal.

Er erfindet poetisch verdichteten Pop, hat beim Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb begeistert, am Berliner Maxim- Gorki-Theater Molière durcheinandergebracht. Am Sonntag ist Peter Licht in Stuttgart im Schauspielhaus aufgetreten. Hoffentlich nicht das letzte Mal.

Stuttgart - Wenn sich Peter Licht ein Cello umhängt, die Saiten vehement bearbeitet, die Töne durch einen Verzerrer jagt und zu einem borstigen Klangteppich werden lässt, dann ist das Diskurstheorie für Fortgeschrittene. In „Sag mir, wo ich beginnen soll“ singt er dann zum Beispiel von Zeichensystemen, von der Unbeschriftbarkeit der Dinge, vom Rauschen des Schwarms, von Wortschlangen, aus denen sich Meinungen ergeben. Dieser Sonntagabend im Stuttgarter Schauspielhaus, der so harmlos begonnen hat, als ob er einem weismachen wollte, das Staatstheater habe sich selbst mit einem Indierockschuppen verwechselt, hat sich da längst in ein großes Musikdrama verwandelt, das ein Texte zerhauendes Regietheater aufführt, in dem dieser nur scheinbar unscheinbare Peter Licht Autor, Regisseur und Darsteller zugleich ist.

Begleitet von dem Keyboarder Tobias Philippen, hat Peter Licht vor rund 450 Besuchern die neue Reihe „KonzertxBühne“ des Schauspiels eröffnet. Diese interpretiert künftig einmal im Monat das Theater musikalisch – und verleiht damit Armin Petras’ Lust am interdisziplinären Austausch, an der Auflösung der Grenzen zwischen den Kunstformen Nachdruck.

Und wer hätte besser gepasst für die Premiere als Peter Licht, der mit seinen Notizen aus dem entfremdeten Leben im Pop ebenso zu Hause ist wie in der Literatur und auf der Theaterbühne. 2009 hat er zum Beispiel an den Münchner Kammerspielen das Theaterstück „Räume räumen“ , inszeniert, das auf seinen Texten und Liedern beruht. Und 2010 ließ ihn Petras am Berliner Maxim-Gorki-Theater Molières „Der Geizige“ überarbeiten. Und nach dem Auftritt im Schauspielhaus wünscht man sich dringend, dass Petras Peter Licht in einer der nächsten Spielzeiten für ein ähnliches Projekt in Stuttgart gewinnen kann.

Denn dieser Indiepop-Pollesch tobt sich wunderbar unberechenbar und hochmusikalisch mit Sprache aus, bringt Unmengen an Text in seinen Liedern und Monologen unter, die mal Tiraden, mal Romanzen, mal Lamenti sind. Am Anfang mimt er noch den Indie-Schluffi, der seine eigene Uninszeniertheit inszeniert. später zitiert er Posen des Rock’n’Roll, verfängt sich vergnügt in den Abstrusitäten seiner Erzählungen, wirft Textblätter ins Auditorium, kramt eine Sitar hervor und versucht das Publikum dazu zu bewegen, mit ihm den Refrain des Lieds „Wir sind jung, und wir machen uns Sorgen über unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ zu singen. Und weil man sich nicht sicher ist, ob man es hier mit Pop oder Theater zu tun hat, bleiben die meisten im Publikum sicherheitshalber stumm. Die Frage jedenfalls, was so ein Musikabend im Theater zu suchen hat, stellt sich nicht.

Seit Jochen Distelmeyer seine Band Blumfeld im Jahr 2007 aufgelöst hat, suchen nachdenkliche Musikhörer nach neuen Lieferanten poetisch dichter Popentwürfe. Mit Peter Licht ist der richtige Mann für diesen Job gefunden. Der Flirt des Pop mit der Literatur ist mindestens so alt wie Bob Dylan. Der hat zwar immer noch keinen Nobelpreis gewonnen. Peter Licht aber hat immerhin für seinen Text „Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends“ im Jahr 2007 den 3-Sat-Preis und den Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb gewonnen. Und seither findet in Deutschland kaum eine Debatte über die Literaturfähigkeit von Pop statt, ohne dass der Wahl-Kölner darin vorkommt.

Anders als bei der Live-Show fallen die Peter-Licht-Songs auf seinen Alben, die Titel tragen wie „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ (2006),„Melancholie und Gesellschaft“ (2008) oder „Das Ende der Beschwerde“ (2011), weniger durch ihre musikalische Inszenierungen als durch ihre hohe Literarizität auf. Peter Licht verpackt seine Verweigerungsdiskurse gerne in sanfte Kammerpop-Arrangements. Wer Tomte oder Kettcar mag, aber über die manchmal holprige Lyrik dieser Bands stolpert, könnte Gefallen an Songs wie der Neinsager-Ballade „Räume räumen“, der Anzieh-Hymne „Stilberatung/Restsexualität“, der Selbstentfremdungsode „Neue Idee“ finden, an Peter Lichts assoziativen Stabreimen, der Lust am Zitat und an der Auflösung der Grenze zwischen Privatem und Politischem.

Dass Peter Licht eher zum Literaten als zum Popstar taugt, zeigt sich auch im Versuch, als Person hinter seinen Texten zu verschwinden. Seinen bürgerlichen Namen gibt er nicht preis (seine erste EP „Sechs Lieder“ veröffentlichte er vor 13 Jahren aber noch als Meinrad Jungblut). Und er weigert sich, sein Gesicht ablichten zu lassen. Auf den unvermeidlichen Werbefotos für seine Platten fliegen ihm stets Bücher, Zeitungen, Kaffeetassen, Tauben oder Basketbälle vors Gesicht. Bei seiner Lesung beim Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt setzte er durch, dass er nur von hinten gefilmt wurde, zur Preisverleihung erschien er nicht persönlich. Selbst als Gast in der „Harald Schmidt Show“ durfte er unerkannt bleiben.

Die Reihe „KonzertxBühne“ wird am Donnerstag, 13. Februar, mit einem Konzert der Band Erdmöbel fortgesetzt. Tickets unter www.schauspiel-stuttgart.de