Landrat Günter-Martin Pauli bei Markus Lanz. Foto: Screenshot/ZDFmediathek/"Markus Lanz" vom 13.09.2023

Ausgebuht und ausgelacht: Landrat Günther-Martin Pauli berichtet bei Markus Lanz von einem seiner schlimmsten Abende. Es ging um Flüchtlingsunterbringung und fatale Sogwirkungen.

Die Buhrufe aus dem beschaulichen Örtchen Killer waren wohl bis nach Mainz zu hören. Jedenfalls hatte das ZDF den Landrat des Zollernalbkreises zu Markus Lanz in die Talkrunde eingeladen.

 

Dort saß Günther-Martin Pauli in illustrer Runde mit dem Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte, der FAZ-Journalistin Julia Löhr und Claus Ruhe Madsen, Minister in Schleswig Holstein.

„Ein Mann der Basis“, so wurde Pauli von Markus Lanz angekündigt, als die Ausstrahlung am Mittwochabend um 23.15 Uhr begann. Und dann hatte der Landrat erstmal Sendepause.

Die Talk-Kollegen erörterten den Wahnsinn des Datenschutzes, der die Behörden blockiert. An dieser Stelle kam Pauli das erste Mal zu Wort. „Jugendamt und Ausländerbehörde dürften sich keinen Drucker teilen, weil ja mal ein Blatt mit Daten vergessen werden könnte“, sagt Pauli. Minister Madsen reißt die Augen auf. „Sie haben noch Drucker? Wir können doch alles digitalisieren!“

Minister lacht über das Landratsamt

Der Däne schlägt Pauli vor, die Kopierer in den Keller zu stellen. Dann seien die Mitarbeiter zu faul, um Papier zu verschwenden. Ehe der Minister sich weiter über das Landratsamt lustig machen kann, schlägt Lanz den Bogen nach Bremen, der Erwartungshaltung der Bürger gegenüber Vater Staat und dem Fachkräftemangel trotz Zuwanderung.

Pauli wettert gegen das Demokratiemonster

Nach 53 Minuten Sendezeit sind die Studiokameras auf Pauli gerichtet. Er wettert gegen die Bürokratiemonster, die „einem aus Berlin vorgekaut werden und von den Kommunen nicht mehr zu leisten sind“. Demokratie fängt für den Landrat unten an, da wo Kindergärten, Kläranlagen und Friedhöfe verwaltet werden.

Moderator Lanz rechnet vor: Baden-Württemberg habe doppelt so viele ukrainische Flüchtlinge aufgenommen wie Frankreich. Viele strömten nun aus Frankreich nach Deutschland – und aus Polen. Pauli ahnt, warum. „Wer in Polen arbeitet, bekommt 300 Euro. In Deutschland bekommt eine Familie 1500 Euro Sozialleistungen. Plus Wohngeld und Nebenkosten.“

Für viele war das Gehalt zu niedrig

Im Zollernalbkreis haben Firmen mit Beginn der ersten Flüchtlingswelle Jobbörsen für die Ukrainer auf die Beine gestellt, berichtet Pauli dem Fernsehpublikum. Die potenziellen Arbeitgeber „waren enttäuscht“. Für 1600 Euro, die sie bieten konnten, habe kaum ein Ukrainer arbeiten wollen.

Die Uhr zeigt Mitternacht, als Paulis großer Auftritt kommt. Zu Beginn der Flüchtlingswelle, 2014, sei die Bereitschaft der Menschen, sich ehrenamtlich zu engagieren, groß gewesen, Sprachkurse habe es gegeben.

Im beschaulichen Killer eskaliert es

Und dann das: in einer ehemaligen Jugendherberge waren 100 Menschen aus Georgien und dem Maghreb untergebracht, alle mit schlechter Bleibeperspektive. Binnen weniger Wochen, weiß Lanz, habe man 40 Straftaten verzeichnet.

Das seien gerade mal 10 bis 15 Prozent der Geflüchteten, merkt der Landrat an. „Wir haben Hausarrest verhängt“, sagt Pauli. Und: „Die meisten sind motiviert und dankbar“.

Dann der Schwenk zum 19. Juli, jener Tag, der Killer bundesweit in die Schlagzeilen brachte. Bei einer Bürgerversammlung wurde Pauli ausgebuht, niedergeschrien, musste den Saal verlassen. Hintergrund: Im leerstehenden Gasthof Lamm direkt an der Hauptstraße sollten bis zu 40 Geflüchtete untergebracht werden – sehr zum Unmut der knapp 600 Einwohner.

Pauli hatte ein „unterirdisches Erlebnis“

Der Sender spielt ein Youtube-Video ein. Pauli wirkt darin unsicher, die Stimmung ist aufgeheizt. Lanz kommentiert mit einem Wort: „aggressiv.“

Pauli reflektiert den Abend als „unterirdisches Erlebnis, unflätig“. Er erwarte vom Bund, dass dort der Appell der Kommunen gehört werde. Der Abend sei nur die Spitze des Eisbergs gewesen.

Pauli möchte noch viel sagen. Lanz auch. Beide sind brillante Rhetoriker und kommen kaum aneinander vorbei, fallen sich immer wieder ins Wort. Immerhin kann der Landrat anbringen, dass seiner Meinung nach die vergiftete Atmosphäre nicht von ungefähr komme, die Menschen hätten Zukunftsängste.