Harald Kujat, Vorsitzender des Aufsichtsrats des Waffenherstellers Heckler & Koch, steht vor dem Veranstaltungsort Badhaus, wo die Hauptversammlung der Firma stattfindet. Foto: Wolf von Dewitz/dpa

Ex-Geschäftsführer Andreas Heeschen steht in Kritik. Sinnhaftigkeit von Entscheidungen bezweifelt. Mit Kommentar

Rottweil/Oberndorf - Von wegen besinnliche Vorweihnachtszeit, zumindest nicht beim Oberndorfer Waffenhersteller Heckler & Koch (HK). Bei der achtstündigen außerordentlichen Mitgliederversammlung im Rottweiler Badhaus fährt am Donnerstag vor allem der Vertreter der Luxemburger Finanzholding CDE, Rechtsanwalt Sebastian Ens, schwere Geschütze auf. Hinter der CDE steht der Franzose Nicolas Walewski. Und dieser Nicolas Walewski strebt die Aktienmehrheit bei den Oberndorfern an. Die hat bislang Andreas Heeschen mit knapp zwei Dritteln des Stammkapitals.

Allerdings hat er, wie am Donnerstag bekannt wird, seit 2015 im Rahmen eines Darlehensvertrags 10 Millionen Aktien an die CDE verpfändet, die der Franzose nun haben will. Am Donnerstag ist Heeschen deshalb Haupt-Zielscheibe der Giftpfeile, die CDE-Vertreter Ens in Form eines regelrechten Fragen-Dauerfeuers abschießt. Der 59-jährige Heeschen hatte erst im November angekündigt, seine HK-Mehrheit an einen wichtigen Großaktionär abgeben zu wollen – wie sich unlängst herausgestellt hat, an die Luxemburger CDE. Doch irgendetwas muss in den vergangenen Wochen passiert sein, dass das Geschäft zwischen Heeschen und Walewski allem Anschein nach nicht in bester Atmosphäre über die Bühne geht. Die beiden sind sich, das  ist zu hören und am Donnerstag auch zu spüren, mittlerweile offenbar spinnefeind.

Heeschens Versuche der Diversifizierung gehen gründlich daneben

Wieso? Das wird auch während der außerordentlichen Hauptversammlung nicht klar. Diese hatte Heeschen bewirkt, der zunächst nur die Vergütung des Aufsichtsrats und später dann noch seine Wahl zum vierten Aufsichtsratsmitglied auf die Tagesordnung setzen ließ. Wieso überhaupt und wieso so kurz nach der ordentlichen Hauptversammlung im Sommer? Immerhin beziffern die HK-Vorstandsmitglieder die Kosten für die Veranstaltung am Donnerstag auf rund 75.000 Euro. Eine Antwort bekommen die Aktionäre darauf freilich nicht. Andreas Heeschen ist nämlich – wie bei den vergangenen Hauptversammlungen schon  – nicht anwesend. Aus persönlichen Gründen heißt es. Er lässt sich – auch das ein gewohntes Bild – von seinem Anwalt vertreten.

Waren HK-Hauptversammlungen bislang stets eine klare Sache, weil die Großaktionäre an einem Strang zogen, ist am Donnerstag alles anders. Im Badhaus stellen nämlich  nicht nur Vertreter der kritischen Aktionäre und der Friedensbewegung  kritische Fragen. Vor allem der Vertreter des Großaktionärs CDE macht deutlich,  dass man die Sinnhaftigkeit von Entscheidungen vergangener Jahre bezweifle. Vor allem ging es um einen 2006 aufgenommenen, mit 9,25 Prozent sehr hoch verzinsten 100-Millionen-Euro Kredit. Mit dem Geld stemmte HK Investitionen in andere Branchen, die aber überwiegend scheiterten. Nun scheint den Waffenhersteller  im Machtkampf seine Vergangenheit einzuholen. Wie aus den Ausführungen des Vorstandsvorsitzenden Jens Bodo Koch hervorgeht, wurde damals zum Beispiel ein 16-Millionen-Euro-Kredit an einen Wertpapierhändler, der in der Finanzkrise in Schieflage geriet, "in voller Höhe wertberichtigt".

Auch ein 2-Millionen-Darlehen an eine Geschäftsflugzeugfirma wurde wertberichtigt, die Investition in das später insolvente Gartengeräteunternehmen Wolf Garten war ebenfalls ein Flop. Sogar in einen Diamantenhändler investierte die HK Beteiligungsgesellschaft im vergangenen Jahrzehnt – dies immerhin ohne Verlust für die Firma aus Oberndorf. Insgesamt mussten knapp 140 Millionen Euro wertberichtigt werden.

Es ist eine Art Chronologie des Scheiterns, die der seit 2018 amtierende Vorstandschef Koch als Antwort auf die CDE-Fragen verliest. Die Liste der Investment-Flops erklärt, warum der Schuldenberg der 900-Mitarbeiter-Firma noch heute so hoch ist. Darlehen von 237 Millionen Euro lasten auf dem Unternehmen – die Schulden sind damit in etwa so hoch wie der Jahresumsatz. Auch bei Friedensaktivisten, die einzelne Aktien als Zugang zur Versammlung des Waffenherstellers nutzen und dem Vorstand dort regelmäßig die Leviten lesen, stößt das Geschäftsgebaren von Haupteigner Heeschen im vergangenen Jahrzehnt auf Unverständnis. Der 59-Jährige habe eine "Selbstbedienungsmentalität" gezeigt, monierte einer der Kleinaktionäre.

Der verdiente Ex-General Harald Kujat gerät zwischen die Fronten

Dagegen wehrt sich Heeschen im Anschluss an die Versammlung per Telefon über seinen Anwalt: "Ich weise den Vorwurf der Selbstbedienung absolut zurück", betont er. Man habe sich damals diversifizieren wollen und deshalb in andere Branchen investiert – dass dies daneben ging, habe an der Finanzkrise gelegen. Weiters will er sich zum Machtkampf nicht äußern. Gewissermaßen zwischen die Fronten geriet in dem Machtkampf der Aufsichtsratsvorsitzende Harald Kujat. Der 77-jährige Ex-General wurde erst im Sommer auf Betreiben Heeschens  zum Oberaufseher des Waffenbauers gewählt. Er sitzt bei der Versammlung schweigend auf dem Podium und hört zu. Nur ab und an wirkt er grantig; dann, wenn sich Fragen wiederholen oder auf Dinge beziehen, die laut seiner Einschätzung klar sein müssten. "Das steht doch in Wikipedia", raunzt er einen Aktionär an, der sich für den Lebenslauf von Haupt-Aktionär Heeschen interessiert.

Noch sitzt er auf seinem Stuhl, an dem vor allem die Luxemburger Finanzholding CDE am Montag kräftig rüttelt. Ihr Antrag auf Abberufung Kujats aus dem Kontrollgremium scheitert deutlich und bekommt nur 9,5 Prozent Zustimmung. Das ist keine Überraschung, da Heeschen zum pensionierten Militär hält. Die Finanzholding CDE monierte, dass der Ex-General keine Wirtschaftserfahrung habe und zu alt sei. Die Geschäftsordnung von Heckler & Koch sieht nämlich vor, dass ein Aufsichtsratsmitglied in der Regel nicht älter als 70 Jahre sein soll. Ein Muss ist das aber nicht. Wieso das der CDE erst jetzt auffällt? Im Sommer, bei der Wahl Kujats, schien dessen Alter noch keine Rolle zu spielen. Auch keine Überraschung: Heeschen wird als viertes Mitglied in den Aufsichtsrat gewählt – ebenfalls gegen den erbitterten Widerstand der CDE.

Und wie geht es nun weiter, nachdem unter anderem die CDE Widerspruch gegen einzelne Tagesordnungspunkte eingelegt hat? Laut Sebastian Ens wolle man sich dadurch die Möglichkeit für rechtliche Schritte offen halten. Und:  "Herr Heeschen ist erst Aufsichtsratsmitglied, wenn das im Handelsregister eingetragen ist." Will heißen: Der Machtkampf um das Sagen bei Heckler  & Koch ist noch längst nicht entschieden. Ganz im Gegenteil: Die Tatsache, dass erstmals ein Großaktionär bei einer HK-Hauptversammlung auf Konfrontationskurs geht ist ein deutlicher Warnschuss. Und alles andere als eine gute Voraussetzung für besinnliche Weihnachten.

Kommentar: Blanker Hohn

Von Marcella Danner

Der Oberndorfer Waffenhersteller Heckler & Koch ist es gewohnt, dass er permanent unter Beschuss steht. Mal finden die Gefechte bei nervenaufreibenden Prozesse um illegale Waffenlieferungen vor Gericht statt, mal schießt das Verteidigungsmisnterium gegen das Sturmgewehr G 36.

Doch die Schlammschlacht, die am Donnerstag in der außerordentlichen Mitgliederversammlung der Heckler & Koch AG in Rottweil ausgetragen wurde, nimmt selbst Branchenkenner Wunder. Öffenlich – es waren viele Journalisten anwesend – eröffneten Vertreter der Luxemburger Finanz-Holding CDE verbal das Feuer auf Noch-Hauptanteilseigner Andreas Heeschen. Dabei wurde vom Vorstand des Unternehmens erstmals öffentlich bestätigt, was schon lange gemunkelt wird: Darlehen an Firmen von Heeschen mussten in dreistelliger Millionenhöhe abgeschrieben werden. Den Großteil seiner Anteile hat der Mehrheitsaktionär verpfändet.

Er selbst ließ er sich in Rottweil nicht blicken. Bei der Betriebsversammlung am Firmensitz wenige Tage zuvor allerdings schon. Was jetzt ans Tageslicht kam, muss die Mitarbeiter, die zur Konsolidierung ihrer hoch verschuldeten Firma auf Lohn verzichten, wie blanker Hohn treffen.