Unfassbar steil und damit schwer zu pflegen und zu beweiden ist der Hang "Steinbruchhalde" bei Nusplingen. Foto: Löderbusch Foto: Schwarzwälder Bote

Naturschutz: Experte spricht sich im Gemeinderat für Fortsetzung der Beweidung der Steinbruchhalde aus

Ein wahres Paradies für seltene Arten soll das Gebiet "Steinbruchhalde" an der Roßsteige auch weiterhin bleiben und deshalb auch künftig von Ziegen beweidet werden. Der Vortrag von Wilfried Löderbusch im Gemeinderat zeigte, warum.

Nusplingen. Vorträge von solcher Qualität in punkto Informations- und Unterhaltungswert sind selten, wie Bürgermeister Jörg Alisch und seine Gemeinderäte in der Sitzung am Donnerstag deutlich machten, nachdem Diplom-Biologe Wilfried Löderbusch geendet hatte. Der Markdorfer hatte sich im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Zollernalbkreis 2019 sieben Mal den steilen Südwesthang "Steinbruchhalde" angesehen, Fauna und Flora untersucht und dabei festgestellt, dass dort nicht wenige Arten leben, die bereits vom Aussterben bedroht sind oder auf der "Vorwarnliste" stehen. Ziel der Untersuchung: Löderbusch sollte feststellen, wie sich die Fläche seit der Beschreibung 2014 unter dem Einfluss der Beweidung durch Manfred Schinachers Ziegen entwickelt hat und ob diese fortgesetzt werden soll.

Was manche dabei kritisieren: Während der Beweidung, die zwischen sechs und zwölf Wochen pro Jahr dauert, je nach Wetter, Zustand des Hangs und Zahl der Ziegen, ist das 5,2 Hektar große Areal eingezäunt und ein Fußweg dadurch nicht nutzbar. Was Schinacher verteidigte: Selbst sein eigener Sohn habe sich schon vor den Ziegen auf einen Felsen flüchten müssen. "Die Tiere haben Waffen auf dem Kopf und zudem möchte ich sie nicht im Ort einfangen müssen – da mache ich mir keine Freunde."

Dass die Ziegen Gehölze abbeißen und mit ihren Hufen auch Gewächse beschädigen, verteidigte wiederum Löderbusch: "Trittschäden sind nicht nur negativ. Viele Arten profitieren davon." Schmetterlinge etwa gingen immer an vorgeschädigte Pflanzen, und manches "Nest" aus toten Zweigen sei der einzige Zufluchtsort seltener Reptilien vor Fressfeinden.

Die Traubenhyazinthe hat einst ganze Wiesen in blaue Farbe getaucht

150 Pflanzenarten hat Löderbusch gefunden, darunter die gefährdeten Berg-Lauch, Traubenhyazinthe, die früher ganze Wiesen in Blau getaucht habe, Nelken-Sommerwurz und Kugelige Teufelskralle. Überrascht hat ihn, dass Zauneidechsen in dieser Höhe – zwischen 750 und 830 Meter über dem Meeresspiegel, dort siedeln. Und die 40 Arten von Tagfaltern seien "ausgesprochen viel für so eine Fläche". Darunter sind viele gefährdete wie das Ampfer-Grünwidderchen und der Himmelblaue Bläuling.

15 Heuschreckenarten leben mit ihnen zusammen, zudem mehrere Vögel, Schnecken, Käfer und sonstige Tiere wie der Schmetterlings-Haft, ein Netzflügler, der nur bei Sonne im Flug Insekten fängt und verspeist. "Ihn hatte ich seit zehn bis 15 Jahren nicht mehr gesehen", betonte Löderbusch. Die Kritik an der Beweidung, so schreibt er in seiner Beurteilung, habe sich auch auf die vermutete Beeinträchtigung von Orchideen bezogen, von denen er aber nur eine Art gefunden hat – eine weit verbreitete.

Ausdrücklich empfahl der Fachmann, die Intensität der Beweidung nicht zu verringern, denn der Fichtenflug sei stark und auch Sträucher kämen an vielen Stellen auf. Dass die Vegetation durch den Verbiss "zerrupft" aussehe, sei mehr ein zeitweises und ästhetisches Problem.

Würde die Beweidung verringert, wären weit mehr pflegerische Maßnahmen nötig – der Fanfarenzug übernimmt diese Aufgabe einmal pro Jahr. Was die losen Steine angeht, die teilweise vom Steilhang auf die Verbindungsstraße zwischen Nusplingen und Obernheim rollten, empfahl Löderbusch eine niedrige Mauer entlang der Straße.

Arnold Kleiner von der Naturschutzbehörde, der mit seiner Kollegin Anne Buhl in der Sitzung war, betonte, dass er den Beweidungsvertrag mit Schinacher gerne verlängern möchte – was sich mit Löderbuschs Empfehlung deckte. Der hatte mit seinem Vortrag auch das Gremium und die Verwaltung überzeugt.