Von den Schäden durch das Hochwasser hat sich Olaf Scholz, Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat, schon am Donnerstag vor Ort ein Bild gemacht. Foto: dpa/Thomas Frey

Nach dem Hochwasser will der Bund als Soforthilfe gut 300 Millionen Euro bereitstellen. Auch beim Wiederaufbau kann man auf die Erfahrung der Jahre 2002 und 2013 zurückgreifen. Doch die Zeit drängt.

Berlin - Im Finanzministerium ist das Wochenende ausgefallen. Es würden „Gespräche auf allen Ebenen“ geführt, sagte ein Sprecher. Hausherr Olaf Scholz. Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat sprach in der „Bild am Sonntag“ von einem „nationalen Kraftakt“, der nun organisiert werden müsse. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte bei einem Besuch in der rheinland-pfälzischen Gemeinde Schuld, Bund und Länder würden sich der Naturkatastrophe gemeinsam entgegenstellen: „Glücklicherweise ist Deutschland ein Land, das das finanziell stemmen kann.“

 

Und es muss gerade mit Blick auf die notleidenden Menschen in den vom verheerenden Hochwasser besonders betroffenen Gebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz schnell gehen. Schon zur Sitzung des Bundeskabinetts am Mittwoch will Scholz Vorschläge vorlegen und verabschieden lassen. Am Samstag holten das Kanzleramt und Scholz’ „Vizekanzleramt“ bei den Bundestagsfraktionen von Union und SPD schon einmal die informelle Zustimmung ein – schließlich muss mindestens der Haushaltsausschuss die geplanten Mehrausgaben billigen.

Das finanzielle Vorgehen nach der Flut 2013 dient als Vorbild

In der Bundesregierung ist man sich bereits einig, dabei nach dem Muster der Flut im Jahr 2013 zu verfahren. Schon damals gab es im Prinzip drei Finanzierungssäulen – die Soforthilfe, einen Fonds für die längerfristigen Kosten des Wiederaufbaus sowie Geld für Reparatur, Instandsetzung oder Neubau von bundeseigenen Straßen, Brücken, Schienenwegen oder Wasserstraßen.

Scholz kündigte in dem Interview am Wochenende an, die Soforthilfe am Bedarf 2013 auszurichten. „Bei der letzten Flut waren dafür deutlich mehr als 300 Millionen Euro nötig“, so der Finanzminister: „da wird jetzt sicher wieder so viel gebraucht.“ In einem Kabinettsbericht ist von Verträgen mit den betroffenen Ländern die Rede, die es auch nach dem neuen Hochwasser geben dürfte: „Mit diesen Fluthilfeabkommen werden Soforthilfemaßnahmen für Haushalt und Hausrat, Schäden an Wohngebäuden, gewerbliche Unternehmen und Angehörige freier Berufe, land- und forstwirtschaftliche Schäden sowie die geschädigte Infrastruktur in den Gemeinden unterstützt.“

Ausgezahlt wird ausschließlich über die Länder

Im Jahr 2002 hatte der Bund Hilfsgelder noch direkt an die Geschädigten des Hochwassers etwa im sächsischen Grimma ausbezahlt. Die Soforthilfe nach den Dauerregenfällen 2013, die in mehreren Regionen zu schweren Überflutungen führten, war dann über die Länder abgewickelt worden – die ohnehin eigene Programme beschlossen und „Handgelder“ an jene verteilt hatten, die wirklich alles in ihren Häusern zurücklassen mussten. Dieses Vorgehen, das sich nun wiederholen soll, ermöglichte dem damaligen Kabinettsbericht zufolge „eine Abwicklung aus einer Hand, da auch die Aufbauhilfen durch die Länder gezahlt und verwaltet werden“.

Der mittel- und langfristige Wiederaufbau wird auch nach dem neuerlichen „Jahrhunderthochwasser“ durch ein Aufbauhilfegesetz des Bundes unterstützt werden. Am 5. Juli 2013 wurde per Bundestagsbeschluss ein Sondervermögen von acht Milliarden Euro angelegt (nach der Flut 2002 waren von Bundesseite sieben Milliarden Euro bereitgestellt worden). Von dieser Summe sind bis zum heutigen Tag nach Auskunft der Unionsbundestagsfraktion fünf Milliarden Euro abgeflossen, weitere 1,2 Milliarden Euro werden derzeit noch verbaut, 1,8 Milliarden Euro wurden demnach schlussendlich nicht benötigt.

Kanzlerin rechnet mit größerer Dimension als 2013

Die finanzielle Dimension der aktuellen Katastrophe ist noch unklar. Aber auch Kanzlerin Merkel sprach am Sonntag im Zusammenhang mit den Hochwassern von 2002 und 2013 davon, dass jene „längst nicht so schlimm“ gewesen seien. Insofern dürfte auch der Geldbedarf noch einmal höher ausfallen als damals.

Klar ist nach Informationen unserer Zeitung aber bereits, wer sich wie an der neuen Aufbauhilfe beteiligen soll. Auch hier orientiert man sich am Vorgehen vor acht Jahren. Insgesamt 1,5 Milliarden Euro wurden damals zur Verfügung gestellt, um Autobahnen, Bundesstraßen oder Gleisstrecken wieder nutzbar zu machen – diese Kosten übernahm der Bund alleine. Den restlichen Betrag von 6,5 Milliarden Euro finanzierten Bund und Länder damals je zur Hälfte.

Geregelt wurde im damaligen Gesetz auch, dass von der Hochwasserkatastrophe betroffene Unternehmen nicht sofort Insolvenz beantragen müssen. Wie schon in der Coronazeit dürften die entsprechenden Vorschriften nun erneut vorübergehend ausgesetzt werden.

Die Landesregierungen strecken vor, Bund zahlt rückwirkend

Die Umsetzung wird noch dauern. Die Soforthilfe soll laut Scholz „noch im Juli“ fließen. Merkel betonte, dass Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bereits jetzt Zahlungen leisten können, an denen sich der Bund rückwirkend beteiligt, wenn der Bundestag nach dem Kabinettsbeschluss die Mittel freigibt. Erstes Geld aus dem Aufbaufonds kündigte Scholz „noch in diesem Jahr“ an.

Von der Höhe des Schadens oder vom möglichen Einsatz des europäischen Solidaritätsfonds hängt ab, ob es für die neue Fluthilfe einen Nachtragshaushalt braucht. Scholz rechnet damit, dass die Soforthilfe aus dem laufenden Etat finanziert werden kann. Zur deutlich größeren Aufbauhilfe, die sich über mehrere Jahre hinziehen wird, vermied er eine Aussage. 2002 und 2013 waren Nachtragsetats nötig. Dieses Jahr ist wegen der Pandemie ohnehin geplant, nach der Wahl einen „Kassensturz“ zu machen und Finanzlage wie Finanzbedarf neu zu berechnen – die Hochwasserkatastrophe wird dabei zu einem neuen Faktor.