Michael Rieger zieht alle Register, doch Alexandra Pies (rechts) lässt sich nur schwer besänftigen. Mit finsterer Mine beobachtet der Hexerich der Nesthexen die Verhandlung. Foto: Richard Schuster

Bürgermeister Michael Rieger muss nicht nur den Rathausschlüssel abgeben. Vor einem Narrengericht werden ihm außerdem schwerwiegende Verfehlungen vorgeworfen.

Das war mal eine perfekt orchestrierte närrische Aktion! Die vergangenen drei Jahre, die ja coronabedingt ohne Sturm auf das Rathaus abliefen, wurden von den Narrole ganz offensichtlich zum heimlichen Ausbaldowern genutzt.

Sie hatten es in früheren Jahren am Schmotzigen Donschdig noch bei der rein formellen Übernahme der Macht belassen. Doch heuer zogen Fohrebobbele und Co. die Daumenschrauben gewaltig an – Bürgermeister Michael Rieger musste wegen seiner Verfehlungen vor das Narrengericht, das auf der Freifläche vor dem Eingang zur Tourist-Information in aller Öffentlichkeit tagte.

Rathaus zur Festung ausgebaut

Das Rathaus war zur Festung ausgebaut worden und wurde von tapferen Mitarbeitern zäh verteidigt. Aber es war vergebens: Spätestens mit dem Abfeuern der närrischen Artillerie – die Bürgerwehr Peterzell brachte ihre Kanone in Stellung – war der Widerstand gebrochen.

Die Entmachtung: Der Ortsbüttel bringt den Rathaus-Schlüssel zur Übergabe an die Narren. Zufrieden beobachtet Alexandra Pies (rechts) die Szene. Foto: Richard Schuster

Kurz darauf wurde der für abgesetzt erklärte Schultes der närrischen Menge präsentiert – in Sträflingskleidung und mit der aufgenähten Häftlings-Nummer „78112“. Das Narrengericht, bestehend aus den Vorständen der Zünfte, warf Michael Rieger schwerwiegende Verfehlungen zulasten der Bürger und der Stadt vor. So etwa habe er den Beschluss zur Verlegung eines roten Teppichs im Festsaal des „Roten Löwen“ zugelassen – aus Sicht der Narren ein Unding.

Weitere Anklagepunkte

Und es gab weitere Anklagepunkte: Das Wasser im Hallenbad sei viel zu kalt, es gehe nicht voran mit der Sanierung des Marktplatzes und die Straßen der Bergstadt seien in einem beklagenswerten Zustand. Die Zünfte mokierten sich auch über die schlechte Wasserqualität des Klosterweihers – und das immer im Sommer, wenn die Narren baden wollten. Sie zeigten sich skeptisch, ob die Ausbaggerung was bringe. Und schließlich habe es Querelen wegen des Rathaus-Schlüssels gegeben, warf Alexandra Pies dem Schultes vor.

Michael Rieger verteidigt geschickt den „roten Teppich“ im „Roten Löwen“. Matthias Aberle (rechts) von der Bürgerwehr bekommt das gute Stück anschließend geschenkt. Foto: Richard Schuster

Rieger verteidigte sich geschickt. Er räumte Fehler ein, beschwichtigte, erklärte. Er verteidigte den roten Teppich, indem er ein Stück davon der Menge präsentierte. Aber vor allem: Er spendierte Bier, um die Narren milde zu stimmen. Und als er dann auch noch einwilligte, die von den Weiherhexen gesammelte Spende für den Klosterweiher in Höhe von über 700 Euro großzügig auf glatt 1000 Euro aufzurunden, war der närrische Friede wieder hergestellt. Die Narren übernahmen den Rathaus-Schlüssel und regieren jetzt bis zur Fasnets-Verbrennung am Dienstag in der Bergstadt.