Der Nagolder Neu-Gemeinderat Martin Kern wirbt für konstruktive Zusammenarbeit auch mit der AfD. Foto: Kunert

47-Jähriger rückt für Parteikollegen Miguel Klauß ins Gremium. Er wirbt für Zusammenarbeit.

Nagold - Es fühlt sich ganz offensichtlich noch ungewohnt an für Martin Kern: Gemeinderat – für die Partei AfD. Kern ist als Nachrücker ins Gremium gekommen - für seinen Parteikollegen Miguel Klauß, dessen Wahl wegen fehlerhafter Angaben zum Wohnsitz für ungültig erklärt worden war.

"Ganz klar - ich bin Einsteiger in der Kommunalpolitik", sagt der 47-jährige gelernte Werkzeugmacher, der parallel auch in den Kreistag nachrücken musste. Er wolle aber nun auch konzentriert in die neue Verantwortung und Themen hineinwachsen, peu à peu dann auch in der politischen Arbeit seine eigenen Schwerpunkte setzen.

"Wir müssen einfach ehrlicher werden"

Die ersten Sitzungen als Nagolder Gemeinderat hat Kern mittlerweile hinter sich. Auch eine Ausschusssitzung - in Vertretung von Parteikollege Günther Schöttle. Wobei er bei einer Diskussion zum Thema Mobilität bereits den Ursprung für seine Intention, vor zwei Jahren ausgerechnet der AfD beizutreten, bestätigt sah: "Wir müssen einfach ehrlicher werden", sagt Kern - in der Gesellschaft, gerade auch in der Politik.

Das Beispiel aus dem Nagolder Gemeinderat: Als die Grünen-Fraktion mit Blick auf die angekündigten "autofreien Innenstädte" in Stuttgart und Tübingen ein Überdenken der Finanzierung von neuen Parkhäusern auch in Nagold bereits für das kommende Haushaltsjahr einforderte (die Eigenbetriebe wollen rund sieben Millionen Euro unter anderem ins Parkhaus Nord investieren), konterten - aus Sicht der AfD und Martin Kern - mit den CDU- und FDP-Vertretern im Stadtparlament ausgerechnet jene Parteien diesen Einwurf, "die die grünen Ideologien und Bevormundungen aktuell auf Bundes- und Landesebene mit hoffähig" gemacht hätten.

"CO2-Neutralität und die Verkehrswende bedeuten Verzicht und Verlust", formuliert Kern hier seine grundsätzliche Kritik. "Verzicht und Verlust", die aber aus seiner Sicht eigentlich hierzulande niemand wirklich wolle. Da hätten sich "die anderen Parteien leider komplett von ihrer eigentlichen Basis" in den kommunalen Bereichen entkoppelt. Würden die Alt-Parteien hier ihren "ursprünglichen Wählerauftrag auch insgesamt ernst nehmen", hätte es einer neuen, anderen Partei wie der AfD "nie bedurft".

Politische kritik an Gewerkschaften

Geboren in Böblingen, wuchs Martin Kern in Walldorf auf, besuchte in Altensteig die Hauptschule, später - mit Beginn seiner Lehre bei einem hiesigen Automobil-Zulieferer - in Nagold die Berufsschule. Wohnhaft ist Kern heute am Nagolder Steinberg. Seinem ursprünglichen Nagolder Lehrbetrieb hält er bis heute die Treue, allerdings spüre man auch dort den sich beschleunigenden Strukturwandel im Automobilsektor. "Die Arbeit wird weniger." Weshalb von Kern auch eine deutliche, politische Kritik an die Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter geht: "Von den Betriebsräten wünsche ich mir ein klares Bekenntnis zum Erhalt der Arbeitsplätze."

Stattdessen machten sich die Gewerkschafter "zum Erfüllungsgehilfen von Politik und Wirtschaft", wenn sie etwa - wie jüngst auf einer Betriebsversammlung bei seinem Arbeitgeber - allein für die "von ihnen erkämpfte Bereitstellung von Kurzarbeitergeld" und Umschulungsmöglichkeiten warben. Anstatt sich gegen diesen "künstlich herbeigeführten Strukturwandel" zu stemmen und "für den Erhalt unserer Jobs" zu kämpfen.

Für Martin Kern noch ein Grund für sein Engagement bei der AfD. Für die er sich im politischen Selbstverständnis - "wie für alle Parteien" - zudem einen faireren Umgang wünsche. Wie auch insgesamt einen respektvolleren Umgang mit der Meinungsfreiheit: "So etwas wie das Gerichtsurteil im Fall Renate Künast braucht kein Mensch."

Allerdings sei das Urteil auch nur konsequent, wenn im Gegenzug die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, laut einem anderen Gerichtsurteil ungestraft als "Nazi-Schlampe" tituliert werden dürfe. Beides sei nicht richtig, so Kern. Die "Meinungsfreiheit des Einzelnen" sollte deshalb aus seiner Sicht "da enden, wo das Persönlichkeitsrecht des anderen" in ungehöriger Weise verletzt werde. "Und zwar egal, welcher Partei der- oder diejenige angehört."

Sein erstes Ziel für seine Arbeit im Nagolder Gemeinderat sei es daher auch, dass "die konstruktive und sachorientierte Zusammenarbeit mit uns von der AfD das Normalste von der Welt" werden soll. Das wäre dann, so Kern abschließend, "wirklich gelebte Demokratie" - auch und gerade auf kommunaler Ebene.