Anfang des Jahres raste der Angeklagte in den Gegenverkehr. Das Rottweiler Landgericht hat ihn nun zur einer Freiheitsstrafe verurteilt. Foto: Maurer

Eigentlich kannte er die L 424 zwischen Sulz und Fischingen in- und auswendig, so sagt der 37-jährige Angeklagte aus dem Kreis Freudenstadt vor Gericht. Dennoch kollidierte er an einem Nachmittag im Januar 2021 mit einem entgegenkommenden Wagen, für dessen 41-jährigen Fahrer jede Hilfe zu spät kam.

Sulz/Rottweil - Dass jemand bei dem Unfall, den er verursacht hat, gestorben ist, damit komme er auch heute kaum klar, sagte der Angeklagte beim Prozess vor dem Rottweiler Amtsgericht. Er wisse nur noch, wie er an jenem 18. Januar kurz vor 16 Uhr den Steinbruch bei Fischingen passiert habe, nicht jedoch, wie es zu dem Unfall gekommen sei. Ursprünglich habe er an diesem Nachmittag einen Arbeitskollegen in Sulz abholen wollen, schilderte der Angeklagte. Doch alles kam ganz anders.

Später sei er auf dem Beifahrersitz seines Autos wach geworden und habe sich gefühlt, als sei er von einem Bus überrollt worden. Der eingeklemmte 41-Jährige, dessen Auto auf die Leitplanke aufgeschoben worden war, erlag noch vor Ort seinen schweren Verletzungen.

Drogenkonsum seit 2019

Schon seit 2019 etwa hatte der 37-Jährige regelmäßig Drogen konsumiert, wie er schilderte: unter der Woche morgens Amphetamine, um für seine fordernde Arbeit fit zu sein – das sei in seinem Gewerbe mittlerweile gang und gäbe und wirke wie "Koffein mal 100" – und am Wochenende abends Marihuana, um einschlafen zu können. Eine schwere Erkrankung in der Familie und die hohen Anforderungen bei der Arbeit hätten ihn belastet und dazu gebracht, wie er zugab.

Am Tattag selbst habe er keine Drogen konsumiert, jedoch nach dem Mittagessen zwei kleine Bier getrunken. Die Polizei stellte bei einem Atemalkoholtest eine Alkoholkonzentration von rund 0,8 Promille fest. Spätere Bluttests ergaben hingegen einen Wert von rund 0,4 Promille.

Er wolle nichts beschönigen und seine Schuld nicht bestreiten, stellte der Angeklagte klar. Über Bekannte habe er Kontakt zur Familie des Verstorbenen aufnehmen können. Der 41-Jährige hinterließ seine Frau und einen kleinen Sohn. Zuvor habe der Angeklagte sich jedoch sechs Wochen lang abgeschottet, erklärte sein Verteidiger. Der 37-Jährige sei auch nicht mehr zur Arbeit erschienen, was zum Verlust der Arbeitsstelle geführt habe.

Mehrfach vorbestraft

Im Rucksack des Angeklagten hatte die Polizei am Tattag Betäubungsmittel festgestellt. Eine Wohnungsdurchsuchung brachte größere Mengen von Amphetaminen und Marihuana zum Vorschein. Zudem war in einem Handychat vom Schmerzmittel Tilidin aus der Gruppe der Opiate die Rede gewesen. Der Angeklagte stritt den Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ab. Er habe nur deshalb größere Mengen beschafft, um einen niedrigeren Preis bezahlen zu müssen.

Richter Oliver Niefer fragte, ob der Angeklagte häufiger Alkohol konsumiere, und wies auf frühere Delikte in Zusammenhang mit Alkohol im Verkehr hin. Aufgrund dieser und ähnlicher Vergehen hatte der Angeklagte bereits mehrfach seine Fahrerlaubnis verloren. Vorbestraft ist der Angeklagte zudem wegen gefährlicher Körperverletzung.

"Wieso haben die früheren Probleme bei Ihnen nicht zur Einsicht geführt?", wollte der Richter wissen, warum sich der Angeklagte am Tattag im Januar erneut alkoholisiert ans Steuer begeben hatte. Der Vater zweier Kinder führte die Arbeitsbelastung an. Hätte er den Kollegen nicht abgeholt, so wäre der Druck auf ihn selbst noch stärker geworden, sagte er. Außerdem habe er in zwei kleinen Bier keinen Hinderungsgrund für eine Autofahrt gesehen.

Angeklagter trägt Schuld

Zwei Polizeibeamte, die vor Gericht aussagten, meinten zur Unfallursache, die Fahrbahn sei an jenem Tag nicht schneebedeckt oder glatt gewesen. Dass der Angeklagte den Unfall als Fahrer verursacht hatte, darauf wiesen vor allem verschiedene Spuren im Innenraum hin, erklärte der Kfz-Sachverständige vor Gericht. Das Opfer sei lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.

Hinsichtlich der Ursachen nannte der Sachverständige die nicht angepasste Geschwindigkeit des Angeklagten auf nasser Fahrbahn, eine verzögerte Reaktion und ein nicht situatives Lenkverhalten. All diese Punkte hatten laut seiner Aussage dazu geführt, dass der Angeklagte in den Gegenverkehr geriet und das Opfer keine Chance mehr hatte, auszuweichen.

Drogen im Blut entdeckt

Die Rechtsmedizinerin meinte, dass zur Tatzeit eine gefährliche Mischintoxikation beim Angeklagten Wirkung gezeigt habe. Neben Alkohol waren im Blut auch Rückstände von Amphetaminen und Marihuana nachgewiesen worden. Die Werte seien mit den Aussagen des Angeklagten nicht in Einklang zu bringen, erklärte die Sachverständige. Ein ähnliches Bild ergab sich bei den Promille-Werten.

Laut Staatsanwältin war dem 37-Jährigen bewusst, dass er zur Tatzeit nicht mehr fahrtauglich war. Er habe sich dennoch ins Auto gesetzt, trotz seiner Vorstrafen. Sie plädierte für eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Der Nebenklägervertreter schilderte die Situation der Hinterbliebenen, insbesondere des Sohnes, der nun ohne Vater aufwachsen müsse, was den Angeklagten sichtlich mitnahm.

Haftstrafe unumgänglich

Der Verteidiger plädierte für eine Bewährungsstrafe in Höhe von einem Jahr und zehn Monaten. Mit einer Gefängnisstrafe wäre keinem geholfen, weder der Familie des Angeklagten noch den Hinterbliebenen, meinte er. Auch sei wenig im Bezug auf den Unfall zu belegen, einzig die nicht angepasste Geschwindigkeit.

Mit seinen letzten Worten entschuldigte sich der 37-Jährige unter Tränen für seine Tat. Richter Oliver Niefer verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Die Tat lasse ihn immer noch fassungslos zurück, sagte er.