Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), warnt davor, dass ein schneller Rückgang der Inflation trotz der geplanten Zinserhöhungen nicht zu erwarten sei. Foto:  

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, erwartet einen schwierigen Kampf gegen die Inflation.

Die Europäische Zentralbank (EZB) verschärft den Kampf gegen die Inflation: Sie erhöhte ihre Leitzinsen am Donnerstag um 0,75 Prozentpunkte und kündigte weitere Schritte an. „Wir glauben, dass wir noch weit von dem Zinssatz entfernt sind, der uns zu einer Inflationsrate von zwei Prozent bringen wird“, sagte EZB-Chefin Christine Lagarde. Um auf den Weg dorthin zu gelangen, werde die Notenbank zügig handeln. „Dafür werden noch mehrere Treffen nötig sein, wahrscheinlich aber weniger als fünf“, sagte Lagarde.

 

Zugleich warnte die Französin, ein schneller Rückgang der Inflationsrate sei trotz der geplanten Zinserhöhungen nicht zu erwarten – im Gegenteil: „Auf kurze Sicht könnte die Inflation weiter anziehen.“ Denn: „Ich kann die Energiepreise nicht senken.“

Die Teuerungsrate bewegt sich auf Rekordniveau

Im August hatte die Inflationsrate im Euroraum 9,1 Prozent erreicht, das ist der höchste Stand seit Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 1999. Ziel der EZB ist es, die Zwei-Prozent-Marke innerhalb ihres Projektionszeitraums zu erreichen, der sich über die nächsten zwei Jahre erstreckt. Aktuell erwarten ihre Experten für das Jahr 2024 eine Teuerungsrate von 2,3 Prozent. Das sei noch zu hoch, sagte Lagarde.

Die Börse reagierte verschnupft auf die Pläne der EZB: Der Euro gab gegenüber dem Dollar erneut nach. Meistens wirken sich Leitzinserhöhungen positiv auf die betroffene Währung aus, weil diese mit einer höheren Verzinsung für Anleger tendenziell attraktiver wird. Im Fall des Euro überwiegt jedoch die Angst, dass die EZB-Beschlüsse die angeschlagene Wirtschaft vor zusätzliche Probleme stellen. Mit den Zinsen steigt auch die Gefahr, dass Unternehmen Investitionsvorhaben zurückstellen und Verbraucher ihren Konsum weiter einschränken.

Ökonomen warnen vor einer Rezession

Die EZB selbst senkte am Donnerstag ihre Wachstumsprognose für die Eurozone auf 3,1 Prozent in diesem und nur noch 0,9 Prozent im kommenden Jahr. Im Falle einer weiteren Eskalation der Energiekrise hält sie auch eine Rezession für möglich. Einige Ökonomen prognostizieren, dies sei unvermeidlich.

So erwartet die Privatbank Berenberg für 2023 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,5 Prozent. „Wenn der EZB das Ausmaß der Rezession klar wird, wird sie die Zinserhöhungen wahrscheinlich Anfang 2023 aussetzen“, schrieb Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding in einem Kommentar. „Der Rekordzinsschritt der EZB kommt zu spät“, kommentierte auch sein Kollege von der DZ-Bank, Michael Holstein. „Nun müssen die Notenbanker eine mögliche Verschärfung des konjunkturellen Abschwungs riskieren, um den Inflationsauftrieb abzubremsen.“

Lob für die „Kurskorrektur“

Grundsätzlich aber begrüßten Vertreter von Banken und Forschungsinstituten die Zinserhöhung. „Besser spät als nie“, erklärte der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest. „Die EZB korrigiert ihren Kurs mit der größten Leitzinserhöhung ihrer Geschichte und setzt ein klares Zeichen gegen den hohen Inflationsdruck in der Eurozone“, lobte die Präsidentin des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken, Marija Kolak.

Für die Banken bedeuten die Beschlüsse vom Donnerstag, dass sie auf ihre Einlagen bei der EZB wieder Zinsen erhalten: Der Einlagensatz steigt mit Wirkung zum 14. September von 0 auf 0,75 Prozent. Umgekehrt müssen die Geschäftsbanken für Darlehen der Zentralbank künftig höhere Zinsen zahlen, der dafür maßgebliche Satz wird von 0,5 auf 1,25 Prozent erhöht. Noch bis Juli hatte er bei null gelegen, damals hob die EZB zum ersten Mal seit elf Jahren ihre Leitzinsen an.

Folgen für Bankkunden

Die Straffung der Geldpolitik macht sich auch für Verbraucher bemerkbar. Laut dem Vergleichsportal Check 24 sind die Zinsen für Ratenkredite seit Jahresbeginn um 30 Prozent gestiegen. Noch drastischer war die Entwicklung bei Immobiliendarlehen. Nach einem leichten Rückgang im August liegen die Zinsen für Wohnbaukredite mit zehn Jahren Zinsbindungsfrist jetzt wieder bei rund drei Prozent. Der Finanzierungsvermittler Dr. Klein prognostiziert bis zum Jahresende einen weiteren Anstieg. Auch in die Verzinsung von Bankkonten ist Bewegung gekommen. Laut einem Überblick der FMH-Finanzberatung zahlen einzelne Banken auf Tagesgeldkonten nun 0,5 Prozent Zinsen. Wer seine Ersparnisse für 24 Monate auf ein Festgeldkonto packt, kann bis zu 1,8 Prozent Zinsen pro Jahr bekommen. Angesichts der hohen Inflationsrate reichen diese Zinsen aber bei Weitem nicht aus, um den Kaufkraftverlust des Geldes zu kompensieren.

Gleichzeitig belasten die durch die steigenden Zinsen verschärften Rezessionssorgen die Aktienmärkte: „Neue Kursfantasie wird wohl erst aufkommen, wenn absehbar wird, dass die Inflationsraten deutlich zurückgehen“, meint Michael Heise, Chefökonom des Vermögensverwalters HQ Trust.