Mit einem bizarren Kräftemessen mit juristischen Mitteln ging der Prozess gegen einen Rechtsanwalt vor dem Amtsgericht Freudenstadt weiter. Foto: Feinler

Prozess vor dem Amtsgericht Freudenstadt geht mit bizarrem juristischen Kräftemessen weiter.

Mit einem bizarren Kräftemessen mit juristischen Mitteln ging der Prozess gegen einen Rechtsanwalt vor dem Amtsgericht Freudenstadt weiter. Dabei stellte der Angeklagte Befangenheitsanträge.

Freudenstadt - Es ist nicht das erste Mal, dass der wegen Veruntreuung angeklagte Rechtsanwalt nicht zur Verhandlung erschienen ist. Zumindest äußerlich bleibt Richter Rainer Graf-Frank gelassen, als er die schriftliche "Entschuldigung" des Abwesenden verliest. Von einer "starken Erkältung" ist darin die Rede, auch ein Corona-Kontakt sei nicht auszuschließen – undenkbar also, dass er im Gerichtssaal erscheine.

Der junge Staatsanwalt freilich sieht das anders. "Keine ordnungsgemäße Entschuldigung", moniert er und schlägt die Anordnung eines sofortigen Corona-Schnelltests vor. "Dem stimme ich zu", so die Reaktion des Richters. In gut einer Stunde solle der Angeklagte in Baiersbronn zum Corona-Schnelltest erscheinen, dann umgehend im Gerichtssaal in Freudenstadt.

Richter und Staatsanwalt drängen zur Eile

Diesmal drängen Richter, Staatsanwalt und Verteidigung zur Eile, weitere Verzögerungen will man offenbar nicht hinnehmen. Tatsächlich schleppt sich der Prozess bereits seit Monaten dahin. Seit Mitte Juli läuft das Verfahren, im dem es um Veruntreuung von Mandantengeldern in erheblicher Höhe geht. Unter anderem soll der Beschuldigte das Haus einer alten Dame aus Singen verkauft haben, für einen "Spottpreis", wie es heißt – und zu allem Überfluss sei das Haus an die Ehefrau des Angeklagten gegangen.

Diesmal erscheint der Angeklagte tatsächlich nach gut eineinhalb Stunden nach der Unterbrechung im Gerichtssaal. Ein schmächtiger Mann, brauner Pullover, Anorak, äußerlich eine unauffällige Erscheinung. Demonstrativ wendet er seinem Pflichtverteidiger den Rücken zu, doch entschlossen meldet sich der Beschuldigte zu Wort, stellt unverzüglich einen Befangenheitsantrag.

Wieder geht es um Corona. Die Anordnung zum Schnelltest sei eine reine "Machtdemonstration" des Richters gewesen. Der Test sei völlig sinnlos gewesen, nur einen Tag nach einem möglichen Corona-Kontakt sei der Test "null wert", das wisse auch der Richter sehr genau, so der Angeklagte. Doch der Richter bleibt weiter gelassen: "Machen wir mit der Hauptverhandlung weiter".

Sofort stellt der Angeklagte einen weiteren Befangenheitsantrag, wieder geht es um Corona. Der Schnelltest habe eine viel zu geringe Aussagekraft. Wieder ist von "Machtdemonstration" die Rede. "Die Hauptverhandlung wird fortgesetzt", sagt der Richter.

Verhandlung gestaltet sich schwierig

Bei der anschließenden Zeugenbefragung eines Anwalts aus Berlin geht es wiederum um Mandantengelder. Der Beschuldigte soll in einem Erbstreit rund 300.000 Euro für seinen Mandanten erhalten haben, dieses Geld aber lediglich nach Ermahnungen, verzögert und in kleineren Raten weitergereicht haben. Das sei "mehr als ungewöhnlich gewesen", so der Rechtsanwalt aus Berlin. In einem Telefongespräch habe der Beschuldigte seinerzeit erklärt, sein Mandant würde "sein Geld schon noch bekommen". Worauf der Angeklagte und der Zeuge – beides Anwälte – sich in einen kurzen, angeregten bis heftigen Wortwechsel einlassen.

Dass der Mandant des Angeklagten in Thailand lebt und mehrfach erklärt habe, er werde nicht vor Gericht erscheinen, macht die Wahrheitsfindung nicht einfacher. Ein schwieriger Prozess allemal, über die Befangenheitsanträge soll später entschieden werden. Für Anfang Dezember ist die nächste Verhandlung vorgesehen, vermutlich mit den Plädoyers. Ob dann schon ein Urteil fällt, ist unklar.